Rz. 102

War der Anwalt (Voll-)verteidiger oder Vertreter eines Beteiligten i.S.d. Vorbem. 4 Abs. 1 VV, so ist in jeder Angelegenheit wie folgt vorzugehen:

(1) Grundgebühr

 

Rz. 103

Zunächst einmal kommt die Grundgebühr nach Nr. 4100 VV in Betracht (ausgenommen in der Strafvollstreckung). Diese entsteht allerdings nur einmal je Rechtsfall für die erste Einarbeitung. Sie kann also nur in der ersten Angelegenheit entstehen, später nicht mehr.

 

Rz. 104

Befindet sich der Beschuldigte (oder der Vertretene) während der ersten Einarbeitung nicht auf freiem Fuß (Vorbem. 4 Abs. 4 VV), entsteht diese Gebühr mit Zuschlag (Nr. 4101 VV).

 

Rz. 105

Eine eventuell wegen derselben Tat vorangegangene Grundgebühr im Bußgeldverfahren ist anzurechnen (Anm. Abs. 2 zu Nr. 4100 VV).

(2) Betriebsgebühr

 

Rz. 106

Neben der Grundgebühr entsteht in jeder Angelegenheit – auch in der Strafvollstreckung, in der eine Grundgebühr nicht entstehen kann – immer eine Betriebsgebühr. In der Regel handelt es sich um eine Verfahrensgebühr, die für das Betreiben des Geschäfts entsteht und bereits mit Entgegennahme der Information ausgelöst wird (Vorbem. 4 Abs. 2 VV). Nur für die Vorbereitung eines Wiederaufnahmeverfahrens entsteht eine Geschäftsgebühr (Nr. 4136 VV), was in der Sache jedoch keinen Unterschied ausmacht.

 

Rz. 107

Die Verfahrensgebühr erhält der Anwalt im vorbereitenden Verfahren, in gerichtlichen Verfahren in jeder Instanz, in der Zwangsvollstreckung und für Einzeltätigkeiten, die nicht durch die Verteidigergebühren abgegolten sind.

 

Rz. 108

Zu beachten ist, dass im erstinstanzlichen gerichtlichen Verfahren die Höhe der Verfahrensgebühr von der Zuständigkeit des Gerichts abhängt.

 

Rz. 109

Befindet sich der Beschuldigte (oder der Vertretene) auch nur zu irgendeinem Zeitpunkt während des jeweiligen Verfahrensabschnitts nicht auf freiem Fuß (Vorbem. 4 Abs. 4 VV), entsteht die Verfahrensgebühr mit Zuschlag (ausgenommen Wiederaufnahmeverfahren und Einzeltätigkeiten des Verteidigers).

 

Rz. 110

Vertritt der Anwalt mehrere Auftraggeber, etwa mehrere Nebenkläger oder Privatkläger, dann erhöhen sich die Gebührenrahmen der jeweiligen Verfahrensgebühren oder der Geschäftsgebühr (Nr. 4136 VV) um 30 % je Auftraggeber, höchstens um 200 %. Eine Identität des Gegenstands ist hier nicht erforderlich.

(3) Termine außerhalb der Hauptverhandlung

 

Rz. 111

Hat der Anwalt an Terminen außerhalb der Hauptverhandlung teilgenommen, erhält er nach Nr. 4102 VV eine Terminsgebühr. Diese deckt bis zu drei Termine je Verfahren ab (Anm. zu Nr. 4102 VV).

 

Rz. 112

Befindet sich der Beschuldigte (oder der Vertretene) während einem der abgegoltenen Termine nicht auf freiem Fuß, entsteht die Terminsgebühr mit Zuschlag (ausgenommen Termine im Wiederaufnahmeverfahren, Nr. 4140 VV) und Termine als Einzeltätigkeiten des Verteidigers.

(4) Teilnahme an der Hauptverhandlung

 

Rz. 113

Darüber hinaus erhält der Anwalt für jeden Kalendertag, an dem er an einem Hauptverhandlungstermin teilnimmt, eine Terminsgebühr.

 

Rz. 114

Diese Gebühr entsteht auch dann, wenn der Termin ausfällt (Vorbem. 4 Abs. 3 S. 2 VV).

 

Rz. 115

Zu beachten ist, dass im erstinstanzlichen gerichtlichen Verfahren die Höhe der Verfahrensgebühr von der Zuständigkeit des Gerichts abhängt.

 

Rz. 116

Befindet sich der Beschuldigte (oder der Vertretene) während eines Termins nicht auf freiem Fuß (Vorbem. 4 Abs. 4 VV), entsteht diese Terminsgebühr mit Zuschlag. Der Zuschlag ist für jede Terminsgebühr gesondert zu prüfen.[30]

[30] AnwK-RVG/N. Schneider, Vorbem. Teil 4 VV Rn 42 ff.

(5) Zusätzliche Gebühr nach Nr. 4141 VV

 

Rz. 117

Erledigt sich das Verfahren ohne Hauptverhandlung, so kann der Anwalt bei entsprechender Mitwirkung eine Zusätzliche Gebühr nach Nr. 4141 VV verdienen. Diese Gebühr entsteht immer in Höhe der jeweiligen Verfahrensmittelgebühr, wobei allerdings hier eine Erhöhung nach Nr. 1008 VV nicht zu berücksichtigen ist, wenn der Anwalt mehrere Auftraggeber vertritt.

 

Rz. 118

Ein Haftzuschlag (Vorbem. 4 Abs. 4 VV) bleibt bei der Zusätzlichen Gebühr nach Nr. 4141 VV ebenfalls außer Ansatz.

(6) Zusätzliche Verfahrensgebühr nach Nr. 4142 VV

 

Rz. 119

Ist der Anwalt auch mit der Einziehung oder verwandten Maßnahmen beauftragt, so entsteht nach Nr. 4142 VV zusätzlich eine 1,0-Wertgebühr aus dem Wert des betreffenden Gegenstands, sofern dieser nicht niedriger ist als 30,00 EUR (Anm. Abs. 2 zu Nr. 4142 VV).

 

Rz. 120

Im vorbereitenden Verfahren und im gerichtlichen Verfahren entsteht die Gebühr insgesamt nur einmal (Anm. Abs. 3 zu Nr. 4142 VV).

 

Rz. 121

Mehrere Auftraggeber sind auch hier erhöhend zu berücksichtigen, wobei hier wiederum derselbe Gegenstand gegeben sein muss, da es sich um eine Wertgebühr handelt (Nr. 1008 VV).

(7) Zusätzliche Verfahrensgebühr nach Nrn. 4143, 4144 VV

 

Rz. 122

Werden im Strafverfahren zivilrechtliche Ansprüche geltend gemacht (Adhäsionsverfahren), so erhält der Anwalt nach Nrn. 4143, 4144 VV zusätzliche Gebühren, die sich wiederum nach dem Wert richten. In erster Instanz beträgt die Gebühr 2,0, in der Rechtsmittelinstanz 2,5.

 

Rz. 123

Mehrere Auftraggeber sind auch hier erhöhend zu berücksichtigen, wobei hier wiederum derselbe Gegenstand gegeben sein muss (Nr. 1008 VV).

 

Rz. 124

Ist eine außergerichtliche Beratung vorangegangen, so ist eine Gebührenanrechnung zu beachten (§ 34 Abs. 2 RVG). Ob ...

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