1. In-Prinzip

 

Rz. 1007

Die Einkommensteuer stellt im Rahmen der Leistungsfähigkeit einen Abzugsposten dar.[807]

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH sind Steuern und Abgaben grundsätzlich jeweils in der tatsächlich entrichteten Höhe abzusetzen und spätere Veränderungen, z.B. wegen Abweichung der Veranlagung zur Einkommensteuer, von der Vorauszahlung erst zu berücksichtigen, wenn diese Veränderungen tatsächlich eingetreten sind.[808]

Hierbei geht der BGH vom sog. "In-Prinzip" aus.

Mit diesem Terminus wird im Familienrecht allgemein das Zu- und Abflussprinzip umschrieben.

Bei der Berechnung des Nettoeinkommens wird als Abzugsposten die tatsächliche Einkommensteuerzahlung, Vorauszahlung und Nachzahlung als Einkommensminderung nur in dem Kalenderjahr berücksichtigt, in dem diese tatsächlich geleistet werden.[809]

[807] Wendl/Dose, a.a.O., § 1 Rn 591.
[808] BGH FamRZ 2003, 744; FuR 2007, 271.
[809] Kuckenburg/Perleberg-Kölbel, Ist das In-Prinzip noch zu halten?, FuR 2004, 160.

2. Für-Prinzip

 

Rz. 1008

Das in der Literatur präferierte "Für-Prinzip" folgt der tatsächlichen Steuerlast ausweislich der steuerrechtlichen Veranlagung.[810]

Das In-Prinzip ist wegen seiner Manipulationsmöglichkeiten und seines Verstoßes gegen das Prinzip der periodengerechten Jahresabgrenzung der Bilanzierung abzulehnen. Zudem werden Steuerzahlungen und Steuererstattungen berücksichtigt, die zu einer Steuerveranlagung gehören können, die außerhalb des unterhaltsrechtlichen Betrachtungszeitraums liegen.[811]

[810] Fischer-Winkelmann, FamRZ 1993, 880 ff., Kuckenburg/Perleberg-Kölbel, FuR 2004, 160 ff.; Kuckenburg/Perleberg-Kölbel, B Rn 718 f.
[811] Kuckenburg/Perleberg-Kölbel, B Rn 721 mit Beispiel; dieselben FuR 2004, 160 ff.

3. Zu berücksichtigende Steuer

 

Rz. 1009

Zu den Steuerzahlungen gehören auch die Lohnsteuer und die Kirchensteuer.

Diese stellen lediglich besondere Erhebungsformen der Einkommensteuer dar s.o.

Die im Veranlagungszeitraum geleisteten Zahlungen werden daher ebenso wie Einkommensteuer-Vorauszahlungen berücksichtigt.[812]

[812] Vgl. hierzu Perleberg-Kölbel, Die Rolle des Lohnsteuerabzugs und Körperschaftssteueranrechnungsverfahrens bei der Anwendung des sog. "In-Prinzips" im Unterhaltsrecht, FuR 2005, 307 ff.

4. Fiktive Steuerberechnung in der Rechtsprechung

 

Rz. 1010

Der BGH hat nicht immer konsequent das In-Prinzip angewendet. So hat er eine fiktive Steuerberechnung in einem Fall zugunsten des Unterhaltsschuldners zugelassen, der erhebliche Verluste aus einem Bauherrenmodell ausgewiesen hatte.[813] Die fiktive Steuerlast wurde dort vom Unterhaltseinkommen abgezogen. Auch nimmt die Rechtsprechung stets eine fiktive Steuerberechnung vor, wenn es um die Wahl der ungünstigeren Steuerklasse und die Nichtausschöpfung steuerlicher Gestaltungsmöglichkeiten geht.[814]

Ferner erfolgt eine fiktive Steuerberechnung, wenn statt der degressiven AfA eine lineare AfA-Tabelle Berücksichtigung finden soll und wenn Ansparabschreibungen nicht innerhalb des unterhaltsrelevanten Betrachtungszeitraumes gebildet und aufgelöst werden.[815]

Auch sind Fiktivsteuern zu berechnen, wenn steuerliche Vorteile bei der Wiederheirat des Unterhaltspflichtigen vorhanden sind. Der Splittingvorteil des wiederverheirateten Unterhaltspflichtigen bleibt nämlich beim Ehegattenunterhalt im Gegensatz zur Berechnung beim Kindesunterhalt unberücksichtigt.[816] Das Bundesverfassungsgericht[817] führt aus:

"Steuerliche Vorteile, deren Entstehen vom Eheschluss ausgelöst werden, die das Zusammenleben der Ehegatten voraussetzen und die der Gesetzgeber in Konkretisierung seines Schutzauftrages allein der bestehenden Ehe einräumt, dürfen ihr durch die Gerichte nicht dadurch wieder entzogen werden, dass sie der geschiedenen Ehe zugeordnet werden und über die Unterhaltsberechnung auch den Unterhalt des geschiedenen Ehegatten erhöhen."

Auch bei der Aufteilung einer Steuerschuld zwischen Ehegatten erfolgt eine fiktiv getrennte Veranlagung gemäß § 270 AO.[818]

[813] BGH FamRZ 1987, 36, 37.
[814] OLG Hamm FamRZ 2000, 311; OLG Schleswig FamRZ 2000, 825 f.; BGH FamRZ 2007, 1229, 1231.
[815] Vgl. BGH FamRZ 2003, 741 ff., sowie FamRZ 2004, 1177 ff.
[816] Vgl. BGH ZFE 2005, 449 ff.; FuR 2007, 367.
[817] Beschl. v. 7.10.2003, FamRZ 2003, 1821 = FuR 2003, 507 = NJW 2003, 3466.
[818] BGH FamRZ 2006, 1178; 2007,1229; vgl. hierzu auch mit Beispiel Kuckenburg/Perleberg-Kölbel, Ist das In-Prinzip noch zu halten?, FuR 2004, 160 ff.

5. Kritik am In-Prinzip

 

Rz. 1011

Das In-Prinzip ist deshalb zu kritisieren, weil es Manipulationsmöglichkeiten zulässt. Der Steuerpflichtige kann Einfluss auf die Steuerzahllast, insbesondere die Vorauszahlungen nehmen, um so sein Unterhaltseinkommen zu reduzieren.

Auch kann das In-Prinzip zu grotesken Ergebnissen führen, was ein Beispiel aus der Gutachtenpraxis belegt:

 

Beispiel

Der Unterhaltsschuldner S ist Zahnarzt und eröffnet seine Praxis im Jahr 2013. In diesem Jahr nimmt er auch seine berufliche Tätigkeit auf.

In den Jahren 2014 und 2015 entrichtet er noch keine Einkommensteuer. Da noch keine Veranlagung des ersten Jahres erfolgt ist, werden noch keine Vorauszahlungen entrichtet.

Betrachtungszeitraum für das Unterhaltse...

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