Rz. 47

Von der empfangsbereiten Freischaltung eines beA sind grundsätzlich keine Ausnahmen vorgesehen. Auch die nachstehenden Gründe berechtigen nicht zum Antrag auf Nichteinrichtung oder zu einer zeitweisen "Aussetzung":

Altersgründe,
Tätigkeit als reiner Vertragsanwalt (keine Litigation),
Tätigkeit als Rechtsanwalt im Öffentlichen Dienst gem. § 47 BRAO,
Krankheitsgründe,
Mutterschutz,
Eltern- oder Pflegezeiten.
 

Rz. 48

Denn das beA eines jeden Anwalts ist mit seinem Eintrag im elektronischen Anwaltsverzeichnis verknüpft. Erst bei Sperrung (§ 28 RAVPV),[56] Tod oder Rückgabe/Entzug der Zulassung wird auch das beA mit der Löschung im Anwaltsverzeichnis nicht mehr adressierbar sein.
 

Rz. 49

Möglich ist jedoch, in Härtefällen einen Antrag auf Befreiung von der in § 27 Abs. 1 BRAO normierten Kanzleipflicht zu stellen.[57] Ein solcher Antrag kann gem. § 29 Abs. 1 S. 1 BRAO (z.B. auf das Erreichen der Altersgrenze [ab 65 J.], Arbeitslosigkeit, schwerer Krankheit, Elternzeit oder Auslandsfortbildung) oder auf § 29a Abs. 2 BRAO (Kanzlei ist ausschließlich in einem anderen Staat eingerichtet oder wird dort unterhalten bzw. Tätigkeit ausschließlich für eine ausländische Kanzlei) gestützt werden. Es ist dann ein Zustellungsbevollmächtigter gem. § 30 Abs. 1 BRAO zu benennen, der selbst nicht Anwalt, aber geschäftsfähig sein, im Inland wohnen und einen Geschäftsraum haben muss. Der Antrag auf Bestellung eines Zustellungsbevollmächtigten kann im Internet heruntergeladen werden.[58] An den Zustellungsbevollmächtigten kann auch gem. §§ 173 Abs. 1 u. 2, 175, 195 ZPO von Anwalt zu Anwalt, wie an den Anwalt selbst, zugestellt werden, § 30 Abs. 2 BRAO.[59] § 30 Abs. 1 S. 2 BRAO[60] verpflichtet Rechtsanwälte, ihrem Zustellungsbevollmächtigten Zugang zu ihrem beA zu geben. Der Zustellungsbevollmächtigte muss gem. § 30 Abs. 1 S. 3 BRAO zumindest befugt sein, Posteingänge zur Kenntnis zu nehmen und elektronische Empfangsbekenntnisse abzugeben. Bis zum 31.7.2021 sorgte die BRAK dafür, dass Zustellungsbevollmächtigten automatisiert ein Leserecht eingeräumt wurde. Im Hinblick auf die Neuregelungen u.a. auch zum Vertretungsrecht hat der Gesetzgeber entschieden, dass die Rechteeinräumung, die seit 1.8.2021 auch die Abgabe von elektronischen Empfangsbekenntnissen umfasst, vollständig auf die Anwälte zu übertragen, die sich vertreten lassen möchten oder einen Zustellungsbevollmächtigten benennen. Hier können im beA seit Anfang August 2022 die neuen Rollen "Vertretung" und/oder "Zustellungsbevollmächtigter" vergeben werden. Der Zustellungsbevollmächtigte (ebenso die Rolle "Vertretung") hat in seiner Rolle, sobald ihm diese zugewiesen wurde, folgende Rechte automatisch:

01 – Nachrichtenübersicht öffnen 03 – Nachricht erstellen 06 – Nachricht öffnen 14 – EBs versenden 15 – EBs zurückweisen 30 – EBs mit VHN versenden

 

Rz. 50

Im Zuge dieser Rollenvergabe kann ein Postfachinhaber auch entscheiden, ob er weitere Rechte auf seine Vertretung oder seine/n Zustellungsbevollmächtigten übertragen möchte, siehe dazu auch § 25 RAVPV. Dabei kann auf Zustellungsbevollmächtigte seit dem 1.8.2021 auch das Recht übertragen werden, nicht qualifiziert elektronisch signierte Empfangsbekenntnisse abzugeben, § 23 Abs. 3 S. 5 u. 6 RAVPV. Das Recht 30 "Empfangsbekenntnisse mit VHN versenden" wurde hierzu eigens Anfang August 2022 neu eingerichtet, es hat somit ein Jahr gedauert, bis die gesetzliche Vorgabe auch technisch umgesetzt wurde. Hat ein Rechtsanwalt in den Fällen des § 30 BRAO, § 46c Abs. 6 BRAO (Syndikusrechtsanwalt) oder des § 54 Abs. 2 BRAO (Vertretung) unterlassen, einem von ihm benannten Zustellungsbevollmächtigten oder einer von ihm bestellten Vertretung einen Zugang zu seinem beA einzuräumen (via Rollenvergabe), so kann die BRAK dieser Person für die Dauer ihrer Benennung oder Bestellung einen auf die Übersicht der eingegangenen Nachrichten beschränkten Zugang zum beA des Rechtsanwalts einräumen, für den sie benannt oder bestellt wurde, § 25 Abs. 4 S. 1 RAVPV. § 25 Abs. 3 S. 2–4 RAVPV gelten entsprechend; der Antrag auf Einräumung eines derartigen Zugangs nach § 25 Abs. 4 S. 1 RAVPV ist bei der RAK zu stellen. Gleiches gilt für eine Berufsausübungsgesellschaft in den Fällen des § 59m Abs. 4 i.V.m. § 30 BRAO oder des § 59e Abs. 1 i.V.m. § 54 Abs. 2 BRAO, § 25 Abs. 4 i.V.m. dem seit 1.8.2022 geltenden § 25 Abs. 5 RAVPV. Die Versendung mit VHN ermöglicht eine wirksame Einreichung ohne qualifizierte elektronische Signatur, siehe dazu auch § 2 Rdn 97 ff. in diesem Werk. Zu den technischen Problemen mit dem VHN bei Berufsausübungsgesellschaften siehe § 2 Rdn 36.

 

Rz. 51

Ist der Zustellungsbevollmächtigte ein Anwalt, können die Zustellungen in sein beA erfolgen oder aber er lässt sich ein weiteres beA einrichten.[61] Die Entscheidung zur Einrichtung und Nutzung eines weiteren beA wird dann erforderlich sein, wenn sich die Verschwiegenheitspflicht sonst nicht wahren lässt, z.B. weil der von der Kanzleipflicht Befreite und der Zustellungsbevollmäc...

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