I. Grundsatz

 

Rz. 353

Im Familienvermögensrecht geht es vorrangig nicht um die Berechnung des Einkommens aus abhängiger Beschäftigung oder um Fragen, die im Zusammenhang mit Schwangerschaft und Kinderbetreuung zu arbeitsvertraglichen Pflichten und Rechten stehen. Vielmehr sind zur Ermittlung des jeweiligen Vermögens der Ehegatten arbeitsrechtliche Bezüge herzustellen und Vermögenspositionen zuzuordnen oder aufzulösen.

II. Schnittstellen außerhalb des Familienvermögensrechtes

 

Rz. 354

Dennoch sollen zum besseren Verständnis der Bandbreite des Einwirkens arbeitsrechtlicher Entscheidungen auf familienrechtliche Sachverhalte einige Punkte herausgegriffen werden.

1. Beschäftigungsverbot/Arbeitsunfähigkeit

 

Rz. 355

Bei einer Schwangerschaft während eines Arbeitsverhältnisses ist vielfach eine Abgrenzung zwischen einem Beschäftigungsverbot und krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit vorzunehmen.[267] Bei einem Beschäftigungsverbot besteht der Anspruch auf ungeschmälerte Gehaltszahlung – bei Arbeitsunfähigkeit "nur" der Anspruch auf Entgeltfortzahlung für die Dauer von 6 Wochen mit dann einsetzender Verpflichtung auf Zahlung von Krankengeld und einer Deckelung gem. § 44a S. 3 SGB V auf die Beitragsbemessungsgrenze (2014: EUR 48.600 brutto).

Hier sind die Auswirkungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitgeber erheblich, da auf Antrag des Arbeitgebers gegenüber der Krankenversicherung der Arbeitnehmerin gem. § 1 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 AAG ein Anspruch auf Erstattung des gesamten Mutterschutzgehaltes besteht – und zwar von Anfang an und in vollem Umfang also einschließlich der Arbeitgeberanteile auch zu vermögenswirksamen Leistungen und zur betrieblichen Altersversorgung (sog. U2-Verfahren). Eine Begrenzung des Erstattungsanspruchs auf die sozialversicherungsrechtlich relevante Beitragsbemessungsgrenze erfolgt nicht. Ebenfalls erfolgt – anders als bei der Entgeltfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit – die Erstattung ohne Berücksichtigung der Anzahl der Beschäftigten.

[267] BSG, Beschl. v. 31.1.2014 – B 1 KR 23/13 B, n.v.; BAG FamRZ 2002, 1623, L.S. NZA 2002, 738.

2. Auskunftsverpflichtung des Arbeitgebers

 

Rz. 356

Weithin bei Arbeitgebern unbekannt ist die Möglichkeit des Gerichts, in einem Unterhaltsverfahren auf Antrag nach § 236 FamFG über die Höhe der Einkünfte des Arbeitnehmers Auskünfte und Belege anzufordern. Dies gilt auch gegenüber Versicherungsunternehmen und Finanzämtern. Nach § 390 ZPO kann diese Verpflichtung gegen dem Arbeitgeber oder dem sonstigen auskunftsverpflichteten Dritten – mit Ausnahme einer Behörde – mit Ordnungsgeld oder Ordnungshaft durchgesetzt werden. Eine oftmals nicht genutzte Möglichkeit um gerade an Tantieme- oder Zielvereinbarungen zu gelangen, wenn zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber Absprachen bestehen, Auszahlungen zu "stunden" und erst in Zukunft ggf. nach dem maßgeblichen Auskunftszeitraum oder in einem darauffolgenden Kalenderjahr zu realisieren. Dies muss nicht mit der vermeintlichen Unterhalts- oder Vermögenssituation zusammenhängen, sondern kann durchaus auf berücksichtigenswerten anderen Aspekten beruhen. So kann ein Grund sein, dass bei einem befristeten Arbeitsvertrag oder in Kenntnis, dass das Arbeitsverhältnis in einem der darauffolgenden Kalenderjahre durch Erreichen der Altersgrenze, vorzeitigem Ruhestand oder Teilzeitvereinbarungen endet oder umgestaltet wird, die steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten genutzt werden. Dies kann jedoch auch bei dem stichtagsbezogen Endvermögen erhebliche Auswirkungen haben.

3. Gehaltsermittlung

 

Rz. 357

Ansonsten ist bei der Ermittlung des Arbeitseinkommens die Steuerklassenwahl, Vergütungsbestandteile, insbesondere Firmenwagen, Zulagen, Urlaubsgewährung und Urlaubsabgeltung sowie Mehrarbeit zu beachten. Hier sind die familienrechtlichen Grundsätze zur Ermittlung des bereinigten Einkommens jedoch regelmäßig einschlägiger und es dürfte nur in Ausnahmefällen auf eine arbeitsrechtliche Sicht zurückzugreifen sein.

III. Schnittstellen Arbeitsrecht/Familienvermögensrecht

1. Grundsatz

 

Rz. 358

Eine echte vermögensrechtliche Auseinandersetzung zwischen Ehegatten erfolgt bei den Themen Abfindung wegen des Verlustes des Arbeitsplatzes und bei der Beendigung eines Ehegatten-Arbeitsverhältnis.

2. Abfindung

a) Ausgangslage

 

Rz. 359

Bei einer Abfindung ist entscheidend, ob diese familienrechtlich als Ersatz für ein nach Verlust des Arbeitsverhältnisses erzieltes geringeres Einkommen herangezogen wird oder als Vermögen im Zugewinn zu berücksichtigen ist. Dies hat erhebliche Auswirkungen, da im Falle einer Scheidung eine Prognose zu erfolgen hat, ob stichtagsbezogen auf die Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages die vorhandene Abfindung auf den zukünftigen Unterhalt zu verwenden ist oder als Vermögensbestandteil das Endvermögen erhöht und bei einem erzielten höheren Zugewinn auszugleichen wäre.

b) Rechtliche Grundlage

 

Rz. 360

Ein Anspruch auf eine Abfindung wegen der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses besteht nur, wenn ein Sozialplan nach § 112 Abs. 1 S. 2 BetrVG abgeschlossen worden ist, wenn nach §§ 9 und 10 KSchG das Arbeitsgericht einem Auflösungsantrag folgt oder durch Abschluss einer individuellen Vereinbarung (Abfindungsvergleich). Eine Besonderheit stellt die Kündigung nach § 1a KSchG dar, dabei wird eine betriebsbedingte Künd...

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