Rz. 21

Die GbR kann in zwei systembildenden Erscheinungsformen (Rechtsformvarianten) auftreten, nämlich als

Innengesellschaft (Gesellschaft, die sich auf die Regelung des Innenverhältnisses ihrer Mitglieder beschränkt) oder als
Außengesellschaft (die selbst nach außen in Erscheinung tritt).

Der Gesetzgeber bildet dies nunmehr im Gesetz ab und erkennt dabei auch die Rechtsfähigkeit der GbR – als eigenes verkehrstaugliches Rechtssubjekt (mit klarer Vermögenszuordnung) – ausdrücklich i.S.e. Konsolidierung des GbR-Rechts an.[48] Dazu gibt er – gestützt auf fünf Erwägungen – "einen auf die jeweilige Rechtsformvariante abgestimmten Organisationsrahmen und einen dispositiven Regelungsrahmen vor".[49]

[48] RegE, BT-Drucks 19/27635, S. 103.
[49] RegE, BT-Drucks 19/27635, S. 103.

1. Ausdifferenzierung der GbR in zwei Rechtsformvarianten

 

Rz. 22

Es bestehen zwei – sich gegenseitig ausschließende – Rechtsformvarianten der GbR:[50]

die rechtsfähige GbR und
die nicht rechtsfähige GbR.

Die eine Rechtsform GbR in zwei Varianten verschafft Gesellschaftern die Möglichkeit

einer Teilnahme am Rechtsverkehr namens der GbR (rechtsfähige GbR, was den gemeinsamen Willen der Gesellschafter zur Teilnahme am Rechtsverkehr voraussetzt, vgl. § 705 Abs. 2 Hs. 1 BGB) oder (in Abgrenzung hierzu)
eine bloße Ausgestaltung ihres Rechtsverhältnisses untereinander (nicht rechtsfähige GbR, vgl. § 705 Abs. 2 Hs. 2 BGB).[51]
 

Rz. 23

Rechtsfähiger wie nicht rechtsfähiger GbR ist gemein, dass es sich nach § 705 Abs. 1 BGB um einen Zusammenschluss mehrerer Gesellschafter durch Gesellschaftsvertrag zur Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks handelt.[52]

 

Rz. 24

Jede GbR ist – "jedenfalls auch" – vertragliches Schuldverhältnis[53] und kann von den Gesellschaftern zu jedem erlaubten Zweck gegründet werden, was zugleich der Abgrenzung der rechtsfähigen GbR von der juristischen Person dient.[54]

 

Rz. 25

Die Differenzierung zwischen rechtsfähiger und nicht rechtsfähiger GbR spiegelt sich in der Gliederung des "Titels 16 – Gesellschaft") in drei Untertitel (mit einem Regelungsschwerpunkt bei der rechtsfähigen GbR) wider:[55]

Untertitel 1 – Allgemeine Bestimmungen (für rechtsfähige wie nicht rechtsfähige GbR)
Untertitel 2 – Rechtsfähige Gesellschaft
Untertitel 3 – Nicht rechtsfähige Gesellschaft
 

Rz. 26

Die rechtsfähige GbR ist selbst Trägerin des Vermögens (vgl. § 713 BGB – Existenz eines Gesellschaftsvermögens)[56] und nicht mehr – wie vormals – die Gesellschafter in gesamthänderischer Verbundenheit.

Die nicht rechtsfähige Gesellschaft hat nach § 740 Abs. 1 BGB kein Vermögen. Dies schließt auch ein gesamthänderisch gebundenes Vermögen der Gesellschafter aus.[57]

[50] RegE, BT-Drucks 19/27635, S. 103.
[51] RegE, BT-Drucks 19/27635, S. 103.
[52] RegE, BT-Drucks 19/27635, S. 103.
[53] Woraus sich der fortbestehende Regelungsstandort der GbR im "Titel 16 – Gesellschaft" im Besonderen Schuldrecht ergibt.
[54] RegE, BT-Drucks 19/27635, S. 103.
[55] RegE, BT-Drucks 19/27635, S. 103.
[56] "Die Beiträge der Gesellschafter sowie die für oder durch die Gesellschaft erworbenen Rechte und die gegen sie begründeten Verbindlichkeiten sind Vermögen der Gesellschaft".
[57] RegE, BT-Drucks 19/27635, S. 104: "Das Gesamthandsprinzip mit seiner Aufgabe, das Gesellschaftsvermögen dauerhaft für den vereinbarten Gesellschaftszweck zu sichern und gegen den Zugriff von Privatgläubigern abzuschotten, hat damit jedenfalls auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts ausgedient".

2. Rechtsfähigkeit der GbR und komplementäre persönliche Haftung ihrer Gesellschafter

 

Rz. 27

Mit der Anerkennung der Rechtsfähigkeit der GbR als Trägerin von Pflichten aus vertraglichen wie gesetzlichen Schuldverhältnissen (vgl. § 713 BGB) korrespondiert – mangels gesetzlicher Vorgaben zur Kapitalausstattung und -erhaltung (jedenfalls im gesetzlichen Regelfall) – die unbeschränkte gesamtschuldnerische Haftung der Gesellschafter mit ihrem gesamten Privatvermögen für die Gesellschaftsverbindlichkeiten nach

§ 721 BGB (persönliche Haftung der Gesellschafter),
§ 721a BGB (Haftung des eintretenden Gesellschafters) und
§ 721b BGB (Einwendungen und Einreden des Gesellschafters)

im Interesse aller Beteiligter an einem nachhaltigen Wirtschaften (Schutz der Gesellschaftsgläubiger vor einem Haftungsausfall der GbR, Lenkung der Gesellschafter bei Eingehung von Gesellschaftsrisiken und Erhöhung der Kreditwürdigkeit der GbR)[58] entsprechend dem (auch bisher schon geltenden) Haftungsregime der OHG.

 

Beachte:

Da im Ausnahmefall die unbeschränkte persönliche Haftung die Gesellschafter auch zu einer Überforderung führen kann, hat der Gesetzgeber das Haftungsregime nicht als abschließende Regelung konzipiert. Institutionelle Haftungsbeschränkungen, bspw. im Wege

der stillschweigenden Vereinbarung,
der ergänzenden Vertragsauslegung oder
der Analogie zu den §§ 171 ff. HGB bzw. zu § 54 BGB,

sollen grundsätzlich zulässig sein oder bleiben.[59]

[58] RegE, BT-Drucks 19/27635, S. 104.
[59] RegE, BT-Drucks 19/27635, S. 104.

3. Bewahrung der Vielseitigkeit und Flexibilität der GbR

 

Rz. 28

Die GbR kann weiterhin zu jedem erlaubten Zweck – sofern dieser nicht auf den Betrieb eines Handelsgewerbes i.S.v. § 105 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 2 HGB ge...

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