Rz. 232

Das Verbot der Doppelverwertung von Vermögenspositionen gilt auch für sog. Passivposten.[187] Der von der Rechtsprechung aufgestellte Grundsatz "keine zweifache Teilhabe" eines Ehegatten durch Unterhalt und Zugewinnausgleich muss auch für die Aufteilung von Verbindlichkeiten gelten: Es darf nicht zu einer "doppelten Benachteiligung" eines Ehegatten kommen.[188] Das Problem der Doppelberücksichtigung eines Passivpostens durch dessen Ansatz im Güter- als auch Unterhaltsrecht stellt sich insbesondere im Hinblick auf eine gesamtschuldnerische Haftung der Ehegatten, wenn und soweit sich diese sowohl im Rahmen der Zugewinnausgleichs- als auch der Unterhaltsbemessung auswirkt.

Grundsätzlich dürfen Tilgungsleistungen nicht auf Kosten von Unterhalt zur einseitigen Vermögensbildung führen – etwa wenn der Unterhaltsberechtigte nicht mehr über den Zugewinnausgleich an der einseitigen Vermögensmehrung, die durch die Tilgungsleistungen eintritt, teilhat; Tilgungsleistungen dürfen in solchen Fällen und demnach nicht als Abzugsposten für die Bedarfsermittlung im Rahmen der Unterhaltsberechnung berücksichtigt werden.[189] Demzufolge sind mit Begründung der vermögensrechtlichen Stichtage im gesetzlichem Güterstand (§§ 1384, 1387 BGB) Tilgungsleistungen im Rahmen der Bemessung des Ehegattenunterhalts nur noch im Rahmen der sog. sekundären Altersvorsorge zu berücksichtigen.

 

Rz. 233

 

Praxistipp

Vor dem Hintergrund des Verbots der Doppelberücksichtigung von Schulden geht es tatsächlich nur darum, Tilgungsleistungen nicht doppelt – einmal im Rahmen des Ehegattenunterhalts und zum anderen im Rahmen des Ehegüterrechts – zu berücksichtigen. Im Rahmen des gesetzlichen Güterstandes wird der am Stichtag vorhandene Wert der Verbindlichkeiten ausschließlich von den Tilgungsleistungen, nicht aber den Zahlungen auf Zinsen, beeinflusst.[190]

 

Rz. 234

Besteht an dem jeweiligen Vermögensstand eine Bruchteilsgemeinschaft zu ½, dann sind Tilgungsleistungen in voller Höhe auch nach den güterrechtlichen Stichtagen der Zugewinngemeinschaft anzusetzen, weil der andere Bruchteilseigentümer über das Ausgleichsprinzip der Gemeinschaft hälftig an diesem Vermögensaufbau partizipiert, nicht aber bei ungleichen Anteilen der Gemeinschafter (dann Verstoß gegen Recht bzw. Schutz des Halbteilungsgrundsatzes). Der jeweilige Güterstand ist dann ohne Belang (auch das Ende der Gütergemeinschaft bei Rechtskraft der Scheidung bzw. vertragsmäßiger Beendigung).

[187] Marion Klein, FamVermR, Kap. 1 Rn 23.
[188] Haußleiter/Schulz, Kap. 1 Rn 111.
[190] FA-FamR/Gerhardt, Kap. 6 Rn 22; Wever, Rn 351.

aa) Gesamtschuld bei Unterhaltsberechnung und sich anschließender güterrechtlicher Auseinandersetzung

 

Rz. 235

Eine Gesamtschuld der Ehegatten ist unterhaltsrechtlich zu berücksichtigen, indem bei dem Ehegatten, der die Verbindlichkeiten bedient, diese mit ihrem Zins- und Tilgungsanteil das unterhaltsrechtliche Einkommen mindern, da der Ausgleich der Vermögensmehrung durch die Tilgungsleistungen noch im Wege des Zugewinnausgleichs erfolgen wird. Güterrechtlich ist zum Stichtag in die Zugewinnbilanz des jeweiligen Ehegatten der noch offene Darlehensbetrag jeweils zu ½ einzustellen.

 

Rz. 236

Durch die einkommensmindernde Berücksichtigung des Tilgungsanteils bei Ermittlung des unterhaltsrechtlichen Einkommens wird der Unterhaltsberechtigte im Rahmen des Unterhaltsrechts an der Rückführung der Verbindlichkeit über den Halbteilungsgrundsatz zu ½ beteiligt. Sofern nun die Gesamtschuld in voller Höhe güterrechtlich bei dem Ehegatten zum Stichtag angesetzt würde, der das Darlehen durch Zins- und Tilgungsleistung zurückführt, hat das im Ergebnis zur Folge, dass der nicht die Verbindlichkeiten zurückführende Ehegatte über die Kürzung im Zugewinn nochmals, also doppelt, an dem Passivposten beteiligt ist. Ein solches Ergebnis verstößt jedoch gegen das Verbot der Doppelverwertung.

 

Rz. 237

 

Praxistipp

Eine Doppelverwertung einer Gesamtschuld kann sich nur einstellen, wenn bei der Berechnung des Zugewinnausgleichsanspruchs die Gesamtschuld in voller Höhe bei einem Ehegatten, wie die Praxis zeigt regelmäßig bei demjenigen, der das Darlehen durch Zahlung auf Zins und Tilgung bedient, angesetzt wird. Es darf nicht übersehen werden, dass der Ausgleich für die Rückführung der Gesamtschuld zwischen den Eheleuten bereits unterhaltsrechtlich durch den Abzug bei der Einkommensermittlung erfolgt ist.[191]

Werden Tilgungsleistungen bei der Bemessung des Ehegattenunterhalts berücksichtigt, dann dürfen die darauf bezogenen Verbindlichkeiten nicht mehr in einen güterrechtlichen Ausgleich – weder zugewinn- noch gemeinschaftsrechtlich – einbezogen werden.

[191] FA-FamR/Gerhardt, Kap. 6 Rn 22.

bb) Gesamtschuld bei güterrechtlicher Auseinandersetzung und sich anschließender Unterhaltsberechnung

 

Rz. 238

Auch bei dieser zeitlichen Abfolge ist das Verbot der Doppelverwertung zu beachten, da ansonsten eine gerade nicht gewollte zweifache Teilhabe eines Ehegatten an der Gesamtschuld eintreten kann. Daher ist der Ansatz der Gesamtschuld im Rahmen der güterrechtlichen Auseinandersetzung bei nachfolgender Unterhaltsberechnung eben...

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