Rz. 409

Wie oben dargestellt, werden aus den jeweils einschlägigen Bewertungsverfahren der Verkehrswert und der Beleihungswert der Immobilie durch den Gutachter der Bank abgeleitet. Vom Marktwert können bei Einfamilienhäusern und Eigentumswohnungen zur vereinfachten und überschlägigen Einschätzung pauschal 10 % abgezogen werden,[292] um den Beleihungswert zu schätzen. Der Beleihungswert ist letztlich der für die Bank nachhaltig und sicher zu realisierende Preis.[293] Sowohl bei im Ertragswertverfahren, als auch bei im Sachwertverfahren bewerteten Objekten kann die durch den Gutachter zu ermittelnde Differenz zwischen Verkehrswert und Beleihungswert wie oben ausgeführt auch größer sein.

 

Rz. 410

Bei denjenigen Banken, die sich durch Pfandbriefe refinanzieren (§ 1 PfandBG), also dem Pfandbriefgesetz unterliegen, müssen die deckungsfähigen Teile der durch Grundschulden gesicherten Darlehen festgestellt werden (§ 5 PfandBG). Deckungsfähig sind 60 % des Beleihungswertes (§ 14 PfandBG).[294] Die deckungsfähigen Teile der Grundschulden gem. §§ 1191, 1192, 1113 ff. BGB haften für die von den Banken zur Refinanzierung begebenen Pfandbriefe.[295] Aufgrund der gegenüber einer normalen Schuldverschreibung höheren Sicherheit für den Pfandbriefgläubiger (Haftungsmasse der Bank plus deckungsfähige Teile der Immobiliendarlehen), ist der Pfandbriefzins etwas geringer gegenüber derjenigen einer normalen Bankschuldverschreibung.

 

Rz. 411

Folglich ist die Refinanzierung für die Bank günstiger. So erklärt sich, dass der Darlehenszins für den Darlehensnehmer bei Darlehen bis zur Höhe von 60 % des Beleihungswertes der Immobilie in der Regel immer etwas geringer ausfällt, als etwa bei einer Beleihung von 80 %.

 

Rz. 412

Die hier für Pfandbriefbanken benannten Grundsätze werden in ähnlicher Weise auch von sonstigen Geschäftsbanken, Volksbanken und Sparkassen angewandt, auch wenn die Refinanzierung nicht durch Pfandbriefe erfolgt und kein förmliches Deckungsregister im Sinne des PfandBG erforderlich ist.

 

Rz. 413

Exkurs: Das Pfandbriefsystem wurde durch den Juristen Johann Baptist Stroell (1815–1897), ab 1850 stellvertretender Abteilungsleiter der Hypothekenabteilung der damaligen Bayerischen- Hypotheken- und Wechsel-Bank AG (heute UniCredit Bank AG) entwickelt. 1864 wurde der erste Pfandbrief durch dieses Institut begeben. Die Pfandbriefgesetzgebung wurde 2005 modernisiert, indem das Hypothekenbankgesetz und andere Rechtsquellen im Pfandbriefgesetz zusammengefasst wurden. Heute werden auch sogenannte Jumbopfandbriefe von jeweils mindestens fünf Banken und einem Mindestvolumen von 1 Milliarde EUR emittiert.[296]

 

Rz. 414

Die Indeckungnahme erfolgt unter Vorlage von Kaufvertrag, Gutachten, Darlehensvertrag, Grundschuldbestellungsurkunde, Zweckbestimmungserklärung,[297] Flurkarte, Grundbuchauszug mit dem Nachweis der rangrichtigen Eintragung der Grundschuld in Abteilung III durch Eintragung im Deckungsregister. Der Vorgang wird durch einen Treuhänder überprüft (§§ 7, 8 PfandBG).

 

Rz. 415

Baugrundstücke sind nur eingeschränkt deckungsfähig im Sinne des Pfandbriefgesetzes (§ 16 Abs. 3 Satz 3 PfandBG). Sie werden daher ohne gleichzeitige Bebauung oft nur bis zu fünf Jahren finanziert.

[292] Grill/Perczynski, Wirtschaftslehre des Kreditwesens, 47. Aufl., 421.
[293] Grill/Perczynski, 414.
[294] Claussen, Bank- und Börsenrecht, 5. Aufl. 2014, § 5 Rn 75.
[295] Claussen, § 1 Rn 76.
[296] Mitarbeitermagazin der UniCredit Bank AG, Ausgabe Juni 2014, 50 mit frdl. Genehmigung der UniCredit Bank AG.
[297] Die Zweckbestimmungserklärung verknüpft die (abstrakte) Grundschuld mit dem zugrunde liegenden Darlehensvertrag und bewirkt, dass die Zwangsvollstreckung nur betrieben werden darf, wenn der Kreditnehmer seine Verpflichtungen aus dem Darlehensvertrag nicht erfüllt, siehe hierzu Grill/Perczynski, 440.

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