Rz. 168

Ein Gesamtschuldnerausgleich unter Ehegatten findet nicht statt, wenn die Eheleute im Güterstand der Gütergemeinschaft zusammengelebt haben. Etwaige Ausgleichsansprüche sind in diesem Fall als unselbständige Rechnungsposten bei der Auseinandersetzung über das Gesamtgut zu berücksichtigen.[126]

 

Rz. 169

Leben die Ehegatten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft, dann gilt kein allgemeiner Vorrang des Zugewinnausgleichs gegenüber dem Gesamtschuldnerausgleich. Beide Ausgleichsformen – anders als bei der Rückabwicklung ehebezogener Zuwendungen, wo ein Rückgewähranspruch bei gesetzlichem Güterstand in der Regel ausgeschlossen ist – bestehen nebeneinander.[127]

 

Rz. 170

In die Zugewinnberechnung sind als Rechnungsposten die jeweiligen Forderungen bzw. Verbindlichkeiten des Gesamtschuldnerausgleichs, wie sie sich am Stichtag darstellen, zu bilanzieren. Erstattungsansprüche nach § 426 BGB, die bis zum Stichtag bereits entstanden sind, sind beim Gläubiger in die Aktiva zu stellen, und beim Schuldner in die Passiva.[128]

 

Rz. 171

Dabei ist irrelevant, ob die gemeinsamen Schulden vor dem Stichtag bereits von einem Ehegatten getilgt worden, oder ob diese noch offen sind. Ist die Schuld durch einen Ehegatten zum Stichtag bereits getilgt – getilgte Gesamtschuld –, verringert sich sein Endvermögen um diese Position; allerdings erhöht die Ausgleichsforderung gegen den anderen Ehegatten sein Aktivvermögen, wohingegen sich das Endvermögen des ausgleichsverpflichteten Ehegatten um diese Ausgleichsverpflichtung reduziert.

 

Rz. 172

Ist hingegen zum Stichtag die Gesamtschuld noch nicht getilgt – offene Gesamtschuld –, ist sie im Endvermögen beider Ehegatten in vollem Umfang als Passivposten einzustellen, denn beide Ehegatten haften nach außen auf die volle Verbindlichkeit. Der jeweilige Ausgleichsanspruch gegen den anderen Ehegatten ist wiederum bei beiden als Aktivposten einzustellen.[129]

 

Rz. 173

Regelmäßig wirkt sich ein Gesamtschuldnerausgleich im gesetzlichen Güterstand nicht aus. Daher sollten die Eheleute, bevor sie eine gerichtliche Auseinandersetzung über Bestehen und Höhe des Ausgleichsanspruchs anvisieren, zunächst prüfen, ob es sich im Ergebnis überhaupt auswirkt, diesen gegenseitigen Anspruch geltend zu machen, denn was dem Gläubiger nach § 426 an Ausgleichsforderung zusteht, muss er über den Zugewinn wieder ausgleichen.

 

Rz. 174

 

Rechenbeispiel

M und F verfügen über kein Anfangsvermögen. Bei Rechtshängigkeit der Scheidung hat M ein Endvermögen von 100.000 EUR, F von 60.000 EUR. F schuldet M noch unstreitig einen Gesamtschuldnerausgleich, wobei Uneinigkeit zwischen den Eheleuten besteht, ob der Ausgleichsanspruch in Höhe von 20.000 EUR oder 40.000 EUR besteht.

Variante 1: Ausgleichsanspruch 20.000 EUR

Zugewinn M: 100.00 EUR + 20.000 EUR = 120.000 EUR.

Zugewinn F: 60.000 EUR – 20.000 EUR = 40.000 EUR

Anspruch Zugewinnausgleich F gegen M:

(120.000 EUR – 40.000 EUR) : 2 = 40.000 EUR

Sodann Aufrechnung M mit Ausgleichsforderung 20.000 EUR

Ergebnis: F verbleiben 20.000 EUR

Variante 2: Ausgleichsanspruch 40.000 EUR

Zugewinn M: 100.00 EUR + 40.000 EUR = 140.000 EUR.

Zugewinn F: 60.000 EUR – 40.000 EUR = 20.000 EUR

Anspruch Zugewinnausgleich F gegen M:

(140.000 EUR – 20.000 EUR) : 2 = 60.000 EUR

Sodann Aufrechnung M mit Ausgleichsforderung 40.000 EUR

Ergebnis: F verbleiben wiederum 20.000 EUR.

Nur im Ausnahmefall, wenn der erzielte Zugewinn geringer ist als die gesamtschuldnerische Ausgleichsverpflichtung, muss der Gesamtschuldnerausgleich durchgeführt werden.

 

Rz. 175

 

Rechenbeispiel

M und F haben kein Anfangsvermögen. Bei Rechtshängigkeit der Scheidung hat M ein Bankguthaben von 100.000 EUR. F hat keinen Zugewinn erzielt und schuldet M noch 20.000 EUR aus Gesamtschuldnerausgleich.

Unter Berücksichtigung der Gesamtschuld ergibt sich folgendes Ergebnis:

Zugewinn M: 100.000 EUR + 20.000 EUR = 120.000 EUR. Endvermögen F: – 20.000 EUR (§ 1375 Abs. 1 Satz 2 BGB), Zugewinn: 0

Zugewinnausgleichsanspruch F: 60.000 EUR

Sodann Aufrechnung M mit Ausgleichsforderung 20.000 EUR

Ergebnis: F verbleiben 40.000 EUR

Vereinbaren die Eheleute, dass ein Gesamtschuldnerausgleich nicht durchgeführt wird, erhält F als Zugewinnausgleich ½ aus 100.000 EUR = 50.000 EUR, somit 10.000 EUR mehr.

 

Rz. 176

In diesem Ausnahmefall ist dem Ehemann daher nicht zu empfehlen, auf die Durchführung des Gesamtschuldner-ausgleichs zu verzichten. Findet jedoch kein Zugewinnausgleich statt, weil die Eheleute keinen Zugewinn erzielt haben, ist dem gesamtschuldnerausgleichsberechtigten Ehegatten zur Durchsetzung seines Anspruchs zu raten.

 

Rz. 177

Ist der Gesamtschuldnerausgleichsanspruch mangels Leistungsfähigkeit des anderen Ehegatten nicht realisierbar – ist also der interne Ausgleichsanspruch des allein solventen Ehegatten wirtschaftlich wertlos –, dann ist die Gesamtschuld in vollem Umfang allein im Endvermögen des solventen Ehegatten als Passivposten anzusetzen, um eine ungerechtfertigte Benachteiligung des solventen Ehegatten zu vermeiden.[130]

[126] Wever, Rn 265.
[127] BGH, 17.5....

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