Rz. 393
Bei Eigentumswohnungen sowie Ein- und Zweifamilienhäusern kommt neben der Sachwertfeststellung (§ 4 Abs. 1 BelWertV i.V.m. §§ 14–16 BelWertV) das Vergleichswertverfahren zur Anwendung (§ 19 BelWertV).[286] Die durchschnittlichen Preise ähnlicher Objekte in vergleichbarer Lage und Ausstattung je Quadratmeter Wohnfläche bestimmen den Beleihungswert einer Eigentumswohnung (Vergleichswerte). Ausstattungsmerkmale wie Aufzug, Parkett, großzügig ausgestattete Bäder, sinnvolle Grundrisse, Balkone und Terrassen, Stellplätze bzw. Garagen, Himmelsrichtung, Belichtung, sind mit einzubeziehen.
Rz. 394
Desweiteren sind die Lage des Grundstücks, die Wohn- und Nutzfläche, der Gebäudezustand, eine zeitgemäße Heizungsanlage, die Wärmedämmung, der Zustand des Dachs, des Kellers und der Räume sowie die Erreichbarkeit von öffentlichem Nahverkehr, Kindergärten, Schulen und Geschäften des täglichen Bedarfs relevante Parameter. Daneben wird bei Ein- und Zweifamilienhäusern aufgrund Fläche, Bodenwert (s.u. Gutachterausschüsse), Kubatur, Baujahr, etc. der Sachwert festgestellt. Emissionen in der unmittelbaren Umgebung wie Flug- und Straßenlärm, Abgas- und Feinstaubbelastung, Industrieanlagen und Gefährdungspotenziale (z.B. Hochwasser) sind ebenfalls mit einzubeziehen.
Rechenbeispiel
Einfamilienhaus, architektonisch gelungener Neubau mit sehr guter Ausstattung, gute Wohnlage, Randlage einer Landeshauptstadt, Grundstück (Bauland) 1.000 m2, Gartenland 113 m2, Doppelgarage
Baujahr 2014 | Gesamtnutzungsdauer 80 Jahre | Restnutzungsdauer 80 Jahre |
Verkehrswert | Beleihungswert | |
Bodenvergleichswert : 180 EUR/m2 | 180.000 EUR | 180.000 EUR |
Gartenland : 18 EUR/m2 | 2.034 EUR | 2.034 EUR |
Summe Bodenwert | 182.034 EUR | 182.034 EUR |
Gebäude Baukostenindex 13,545
Wohnung 196 m2, 1.710 EUR je m3 | 335.160 EUR | 335.160 EUR |
Garage 2 Stück, 5.500 EUR je Stück | 11.000 EUR | 11.000 EUR |
Summe | 346.160 EUR | 346.160 EUR |
Außenanlagen pauschal 4,04 % | 14.000 EUR | 14.000 EUR |
Summe Bauwert | 360.160 EUR | 360.160 EUR |
Bankabschlag ./. 10 % nur für Beleihungswert | - | 36.016 EUR |
Bodenwert | 182.034 EUR | 182.034 EUR |
Rz. 395
Die Gutachterausschüsse (§§ 192 ff. BauGB) der Bundesländer (www.gutachterausschuesse-online.de) stellen jährlich die durchschnittlichen Marktpreise aufgrund der tatsächlich getätigten und notariell beurkundeten Verkäufe fest und bilden daher nicht Wunschdenken interessierter Kreise, sondern die tatsächlich im Vorjahr gezahlten Durchschnittspreise und die daraus ebenfalls gebildeten Bodenrichtwerte ab. Zwischenzeitliche Steigerungen beispielsweise in Ballungsgebieten wie Frankfurt/Main, Hamburg, Stuttgart, Berlin, Köln/Düsseldorf und München werden sicherlich zu berücksichtigen sein. Allerdings dürfen die Banken aufgrund der langfristigen Objektbeleihung spekulative Spitzen nicht in die Objektbewertung mit einfließen lassen (§ 16 Abs. 2 S. 2 PfandBG).
Rz. 396
Zu den wertbeeinflussenden Faktoren gehören auch Nutzungsbeschränkungen wie Denkmalschutz und wertmindernde Rechte in Abteilung II des Grundbuches. Bloße Leitungsrechte etwa der Deutschen Telekom AG oder der städtischen Versorgungswerke sind i.d.R. nicht wertmindernd. Anders verhält es sich bei sonstigen wertmindernden Grunddienstbarkeiten (§§ 1018 ff. BGB), Nießbrauch (§§ 1030 BGB), Vorkaufsrechten (§§ 1094 ff. BGB) und Reallasten (§§ 1105 ff. BGB).
Rz. 397
Bei Luxusobjekten mit Liebhabercharakter wie schlossartige Villen mit sehr großen Grundstücks- und Wohnflächen werden die Gutachter oft Abschläge vornehmen. Derartige Immobilien haben hohe Bewirtschaftungskosten und werden in einer alternden Gesellschaft mit zudem steigenden Anforderungen an Energieeinsparung und einer zunehmenden Anzahl von Ein- und Zweipersonenhaushalten in Zukunft möglicherweise schwerer zu vermarkten sein, zumal der geeignete Käuferkreis ohnehin nicht so groß ist.
Rz. 398
Ebenso werden Eigentümer ländlicher Objekte in strukturschwachen Gebieten fernab der Ballungsräume, insbesondere in den östlichen Bundesländern, aber auch in anderen Regionen häufig eine eher angemessen zurückhaltende Beurteilung zum Marktwert vorfinden. Wer hier den Banken eine übertrieben kritische Haltung vorwirft, sollte berücksichtigen, dass bei manch einem Zwangsversteigerungstermin, in welchem eine dörfliche oder kleinstädtische Immobilie zum Aufruf kommt, nicht einmal mehr ein Interessent erscheint.
Rz. 399
Der Gutachter wird auch ein ungünstig geschnittenes Grundstück oder ein mit einem Ein- oder Zweifamilienhaus bebautes Grundstück größer 1.000 m2 aufgrund des höheren Bewirtschaftungsaufwandes und der damit eingeschränkten Marktgängigkeit u.U. mit Abschlägen versehen.
Rz. 400
Die letztgenannten Fallgruppen sollten allerdings keineswegs in Frage stellen, dass marktgängige Objekte in ordentlichem bis sehr gutem Zustand auch entsprechend durch die finanzierende Bank beurteilt werden.
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