Rz. 129

Bei Unterhaltsansprüchen unter Ehegatten ist der Nutzungsvorteil sowohl bei der Bedarfsermittlung wie auch im Rahmen der Bedürftigkeit relevant.

 

Rz. 130

Bei der Bestimmung des Getrenntlebensunterhalts kann nicht pauschal auf den um Belastungen bereinigten Nutzwert abgestellt werden. Der Ehegatte, der nach erfolgter Trennung im Familienheim zurückbleibt, hat von der Alleinnutzung zunächst keinen wirtschaftlichen Vorteil; es wird ihm ein Nutzungswert in Höhe des Anteils des die Ehewohnung verlassenden Ehegatten "aufgedrängt". Für den in der Ehewohnung verbleibenden Ehegatten entsteht sogenanntes totes Kapital.[80] Es besteht auch während der Trennungszeit regelmäßig keine Obliegenheit zur sofortigen Verwertung oder Vermietung, um die Chance der Wiederaufnahme der ehelichen Lebensgemeinschaft zu erhalten, es sei denn, die Eheleute leben schon sehr lange getrennt, und mit der Aufnahme der ehelichen Lebensgemeinschaft ist nicht mehr zu rechnen. Die Bemessung der Höhe des Wohnwerts ist daher differenziert zu betrachten:

 

Rz. 131

Der Vorteil des mietfreien Wohnens ist im Trennungszeitraum zunächst regelmäßig nur noch in dem Umfang zu berücksichtigen, wie er sich als angemessene Wohnungsnutzung durch den in der Ehewohnung verbliebenen Ehegatten darstellt. Dabei ist auf den Mietzins abzustellen, der für eine dem ehelichen Lebensstandard entsprechende angemessene kleinere Wohnung auf dem örtlichen Wohnungsmarkt zu zahlen wäre (angemessene Miete – subjektiver Wohnwert).[81] Die in der Vergangenheit oftmals herangezogene Drittelobergrenze,[82] wonach der Wohnwert ⅓ des zur Verfügung stehenden Einkommens nicht übersteigen durfte,[83] ist nicht mehr anzuwenden.

 

Rz. 132

In der Vergangenheit wurde die angemessene Miete für den gesamten Trennungszeitraum zugrunde gelegt; nur ausnahmsweise wurde von dem vollen Marktmietwert ausgegangen, wenn etwa die Immobilie im vollen Umfang genutzt wurde, wie etwa im Rahmen einer Teilvermietung oder bei Aufnahme eines neuen Lebensgefährten.[84]

 

Rz. 133

Ist eine Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft allerdings nicht mehr zu erwarten, etwa wenn ein Scheidungsantrag rechtshängig ist oder die Ehegatten die vermögensrechtlichen Folgen ihrer Ehe abschließend geklärt haben, sind solche Ausnahmen von der grundsätzlichen Berücksichtigung des vollen Mietwerts (sog. objektiver Mietwert) nicht mehr gerechtfertigt.[85] Jedenfalls nach Ablauf einer dreijährigen Trennungszeit (§ 1566 Abs. 2 BGB) ist, auch wenn ein Scheidungsverfahren nicht rechtshängig ist, aber die Voraussetzungen vorliegen, von einem endgültigen Scheitern der Ehe, verbunden mit vollem Wohnwertansatz, auszugehen.

 

Rz. 134

Jedoch kann es in Ausnahmefällen gerechtfertigt sein, den Zeitpunkt des endgültigen Scheiterns der Ehe nicht als fixen Stichtag für den Ansatz des vollen an der Marktmiete orientierten Mietwerts heranzuziehen. Kann ein Ehegatte ohne eine ihm zurechenbare Obliegenheitsverletzung eine Immobilie nicht voll nutzen, ist ihm unterhaltsrechtlich nur der "angemessene Wohnvorteil" zuzurechnen, wobei sich dies nach Zumutbarkeitsgesichtspunkten beurteilt. Dies ist etwa dann gegeben, wenn eine Verwertung der gemeinschaftlichen Immobilie an der Mitwirkung des anderen Ehegatten scheitert oder anderweitige objektive Umstände bestehen, die eine vollständige Ausnutzung des Wohnvorteils behindern, wie etwa eine vorübergehend schlechte Marktlage zur Veräußerung des Eigenheims oder der befristete Aufenthalt bis zum Auszug aus der bisherigen gemeinsamen Wohnung – ggf. auch im Interesse der Kinder wegen Rücksicht auf Ende des Schuljahres.[86]

 

Rz. 135

Auch im Mangelfall ist es angemessen, den Wohnvorteil zu begrenzen. Dieser könne nicht höher sein als der in der Berechnung des Selbstbehalts nach den maßgeblichen Unterhaltsrichtlinien enthaltene Anteil an der Kaltmiete.[87]

 

Rz. 136

Sonderfall: ein Ehegatte übernimmt den Miteigentumsanteil des anderen

Soweit ein Ehegatte den Miteigentumsanteil des anderen Ehegatten an dem ehemals gemeinsamen Familienheim erwirbt, tritt für den veräußernden Ehegatten der Erlös als Surrogat an die Stelle der Nutzungsvorteile seines Miteigentumsanteils. Für den übernehmenden Ehegatten verbleibt es beim Wohnvorteil, und zwar nunmehr in Höhe des vollen Wohnwerts, gemindert um die schon bestehenden Kosten und Lasten sowie um die Zinsbelastungen, die durch den Erwerb des anderen Miteigentumsanteils anfallen. Abzugsfähig sind hingegen nicht die Tilgungsleistungen, weil ansonsten hierdurch zu Lasten des Unterhaltsberechtigten eine Vermögensbildung erfolgen würde.[88] Die Tilgungsleistungen sind jedoch als einkommensmindernd anzuerkennen, wenn diese der ergänzenden Altersversorgung dienen und sich im Rahmen der als zulässig angesehenen sekundären Altersvorsorge halten.[89]

 

Rz. 137

Will man unbillige Ergebnisse, die entstehen können, wenn aufseiten des erwerbenden Ehegatten einerseits der volle Wohnwert und auf Seiten des veräußernden Ehegatten die Erträge aus dem Erlös angesetzt werden, vermeiden, empfiehlt s...

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