a) Loslösung der GbR vom römisch-rechtlichen Verständnis als vertragliches Schuldverhältnis hin zum Rechtssubjekt

 

Rz. 36

Die GbR kann nach § 705 Abs. 2 Hs. 1 BGB jetzt selbst Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen (gesetzliche Anerkennung der GbR als Rechtssubjekt mit korrespondierendem Leitbildwandel).[71]

In der Rechtsformvariante "rechtsfähige GbR" ist sie wie die OHG, die KG und die Partnerschaftsgesellschaft "rechtsfähige Personengesellschaft" i.S.v. § 14 Abs. 1 BGB.[72] Die Unterscheidung in § 14 Abs. 1 BGB zwischen "rechtsfähiger Personengesellschaft" und "juristischer Person" besteht fort.

 

Beachte:

Zugleich greift der Gesetzgeber neue wissenschaftliche Erkenntnisse auf, nach denen der wesentliche Unterschied zwischen juristischer Person und rechtsfähiger Personengesellschaft nicht mehr in der Rechtsfähigkeit nach außen, sondern im Grad der rechtlichen Verselbstständigung nach innen zu sehen ist[73] – z.B. in § 711 Abs. 1 S. 2 BGB, wonach einer GbR keine eigenen Anteile übertragen werden können, bzw. in § 712a Abs. 1 BGB, wonach beim Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters die GbR ohne Abwicklung erlischt und das Gesellschaftsvermögen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den verbleibenden Gesellschafter übergehen kann.

[71] RegE, BT-Drucks 19/27635, S. 106 unter Bezugnahme auf Fleischer, DB 2020, 1107.
[72] Vgl. die Legaldefinition einer "rechtsfähigen Personengesellschaft" in § 14 Abs. 2 BGB: "Personengesellschaft, die mit der Fähigkeit ausgestattet ist, rechte zu erwerben und Verbindlichkeiten einzugehen".
[73] RegE, BT-Drucks 19/27635, S. 106 unter Bezugnahme auf Bachmann in: FS für K. Schmidt, Bd. 1, 2019, S. 49, 58 ff.

b) Änderung der Vermögenszuordnung: vom Sondervermögen der Gesellschafter zum Vermögen der GbR

 

Rz. 37

Die für die GbR erworbenen "Rechte" und die gegen sie begründeten Verbindlichkeiten gehören nach § 713 BGB der GbR selbst (Vermögen der Gesellschaft) und nicht mehr den Gesellschaftern zur gesamten Hand (i.S.e. gesamthänderisch gebundenen Vermögens der Gesellschafter): Aufgabe des Gesamthandsprinzips.[74]

In Bezug auf das Beteiligungsverhältnis stellt § 712 Abs. 1 BGB klar, dass der Anteil des ausscheidenden Gesellschafters nicht eingezogen wird, sondern kraft Gesetzes auf die verbleibenden Gesellschafter übergeht (Anwachsung). Dies macht deutlich, dass die rechtsfähige Personengesellschaft der GbR gegenüber ihren Mitgliedern nicht vollständig rechtlich verselbstständigt ist.[75]

 

Beachte:

Durch das MoPeG ist es zu keinen Änderungen an den ertragsteuerlichen Grundsätzen bei der Besteuerung von Personengesellschaften gekommen mit der Folge, dass, "soweit in den Steuergesetzen von Gesamthandsvermögen gesprochen wird, (…) dies bei rechtsfähigen Personengesellschaften dahingehend zu verstehen [ist], dass damit das Vermögen der Gesellschaft in Abgrenzung zum Vermögen der einzelnen Gesellschafter (Sonderbetriebsvermögen) gemeint ist".[76]

[74] Dazu näher Bachmann, Die folgenlose Beseitigung der rechtsfähigen Gesamthand durch das MoPeG, FR 2022, 709.
[75] RegE, BT-Drucks 19/27635, S. 106.
[76] RegE, BT-Drucks 19/27635, S. 107.

c) Abkehr vom historischen Leitbild der Gelegenheitsgesellschaft zur Dauergesellschaft

 

Rz. 38

Das in der GbR gebundene Vermögen wird im Interesse eines nachhaltigen Wirtschaftens[77] vor voreiligen Zugriffen des Gesellschafters oder eines seiner Privatgläubiger geschützt:

Nach § 718 BGB erfolgt der Rechnungsabschluss und die Gewinnverteilung im Zweifel zum Schluss jeden Kalenderjahres.
Gemäß § 725 Abs. 1 BGB kann ein auf unbestimmte Zeit eingegangenes Gesellschaftsverhältnis nur unter Einhaltung einer bestimmten Kündigungsfrist (von drei Monaten zum Ende des Kalenderjahres) – die es ermöglicht, Nachteilen, die mit einem plötzlichen Ausscheiden eines Gesellschafters verbunden sein können, rechtzeitig entgegenzuwirken[78] – gekündigt werden.
Diese Kündigungsfrist (von drei Monaten zum Ablauf des Kalenderjahres) gilt nach § 726 BGB gleichermaßen für die Kündigung der Mitgliedschaft durch den Privatgläubiger eines Gesellschafters.
[77] RegE, BT-Drucks 19/27635, S. 107.
[78] RegE, BT-Drucks 19/27635, S. 107.

d) Abkehr von der Personen- zur Verbandskontinuität bei der Auflösung der Gesellschaft

 

Rz. 39

Das Prinzip der Verbandskontinuität führt dazu, dass die in der Person eines Gesellschafters liegenden bisherigen Auflösungsgründe (mit der Folge einer Auflösung der Gesellschaft) in Ausscheidensgründe (Ausscheiden des Gesellschafters, in dessen Person sich der Grund realisiert) umgewandelt werden (vgl. die in § 723 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 BGB gelisteten Ausscheidensgründe versus die in § 729 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 und Abs. 2 sowie Abs. 3 BGB gelisteten fortbestehenden Auflösungsgründe), "um eine wirtschaftlich unerwünschte Zerschlagung des Unternehmens zu verhindern".[79]

 

Rz. 40

Ohne dass es einer Fortsetzungsklausel im Gesellschaftsvertrag mehr bedarf, scheidet ein Gesellschafter, der bspw. stirbt oder kündigt, kraft Gesetzes aus der GbR aus. Gleiches gilt für den Ausschluss eines Gesellschafters aus "wichtigem Grund".

Wenn aufgrund einer Nachfolgeklausel im Gesellschaftsvertrag der Anteil eines Gesellschafters auf seinen Erben übergeht, kann dieser (vorbehaltlich einer abweichenden gesellschaftsvertraglichen Vereinbarung) nach § 724 BGB auch unter Beschränkung seiner Haftung

in die Stellung eines Kommanditisten wechseln oder
sofort aus der GbR ausscheid...

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