Rz. 171

Die nichteheliche Lebensgemeinschaft ist ebenso wie die Ehe durch das gemeinsame Wirtschaften der Partner geprägt. Im Rahmen der Gemeinschaft kann jeder Partner grundsätzlich nur sich selbst verpflichten. Eine Mitverpflichtung des anderen Partners, wie sie innerhalb der Ehe über § 1357 BGB im Rahmen der so genannten Schlüsselgewalt für solche Rechtsgeschäfte möglich ist, die der Deckung des Lebensbedarfs der Familie zu dienen bestimmt sind, ist innerhalb der nichtehelichen Lebensgemeinschaft nicht möglich. Denn § 1357 BGB gilt als spezielle Norm des Eherechts ausdrücklich nur für die Ehe und findet auf die nichteheliche Lebensgemeinschaft auch keine entsprechende Anwendung.[156] Die Möglichkeit, den anderen Partner ohne weiteres mit verpflichten zu können widerspricht dem Wesen der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, da sie keine Rechtsgemeinschaft ist und sein will.

 

Rz. 172

Um den anderen Partner verpflichten zu können, bedarf es somit eines Zurechnungstatbestandes, der in der Erteilung einer Vollmacht und dem Handeln im fremden Namen gesehen werden kann. Die Zurechnung erfolgt dann über die Regeln über die Vertretung (§ 164 BGB).

 

Rz. 173

Wusste der Vertragspartner, dass der Handelnde in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft lebt, so kann an die Möglichkeit einer Verpflichtung des handelnden Partners über die Grundsätze der Duldungs- und Anscheinsvollmacht gedacht werden. In jedem Fall, sei es also im Fall ausdrücklicher Bevollmächtigung, sei es im Fall der Annahme einer Duldungs- oder Anscheinsvollmacht, wird jedoch nur der nicht handelnde Partner verpflichtet, nicht zugleich auch derjenige, der das Geschäft tätigt. Eine Mitverpflichtung wie bei Eheleuten im Rahmen von Geschäften zur Deckung des Lebensbedarfs gibt es nicht.

 

Rz. 174

Um eine Anscheins- oder Duldungsvollmacht annehmen zu können, muss festgestellt werden, dass der Vertragspartner aus den Umständen des Falles auf das Bestehen einer Vollmacht hat schließen können. Dazu reicht allein die Kenntnis vom Zusammenleben nicht aus. Erforderlich ist vielmehr eine dauernde Übung, auf die der Dritte vertrauen durfte oder sonstige Umstände, die ihm Anlass geben durften, auf eine interne Bevollmächtigung zu vertrauen.

 

Rz. 175

 

Beispielsfall:

M und F leben in einem gemeinsamen Haushalt. M verfügt über ein erhebliches Einkommen, während die F den Haushalt versorgt. Schon wiederholt hat sie für im Hause anfallende Reparaturarbeiten den Handwerker H beauftragt. Die Rechnungen hat der M stets anstandslos bezahlt. Nach einer erneuten Reparatur verweigert M die Zahlung mit dem Bemerken, er habe die F nicht bevollmächtigt, für ihn zu handeln. In diesem Fall wird man annehmen können, dass der H aus dem bisherigen Verhalten des M darauf schließen konnte, dass er mit dem Vorgehen der F einverstanden war, weshalb er auch jetzt zur Zahlung verpflichtet ist.

 

Rz. 176

Hinsichtlich des Umfangs einer nicht ausdrücklich sondern nur konkludent erteilten Vollmacht kann dann allerdings daran gedacht werden, die Regelung des § 1357 BGB entsprechend heranzuziehen. Deshalb erscheint es korrekt, die Annahme einer Duldungs- und Anscheinsvollmacht regelmäßig auf solche Fälle zu beschränken, in denen der handelnde Partner Geschäfte zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Lebensgemeinschaft tätigt. Hierzu rechnen gewiss nicht der Abschluss eines Werkvertrages über den Bau eines Wohnhauses[157] oder die Aufnahme eines Darlehens zur Finanzierung eben dieses Vorhabens.[158] Bei der Anmietung eines Ferienappartements scheint es angebracht, auf die Lebensumstände der Partner abzustellen.[159]

 

Rz. 177

Zieht ein Partner im Rahmen der ihm obliegenden vertraglichen Verpflichtungen seinen Lebensgefährten als Erfüllungsgehilfen hinzu, so haftet er gemäß § 278 BGB für dessen Verschulden. Hatte ein Partner im Betrieb des anderen eine weisungsgebundene Stellung inne, so kommt auch eine Haftung des Betriebsinhabers für den anderen nach § 831 BGB in Betracht.[160]

 

Rz. 178

 

Praxistipp:

Ein Partner der nichtehelichen Lebensgemeinschaft kann im Fall einer ausdrücklichen Bevollmächtigung auch für den anderen handeln.

Neben einer ausdrücklichen Bevollmächtigung kommt im Einzelfall auch eine Verpflichtung des anderen Partners über die Grundsätze der Duldungs- oder Anscheinsvollmacht in Betracht.

Zieht ein Partner den anderen heran, um ihm Dritten gegenüber obliegende Aufgaben zu erledigen, so kommt eine Haftung für dessen Verschulden über § 278 BGB oder ggf. § 831 BGB in Betracht.

[156] Staudinger/Löhnig, Anh zu §§ 1297 ff. Rn 26.
[157] BGH FamRZ 1989, 35.
[158] LG Aachen FamRZ 1989, 1176.
[159] Ablehnend noch LG Flensburg NJW 1973, 1085.
[160] Hausmann/Hohloch, S. 82.

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