Rz. 10

Der Begriff Gebühr steht im öffentlichen und im privaten Recht für eine pauschale Abgeltung von Leistungen, ohne dass es auf den Aufwand ankommt, der zur Erbringung dieser Leistung notwendig ist. Der Gesetzgeber will dem Bürger durch die pauschale Berechnung der Gebühren die Durchsetzung seiner Rechtsansprüche finanziell erschwinglich machen.

Würden die Kosten eines Prozesses nach dem getriebenen Aufwand des Gerichts und der prozessbevollmächtigten Rechtsanwälte ermittelt, also etwa nach der Anzahl der Sitzungstermine und der ausgetauschten Schriftsätze, so könnte ein Prozess z. B. wegen eines Mangels an einem gekauften Fernsehgerät im Wert von 500 Euro wesentlich teurer werden als ein Prozess wegen eines geplatzten Wechsels über 500.000 Euro, in dem schon nach einem Verhandlungstermin das Urteil ergeht. Würde für jede einzelne Handlung des Gerichts oder der Rechtsanwälte jeweils eine Gebühr berechnet, so wären die Kosten eines Prozesses für den Recht suchenden Bürger im Voraus nicht kalkulierbar, sodass er vermutlich auf die Geltendmachung seiner Rechte verzichten würde.

 

Rz. 11

Da unsere Kostengesetze im Wesentlichen aber Pauschgebühren vorschreiben, kann jeder ziemlich genau die Kosten eines auf ihn zukommenden Prozesses berechnen und danach entscheiden, ob er sich auf dieses Kostenrisiko einlassen will, oder lieber versuchen sollte, den Prozess z. B. durch außergerichtliches Verhandeln mit dem Gegner abzuwenden.

Dieses System der Verfahrenspauschgebühren führt aber andererseits auch zu einer erheblichen Vereinfachung der Gebührenberechnung, was insbesondere für Leser, die sich zum ersten Mal mit dem Kostenrecht beschäftigen, eine gewisse Beruhigung sein dürfte. Zur Erleichterung der Gebührenabrechnung werden in den Kostengesetzen nämlich Bagatellgebühren für einzelne Tätigkeiten weitgehend vermieden.

 

Rz. 12

Folgende Gebührenarten, die nachstehend noch ausführlich dargestellt werden, lassen sich unterscheiden: Pauschgebühren, Wertgebühren, Rahmengebühren, Festgebühren.

Übersicht: Gebührenarten

1. Pauschgebühren

 

Rz. 13

Pauschgebühren entstehen für die Inanspruchnahme der Gerichte, Notare, Rechtsanwälte und Gerichtsvollzieher. Was Pauschgebühren sind, macht man sich am anschaulichsten im Vergleich zu einer Handwerkerrechnung klar: Die Höhe dieser Rechnung wird abhängig sein von der Mühe und dem Aufwand, die der Handwerker bei der Ausführung seiner Arbeiten hatte, was insbesondere bedeutet, dass er jede einzelne Arbeitsstunde aufschreibt und berechnet, die z. B. zur Reparatur eines Autos notwendig war. Würde man dagegen die Pauschgebühren der Justiz auf dieses Werkstattbeispiel übertragen, so könnte dies zur Folge haben, dass der Preis für die Reparatur eines Autos sich pauschal nach dessen Wert bestimmen würde, ohne Rücksicht darauf, ob nur ein Tropfen Öl fehlt, oder ob der Motor ausgetauscht werden muss. Die Reparatur eines teuren Autos wäre damit immer kostspielig, die eines billigen Autos dagegen preiswert.

Das System der Pauschgebühren in der Justiz bezweckt genau dies. Für den Recht suchenden Bürger soll ein Prozess über einen Gegenstand mit niedrigem Wert auch dann finanziell tragbar sein, wenn er einen hohen Aufwand erfordert, wogegen ein Prozess wegen eines hohen Streitwertes immer auch im Voraus kalkulierbare höhere Kosten verursacht. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass die Durchsetzung des Rechts nicht an unverhältnismäßig hohen Kosten scheitern sollte.

 

Rz. 14

Pauschgebühren werden für bestimmte Verfahrensabschnitte oder für bestimmte Handlungen erhoben, jedoch grundsätzlich nur einmal für den gesamten Verfahrensabschnitt oder die gesamte Handlung vom Anfang bis zum Ende. Unerheblich ist, welcher Arbeitsaufwand und welche Mühe im Einzelnen damit verbunden sind. So wird z. B. nicht jede einzelne Tätigkeit eines Rechtsanwalts (jedes einzelne Schreiben, jede einzelne Besprechung mit dem Mandanten, jedes einzelne Auftreten vor Gericht) vergütet, sondern er erhält nur Gebühren für das Verfahren insgesamt. Die Gerichtsgebühr in den meisten Zivilprozessen in erster Instanz besteht regelmäßig aus einer einzigen Verfahrensgebühr in dreifacher Höhe – ohne Rücksicht auf die Anzahl der Verhandlungstermine.

 

Rz. 15

Eine Ausnahme davon bilden die insbesondere im RVG vorkommenden Rahmengebühren, bei denen es zulässig ist, im Einzelfall unter anderem auch den Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit in der Höhe der zu berechnenden Gebühr zu berücksichtigen (siehe unten unter Rdn 31 f.: Rahmengebühren).

Hinweise auf den Pauschcharakter der Gebühren finden sich in den Kostengesetzen in den §§ 15, 16 und insbesondere § 19 RVG, in § 35 GKG und in § 93 Abs. 1 GNotKG.

 

Rz. 16

Was an den Pauschgebühren der vom Gesetzgeber gewünschte Vorteil für den Bürger ist, dass er bei niedrigen Gegenstandswerten relativ niedrige Gebühren zahlen muss, ist ein gewisser Nachteil für Gerichte, Notare und Rechtsanwälte. So sind Prozesse wegen niedriger Streitwerte normalerweise genauso arbeitsintensiv wie Prozesse, in denen es um hohe Streitwerte...

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