Rz. 9

Die elterliche Sorge ist ein dem Interesse des Kindes dienendes gesetzliches Schutzverhältnis, das als pflichtgebundenes, absolutes Recht im Sinn des § 823 Abs. 1 BGB,[28] ausgestaltet ist. Sie ist kein Machtanspruch der Eltern gegenüber ihren Kindern,[29] sondern den Eltern um des Kindes willen verbürgt.[30] Das Sorgerecht verpflichtet die Eltern – in Ausgestaltung des Elternrechts des Art. 6 Abs. 2 GG – dazu, ihr Kind zu pflegen und zu erziehen, weshalb treffender von Elternverantwortung zu sprechen ist. Ziel der den Eltern in Form des Sorgerechts zugewiesenen Rechte und Pflichten ist es, das Kind zu einer Persönlichkeit zu entwickeln, die zu einem eigenverantwortlichen, gemeinschaftsfähigen Leben in der Gesellschaft befähigt ist (siehe auch §§ 1626 Abs. 2, 1627 BGB, § 1 SGB VIII), sich um seiner selbst geachtet weiß und sich selbst wie andere zu achten lernt.[31] Eine Verletzung dieses absoluten Rechts löst zivilrechtliche und gegebenenfalls auch strafrechtliche Konsequenzen aus.[32] Zur Geltendmachung zivilrechtlicher Ersatzverpflichtungen bedarf es des Nachweises, dass etwaig getätigte Aufwendungen durch die Rechtsgutsverletzung adäquat kausal verursacht wurden.[33] Unerheblich ist hierbei, ob die Aufwendungen primär den sorgeberechtigten Elternteil treffen oder es um die Verletzung höchstpersönlicher Rechte des Kindes selbst geht.

 

Rz. 10

Das Sorgerecht entsteht mit Geburt des Kindes[34] und endet mit der Vollendung dessen 18. Lebensjahres oder dem vorherigen Tod des Kindes. Bestehen in einer Kindschaftssache Zweifel, ob eine Person noch Kind ist, also hinsichtlich des Alters der Person, so muss das Gericht nach § 26 FamFG von Amts wegen alle Möglichkeiten ausschöpfen, um dieses Alter festzustellen.[35] Rückwirkende Sorgerechtsänderungen sind ausgeschlossen.[36]

 

Rz. 11

Der Qualifizierung der elterlichen Sorge als absolutes Recht steht es nicht entgegen, gegebenenfalls die elterliche Sorge zur Ausübung dritten Personen zu überlassen, etwa Pflegeeltern oder Verwandten, soweit die Eltern zu ihrer Wahrnehmung außer Stande sind. Dies kann auch durch Vollmachten geschehen (siehe dazu Rdn 20). Gegen den Willen der Eltern sind Sorgerechtseingriffe nur in den Grenzen des Art. 6 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 GG zulässig, wobei die einfachrechtliche Ermächtigungsgrundlage in §§ 1666 bis 1667 BGB ausgestaltet wurde. Bei staatlichen Eingriffen in die elterliche Sorge stehen den Eltern Abwehrrechte zur Verfügung, da der Staat bei jedem Eingriff auch die bestehenden familiären Bindungen und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten hat.[37]

[28] BGH FamRZ 1990, 966; OLG Koblenz FamRZ 1995, 36.
[29] BVerfG FamRZ 1993, 1420.
[32] BGH FamRZ 1999, 651; BayObLG FamRZ 2002, 426; siehe dazu auch Schroeder, Familienrecht und Strafrecht, FamRZ 2014, 1745.
[33] BGH FamRZ 1990, 966; OLG Koblenz FPR 2003, 147; Schwab, FamRZ 2002, 1297.
[35] OLG München FamRZ 2012, 1958; VG Göttingen, Beschl. v. 17.7.2014 – 2 B 195/14, juris, jeweils mit Einzelheiten zur Altersdiagnostik.
[37] BVerfG FamRZ 2010, 713; vgl. auch (zu aufenthaltsrechtlichen Schutzwirkungen) BVerfG NVwZ 2009, 387.

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