A. Eigener Anspruch an die anwaltliche Tätigkeit

 

Rz. 1

Der Rechtsanwalt ist ein unabhängiges Organ der Rechtspflege,[1] § 1 BRAO. Nach § 3 Abs. 1 BRAO ist der Rechtsanwalt "der berufene unabhängige Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten". Er übt einen freien Beruf aus und darf keine Bindungen eingehen, die seine berufliche Unabhängigkeit gefährden, § 43a Abs. 1 BRAO. Die Souveränität ist essentielle Voraussetzung für das besondere Vertrauensverhältnis, das zwischen ihm und seinem Mandanten bestehen muss. Auch wenn der Rechtsanwalt als Organ der Rechtspflege gegenüber dem Allgemeinwohl verpflichtet ist, dient seine Tätigkeit aufgrund seiner vertraglichen Verpflichtung primär den Interessen seines Mandanten. Den Klienten optimal zu vertreten, ist also das vorrangige Ziel der anwaltlichen Fallbearbeitung.

Mit seiner besonderen Fachkompetenz in bestimmten Rechtsgebieten, einer – selbstverständlichen – Zuverlässigkeit und einem zügigen Bearbeitungstempo der Aufträge kann der Rechtsanwalt seinen eigenen Qualitätsansprüchen genügen und sich einen dauerhaften Mandantenstamm erarbeiten.[2] Ein Rechtsanwalt ist dann ein “guter” Rechtsanwalt, wenn er die Fähigkeiten und Kenntnisse mitbringt und anwendet, die er braucht, um die Rechtsangelegenheit, die er zu regeln helfen soll, sachgerecht zu bearbeiten. Und ein solcher Rechtsanwalt lehnt die Bearbeitung eines Mandats ab, für das er nicht die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten besitzt oder welches ihn überfordert.[3] Die Bundesrechtsanwaltskammer definiert als Kernqualitäten der Rechtsanwaltschaft: "Unabhängig, verschwiegen, kompetent und loyal". Das wichtigste Qualitätskriterium ist die Kompetenz eines Rechtsanwalts, wobei die Begriffe "guter Rechtsanwalt" und "kompetenter Rechtsanwalt" fast identisch sind. Ein Anwalt ist dann kompetent, wenn er genau die Kenntnisse und Fähigkeiten hat, um die Angelegenheit, die ihm aufgetragen wurde, einer sachgerechten Lösung zuführen zu können.[4] Dazu gehört auch die Beherrschung anwaltlicher Strategien.

 

Rz. 2

Im Vordergrund der anwaltlichen Tätigkeit dürften oftmals die Beratung der Mandanten und, wenn möglich, eine außergerichtliche Konfliktbeilegung stehen. Ist ein Prozess unausweichlich, gewinnen die legitimen Mittel, welche im Zivilverfahren und bei seiner Vorbereitung, vor allem durch die Zivilprozessordnung,[5] vorgegeben sind und eingeräumt werden, an Bedeutung. Die genaue Kenntnis des Prozessrechts verschafft nicht nur einen maßgebenden taktischen Vorteil, sondern kann auch entscheidend für das Gewinnen des Rechtsstreits sein.

 

Rz. 3

Dringend abgeraten wird, mit fragwürdigen Mitteln zu arbeiten, um nicht in den Ruf eines "Winkeladvokaten" zu geraten und das Vertrauen des eigenen Mandanten, der Kollegen und der Gerichte zu gefährden.

 

Rz. 4

In dieser Abhandlung sollen Strategien der außergerichtlichen Tätigkeit und für das zivilprozessuale Erkenntnisverfahren vermittelt werden.

[1] Kaum ein Begriff der Bundesrechtsanwaltsordnung ist schillernder und wird von jedermann für jede Zweckbestimmung herangezogen. Dieser Ehrentitel der Anwaltschaft in der Rechtsprechung wird dann bemüht, wenn es gilt, Verpflichtungen des Anwalts zu normieren, für die eine andere Rechtsgrundlage nicht recht gefunden werden kann. Instruktiv zur Bedeutung des Begriffs des Organs der Rechtspflege im Anwaltsrecht: Kilian (Der Rechtsanwalt als Organ der Rechtspflege – eine Spurensuche. Wie die "Organformel" in den § 1 BRAO gelangte – und wie sie missbräuchlich genutzt werden kann, juris = AnwBl 2019, 662–667), der als Resümee zieht, dass die Organformel zweifellos gut gemeint, aber schlecht gemacht ist und jedenfalls eine normativ verankerte Erinnerung daran ist, dass Rechtsanwälte in einem Rechtsstaat eine tragende, eine unverzichtbare Säule sind, aus der zugleich folgt, dass sie stets mit anderen "Organen" auf Augenhöhe agieren.
[2] Als nahezu unverzichtbarer Coach für den Berufseinsteiger ist das Standardwerk "Erfolgreich starten als Rechtsanwalt", hrsg. von Trimborn v. Landenberg (6. Aufl. 2018), zu empfehlen.
[3] S. dazu den lesenswerten Beitrag "Guter Rechtsanwalt – Schlechter Rechtsanwalt. Und wie man sie beide voneinander unterscheidet. Zur Qualität anwaltlicher Arbeit", unter: https://justiz-und-recht.de/guter-rechtsanwalt-schlechter-rechtsanwalt. Dort auch: "Ein guter Rechtsanwalt ist der, der gut für seinen Mandanten ist."
[4] Näher dazu: https://justiz-und-recht.de/guter-rechtsanwalt-schlechter-rechtsanwalt.
[5] Auf die Verfahrensordnungen und spezial-gesetzlichen Regelungen, u.a. nach dem FamFG, ArbGG, SGG, VwGO, InsO usw. kann im Einzelnen nicht eingegangen werden.

B. Materiell-rechtliche Aspekte eines Falles – Rechtsgestaltung

 

Rz. 5

Bei seiner Beauftragung wird der Rechtsanwalt – vor allem wenn sich die Angelegenheit noch in einem vorgerichtlichen Stadium befindet – nicht stets vor vollendete Tatsachen gestellt, sondern er kann durchaus noch "etwas bewegen". Hier gilt der lateinische Rechtsgrundsatz "Ius vigilantibus scriptum": "Das Recht ist für den Wachsamen geschrieben." Gerade bei der außerforensischen Anwaltstätigkeit ist demgemäß vom ...

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