Rz. 2

Das Nachlassgericht ist in der Auswahl der Sicherungsmittel frei.[2] Die wichtigste Sicherungsmaßnahme ist die Bestellung eines Nachlasspflegers.[3] Die Formulierung des § 1960 Abs. 2 BGB lässt dem Nachlassgericht die Möglichkeit, weitere, als die genannten Sicherungsmittel, auszuwählen.

[2] Firsching/Graf, HB-NachlassR, Rn 4.560.
[3] Siegmann/Höger, BeckOK BGB, Vorbem zu § 1960.

I. Sicherungspflegschaft, § 1960 BGB

 

Rz. 3

Für die Einleitung einer sogenannten Sicherungspflegschaft ist erforderlich, dass der Erbe unbekannt ist und ein Bedürfnis der Fürsorge für den Nachlass besteht.

Ob der Erbe unbekannt ist oder ein Fürsorgebedürfnis besteht, ist vom Standpunkt des Nachlassgerichts nach den Erkenntnissen im Zeitpunkt seiner Entscheidung über die Sicherungsmaßnahme zu entscheiden.[4]

[4] Palandt/Weidlich, § 1960 Rn 4.

1. Unbekannter Erbe

 

Rz. 4

Ist der Erbe bzw. sind alle Miterben bekannt oder ist sogar die Erbschaft bereits angenommen worden, besteht ein Fürsorgeanlass, den das Nachlassgericht zu beachten hätte, nicht.

Nach der gesetzlichen Regelung muss der Erbe unbekannt sein oder es muss ungewiss sein, ob er die Erbschaft angenommen hat. Das Nachlassgericht hat bei der Beantwortung der Frage, ob der Erbe bekannt ist, die Voraussetzungen hierfür nicht mit letzter Gewissheit festzustellen. Es genügt, dass eine hohe Wahrscheinlichkeit vorliegt, dass eine bestimmte Person Erbe geworden ist.[5]

 

Rz. 5

Dabei ist jedoch zu beachten, dass es sich bei der Nachlasspflegschaft um eine vorläufige Sicherungsmaßnahme handelt. Die Anordnung der Nachlasspflegschaft darf mithin nicht von der Durchführung umfangreicher und zeitraubender Ermittlungen abhängig gemacht werden.[6]

So scheiden umfangreiche Ermittlungen dann aus, wenn der Nachlass schnell gesichert werden muss, eine Handlung des Nachlassgerichts mithin unabdingbar ist. Besteht akuter Sicherungsbedarf, der dem Nachlassgericht bekannt ist, darf sich dieses nicht mit umfangreichen Erbenermittlungsbemühungen aufhalten.

 

Rz. 6

Hat einer von mehreren Miterben die Erbschaft bereits angenommen, kann das Nachlassgericht für diesen bekannten Miterben eine Nachlasspflegschaft nicht mehr anordnen. Dies folgt aus der gesetzlichen Regelung. Voraussetzung für die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen ist eine bestehende Ungewissheit hinsichtlich der tatsächlichen Erbfolge. Ob eine Ungewissheit vorliegt, hat das Nachlassgericht zu prüfen und zu beachten, da der Gesetzgeber in § 1960 Abs. 1 S. 1 und S. 2 BGB geregelt hat, wann eine Erbfolge als ungewiss angesehen werden kann. Die Annahme der Erbschaft beseitigt die Ungewissheit. Der Erbe, der die Erbschaft angenommen hat, gilt nicht mehr als unbekannt. Die Annahme kann durch Ablauf der Ausschlagungsfrist herbeigeführt werden (vgl. § 1943 BGB) oder auch durch schlüssiges Verhalten, wenn der Erbe deutlich den Willen erkennen lässt, dass er die Erbschaft annehmen wolle.[7]

 

Rz. 7

In Betracht kommt in diesem Falle die Anordnung einer Teilnachlasspflegschaft für den noch nicht bekannten Erben. Der Nachlasspfleger kann in diesem Fall nur mit Zustimmung der festgestellten Miterben über Nachlassgegenstände verfügen. Dies ergibt sich unzweifelhaft aus den Regelungen der §§ 2032 ff. BGB. Der Nachlasspfleger als Vertreter der unbekannten Erben hat deren Rechte und Pflichten im Rahmen der bestehenden Erbengemeinschaft wahrzunehmen.

 

Rz. 8

Allerdings verwaltet der Nachlasspfleger nur den Bruchteil des Erbanteils, für den er bestellt wird. Sinn und Zweck der Anordnung von Teilnachlasspflegschaften ist in der Praxis häufig die Mitwirkung an der Erbauseinandersetzung. Soweit er jedoch nur für einen Miterben bestellt wurde, kann er an der Auseinandersetzung mitwirken.[8] Das Kammergericht hat in seiner Entscheidung vom 13.11.1970 ausgeführt:

Zitat

"Zwar ist es nicht ausgeschlossen, daß ein für sie (den Miterben, die Red.) bestellter Teilnachlaßpfleger an der Erbauseinandersetzung mitwirkt. Die Auffassung, daß der Nachlaßpfleger nicht befugt sei, die Auseinandersetzung unter den verschiedenen Miterben zu bewirken, bezieht sich nur auf die Fälle, in denen er für den Gesamtnachlaß eingesetzt ist, seine Aufgaben mit der Ermittlung der Erben und der Annahme der Erbschaft durch sie beendet sind, er ihnen deshalb den Nachlaß herauszugeben und die Auseinandersetzung zu überlassen hat (…). Nach vorherrschender Ansicht kann jedoch der für einzelne Miterben bestellte Teilnachlaßpfleger, der den sich aus der Gesamthandsgemeinschaft ergebenden Beschränkungen unterworfen ist und sich dabei dem Anspruch der anderen Miterben auf Durchführung der grundsätzlich keinen Aufschub duldenden Auseinandersetzung gegenübersieht, im Rahmen seiner nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten auszuübenden Verwaltertätigkeit mit Genehmigung des Nachlaßgerichts (§ 1822 Nr. 2 BGB) an einer von einzelnen Miterben betriebene Auseinandersetzung an Stelle der von ihm vertretenen Miterben mitwirken oder eine solche sogar herbeiführen, was insbesondere bei liquiden und übersichtlichen Nachlässen und bei längerer Dauer der Pflegschaft in Betracht zu ziehen sein wir...

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