Rz. 129

Der Interessenausgleich soll regeln, ob, wann und wie eine vorgesehene Betriebsänderung durchgeführt werden soll.[157] Dies bedeutet, dass im besten Falle im Rahmen der Unterrichtungs- und Beratungsphase zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat eine Anpassung der ursprünglich geplanten Maßnahme erfolgt. Der Betriebsrat soll im Rahmen der Beratungen schließlich die Möglichkeit haben, auf die endgültige Entscheidung des Unternehmers im Interesse der von einer Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer einzuwirken, bevor der Unternehmer vollendete Tatsachen schafft.[158] Damit kann sich im Verhältnis zur geplanten Betriebsänderung deren Umfang verändern, also z.B. die Anzahl der geplanten Entlassungen reduziert werden. Es kann sich um eine zeitliche Verlagerung der geplanten Maßnahmen handeln. Es kann jedoch auch eine gänzlich qualitativ andere Maßnahme im Interessenausgleich vereinbart werden, als ursprünglich vom Unternehmer geplant. In dem für die Belegschaft wohl besten Falle lässt sich der Arbeitgeber von den Argumenten des Betriebsrates überzeugen und verzichtet ganz auf die geplante Betriebsänderung.

 

Rz. 130

Grundsätzlich hat der Interessenausgleich die Betriebsänderung abschließend zu beschreiben. Jedoch kann der Betriebsrat, sofern bestimmte Maßnahmen abtrennbar sind, die ggf. schon früher umgesetzt werden müssen, und die getrennt von der restlichen Betriebsänderung vereinbart werden können, auch einen Teilinteressenausgleich abschließen, so dass schnell durchführbare Maßnahmen bereits eingeleitet werden können.[159] Gerade bei sehr komplexen Betriebsänderungen kann auch ein prozessorientierter Interessenausgleich abgeschlossen werden. Dieser regelt noch nicht die Betriebsänderung als solche, sondern beinhaltet vor allem Absprachen zwischen den Betriebsparteien zum weiteren Verfahren. Dies kann sich empfehlen, wenn in größeren unternehmensweiten oder gar konzernweiten Umstrukturierungen noch nicht alle Auswirkungen konkret absehbar sind und eine Blockadesituation zwischen den Betriebsparteien vermieden werden soll. Durch die Vereinbarung der Verfahren werden dann einzelne Umsetzungsschritte in ­separaten Interessenausgleichsvereinbarungen geregelt. Dies ermöglicht zum einen dem Unternehmen, mit der Umsetzung seiner Planungen voranzukommen, gibt dem Betriebsrat jedoch die Möglichkeit, die Kontrolle über seine Beteiligungsrechte zu behalten, ohne jedoch den Arbeitgeber von Anfang an zu blockieren.[160] Zu unterscheiden ist diese Vorgehensweise vom Abschluss eines "Rahmeninteressenausgleichs". Dieser würde dem Arbeitgeber freie Hand für die Durchführung von Betriebsänderungen geben. Ein derartiger Verzicht auf Beteiligungsrechte des Betriebsrates wäre unzulässig.[161]

 

Rz. 131

 

Praxistipp

Auch wenn der Interessenausgleich im Wesentlichen die betriebsändernde Maßnahme und deren Auswirkungen beschreibt, sollte doch von Arbeitnehmerseite aus Wert darauf gelegt werden, sich mit der Zukunft des Betriebes oder des Unternehmens auseinanderzusetzen und auch hierzu Aussagen mit aufzunehmen. Eine Betriebsänderung hat auch immer Auswirkungen auf die vermeintlich nicht betroffene Belegschaft. Gelingt es einvernehmlich zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber verbindliche Aussagen zur Sicherheit der verbleibenden Arbeitsplätze zu treffen, ggf. über eine Beschreibung der weiteren strategischen Ausrichtung des Betriebes, geplanter künftiger Investitionen oder gar der Zusage des Unternehmens, für eine gewisse Zeit, auf betriebsbedingte Kündigungen zu verzichten etc., dann kommt dem Interessenausgleich nicht nur der gesetzlich vorgegebene Funktionsumfang zu. Er entfaltet dann auch eine befriedende Wirkung, die im Nachgang zu einer möglicherweise schmerzhaften Betriebsänderung auch langfristig für Betrieb, Unternehmen und Arbeitnehmer vorteilhaft wirkt.

[158] BAG v. 14.9.1976 – 1 AZR 784/75, AP-Nr. 2 zu § 113 BetrVG 1972.
[160] Vgl. hierzu eingehend Krieger/Terhorst, NZA 2014, 689.

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