Rz. 110

Der Gesamtbetriebsrat ist gem. § 50 Abs. 1 BetrVG zuständig für die Behandlung von Angelegenheiten, die das Gesamtunternehmen oder mehrere Betriebe betreffen und die nicht durch die einzelnen Betriebsräte innerhalb ihrer Betriebe geregelt werden können. Insoweit erstreckt sich seine Zuständigkeit auch auf Betriebe ohne Betriebsrat. Folglich ist er nur dann originär für die Wahrnehmung der Beteiligungsrechte bei Betriebsänderungen befugt, wenn die unternehmerischen Planungen Maßnahmen beinhalten, die das gesamte Unternehmen oder mehrere Betriebe des Unternehmens, also mindestens zwei, betreffen. Hinzu kommt jedoch, dass es sich um Maßnahmen handeln muss, die notwendigerweise nur einheitlich behandelt werden können. Es muss ein zwingendes Erfordernis nach einer betriebsübergreifenden Regelung vorliegen. Die bloße Zweckmäßigkeit einer überörtlichen Regelung kann in den Angelegenheiten der zwingenden Mitbestimmung die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrates nicht begründen.[137] Hierbei ist zu beachten, dass sich die Frage der Zuständigkeit an dem betriebsübergreifenden Regelungsbedarf orientiert und dieser sich aus der vom Arbeitgeber geplanten Maßnahme ergeben muss.[138]

 

Rz. 111

Dabei folgt jedoch aus der Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrates für die Vereinbarung eines Interessenausgleichs nicht zugleich zwingend die gesetzliche Zuständigkeit für den Abschluss eines Sozialplans. Hierfür ist das Vorliegen der Voraussetzungen des § 50 Abs. 1 BetrVG gesondert zu prüfen.[139] In aller Regel wird der Gesamtbetriebsrat nur dann für den Interessenausgleich zuständig sein, wenn ein unternehmenseinheitliches oder zumindest betrieblich übergreifendes Konzept vorliegt. Da hinsichtlich des "Ob" und "Wie" die Betriebsänderung in den einzelnen Betrieben umgesetzt wird, nur eine einheitliche Lösung gefunden werden und nur mit einer betriebsübergreifenden Regelung das Problem der Verteilung der Maßnahmen auf die einzelnen Betriebe gelöst werden kann, ist hier der Gesamtbetriebsrat zuständig.[140] In derartigen Konstellationen bestünde, würden die Verhandlungen von den einzelnen Betriebsräten geführt, die Gefahr von Interessenkonflikten zwischen den einzelnen Belegschaften, deren Betriebsräte gegeneinander ausgespielt werden könnten.[141]

 

Rz. 112

Folgende Beispielsfälle zur Verdeutlichung:

Zusammenschluss mehrerer Betriebe eines Unternehmens[142]
Entlassung alle bisher in eigenständigen Kleinbetrieben organisierten Außendienstmitarbeiter und Übertragung der bisher von ihnen wahrgenommenen Aufgaben auf freie Handelsvertreter[143]
Stilllegung aller oder mehrerer Betriebe[144]
 

Rz. 113

Steht fest, dass der Gesamtbetriebsrat für den Interessenausgleich zuständig ist, dann umfasst dies auch die in einem Interessenausgleich enthaltene Namensliste i.S.v. § 1 Abs. 5 KSchG bzw. § 125 Abs. 1 S. 1 InsO. Die Namensliste ist Teil des Interessenausgleichs. Die Zuständigkeit des jeweiligen Gremiums begründet die Zuständigkeit für die gesamte "Angelegenheit". Damit wird die Namensliste von der Zuständigkeit miterfasst.[145]

 

Rz. 114

Auch wenn eine betriebsübergreifende Maßnahme vorliegt, die in den Zuständigkeitsbereich des Gesamtbetriebsrates fällt, so ist für das Erreichen der nötigen Schwellenwerte, um von einer Betriebsänderung ausgehen zu können, doch auf den einzelnen Betrieb abzustellen. Die übergreifende Maßnahme ist dann eine Betriebsänderung i.S.v. §§ 111, 112 BetrVG, wenn in wenigstens einem Betrieb die nötigen Schwellenwerte überschritten werden. Ist dies der Fall, werden auch die betroffenen Betriebe, in denen die Schwellenwerte nicht erreicht werden, gleichwohl als Teil der betriebsübergreifenden Maßnahme mit einbezogen.[146] Bleiben jedoch in allen betroffenen Betrieben die Schwellenwerte unterschritten, liegt keine beteiligungspflichtige Betriebsänderung vor.

 

Rz. 115

Wurde entgegen der gesetzlichen Verpflichtung in dem Unternehmen kein Gesamtbetriebsrat durch die Einzelbetriebsräte gebildet, so fällt diesen nicht die Zuständigkeit für die beteiligungspflichtige Betriebsänderung zu.[147]

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