Rz. 127

Kommt auch durch die Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit kein Interessenausgleich zustande oder unterbleibt die Anrufung der Bundesagentur für Arbeit im Vermittlungsverfahren, so ist zwingend die Einigungsstelle anzurufen. Auch wenn der Interessenausgleich nicht durch Spruch der Einigungsstelle erzwungen werden kann, muss der Unternehmer doch den Versuch eines Interessenausgleichs unternehmen und hierzu das Verfahren insgesamt ausschöpfen. Hierzu gehört auch die Anrufung der Einigungsstelle. Das Gesetz schreibt gerade keine Höchstdauer der Beratungsphase zwischen Unternehmer und Betriebsrat vor. Lediglich für das Insolvenzverfahren sieht die Insolvenzordnung noch besondere Beschleunigungsvorschriften vor, vgl. etwa § 122 InsO. Für das Verfahren außerhalb der Insolvenz sind solche Beschleunigungsvorschriften nicht mehr vorhanden. Ebenso wenig ist eine Mindestdauer der Beratungen vorgesehen. Hieraus folgt, dass unter Berücksichtigung der Gesichtspunkte aus § 2 Abs. 1 BetrVG und dem Grundgedanken aus § 74 Abs. 1 S. 2 BetrVG zumindest ein ernsthafter Verhandlungsversuch unternommen werden muss, bevor das Scheitern der Verhandlungen erklärt werden kann. Je umfangreicher die Betriebsänderung ist und je aufwändiger die Einarbeitung etwa für den Berater des Betriebsrates ist, desto länger werden Unterrichtungs- und Beratungsphase Zeit in Anspruch nehmen. Bei umfassenden Betriebsänderungen können durchaus zwischen Beginn der Bespräche und Abschluss der Beratungsphase mehrere Monate vergehen.

 

Rz. 128

 

Hinweis

Der Unternehmer muss stets vor Umsetzung seiner Betriebsänderung einen den formellen Anforderungen genügenden Interessenausgleich zumindest versuchen, ggf. bis hin zur Einigungsstelle. Setzt er seine Betriebsänderung zu früh um, setzt er sich dem Risiko von Nachteilsausgleichsansprüchen gem. § 113 BetrVG aus. Aus diesem Grunde genügt es dem Unternehmer gerade nicht, wenn der Betriebsrat ohne weitere Verhandlungen lediglich mitteilt, dass er etwa eine geplante Betriebsänderung für nicht mitbestimmungspflichtig hält und gar nicht verhandeln will oder wenn der Betriebsrat pauschal der geplanten Betriebsänderung einfach zustimmt. In all diesen Fällen bleibt dem Arbeitgeber letztendlich die Möglichkeit, die Einigungsstelle anzurufen, bevor er die von ihm geplante Betriebsänderung umsetzt.[156]

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