1. Fortsetzungsanspruch gegen den bisherigen Arbeitgeber

 

Rz. 543

Die Wirksamkeit einer Kündigung bestimmt sich nach der ständigen Rechtsprechung des BAG grundsätzlich nach der zum Zeitpunkt der Kündigung bestehenden Sachlage. Allerdings kann sich nach der Rechtsprechung des BAG nach Ausspruch einer wirksamen Kündigung durch den Arbeitgeber ein Fortsetzungs- bzw. Wiedereinstellungsanspruch des gekündigten Arbeitnehmers ergeben, wenn sich durch nachträglich eintretende Umstände eine dauerhafte Weiterbeschäftigungsmöglichkeit ergibt. Fallen die für die Kündigung maßgeblichen Gründe während der laufenden Kündigungsfrist fort, besteht ein Fortsetzungsanspruch des Arbeitnehmers, wenn der Arbeitgeber noch keine anderweitigen Dispositionen getroffen hat und ihm die unveränderte Fortsetzung zumutbar ist.[550]

 

Rz. 544

Die Begriffe "Wiedereinstellungsanspruch" und "Fortsetzungsanspruch" werden dabei in der Praxis und der Literatur teilweise synonym, teilweise auch unterschiedlich verwendet.[551] Sprachlich und sachlich zutreffender dürfte allerdings der Begriff "Fortsetzungsanspruch" oder – noch präziser – der Begriff "Vertragsfortsetzungsanspruch"[552] sein, da es um die nicht unterbrochene, nahtlose Fortsetzung des bisherigen, wenn auch (zunächst wirksam) gekündigten Arbeitsverhältnisses geht.

 

Rz. 545

Das LAG Köln hat folgende Einordnung vorgenommen:[553] Der Wiedereinstellungsanspruch wird im Allgemeinen "Fortsetzungsanspruch" genannt, wenn er gegen einen Betriebserwerber (§ 613a BGB) gerichtet wird. Der Fortsetzungsanspruch existiert in zwei Formen: als nationaler kündigungsrechtlicher Anspruch aufgrund vertraglicher Treuepflichten nach § 242 BGB und als gemeinschaftsrechtlicher Anspruch aufgrund richtlinienkonformer Auslegung des § 613a BGB. Durch einen Betriebsübergang gehen Nebenpflichten des Veräußerers (z.B. Wiedereinstellungspflichten) aus einem im Zeitpunkt des Betriebsüberganges bereits wirksam beendeten Arbeitsverhältnis nicht auf den Betriebserwerber über.

 

Rz. 546

Ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Wiedereinstellung/Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Arbeitgeber bzw. Erwerber kommt grundsätzlich in Betracht, wenn es trotz einer ursprünglich vorgesehenen Stilllegung des Betriebes oder eines Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeit aus anderen Gründen und einer infolge dessen wirksam ausgesprochenen Kündigung aus betriebsbedingten Gründen i.S.d. § 1 KSchG nachträglich zu der Entstehung einer anderen Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer kommt, etwa bei einem Betriebsübergang und damit zur Fortführung des Betriebes.[554]

 

Rz. 547

Dabei wird im Wesentlichen darauf abgestellt, ob sich die tatsächlichen Verhältnisse noch während des Ablaufs der Kündigungsfrist ändern. In diesem Fall wird in der Rechtsprechung des BAG ein vertraglicher Wiedereinstellungs-/Fortsetzungsanspruch des Arbeitnehmers aus § 242 BGB und der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers abgeleitet.

 

Rz. 548

Auch der 7. Senat des BAG hat das Bestehen eines Fortsetzungs-/Wiedereinstellungsanspruchs des Arbeitnehmers in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des 2. Senats bejaht, wenn sich zwischen dem Ausspruch einer Kündigung und dem Ablauf der Kündigungsfrist eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer ergebe.[555]

 

Rz. 549

Der 8. Senat des BAG hat sich ebenfalls der vorgenannten Rechtsprechung des 2. Senats ebenfalls ausdrücklich angeschlossen.[556]

 

Rz. 550

Das Bestehen eines Wiedereinstellungs-/Fortsetzungsanspruchs des Arbeitnehmers bei einer sich nach Ablauf der Kündigungsfrist ergebenden Weiterbeschäftigungsmöglichkeit wird in der Rechtsprechung der einzelnen Senate des BAG aber uneinheitlich beurteilt.

 

Rz. 551

Der 2. Senat des BAG hat einen Anspruch des Arbeitnehmers auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter den Voraussetzungen anerkannt, dass eine betriebsbedingte Kündigung des Arbeitgebers auf dessen Prognose beruht, bei Ablauf der Kündigungsfrist könne er den Arbeitnehmer nicht mehr weiterbeschäftigen (z.B. wegen Betriebsstilllegung), diese Prognose sich noch während des Laufes der Kündigungsfrist als falsch erweist (z.B. infolge eines Betriebsüberganges), der Arbeitgeber mit Rücksicht auf die Wirksamkeit der Kündigung noch keine Dispositionen getroffen hat und ihm die unveränderte Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist.[557] Ein solcher Wiedereinstellungsanspruch stelle das notwendige Korrektiv dafür dar, dass die Rechtsprechung aus Gründen der Rechtssicherheit, Verlässlichkeit und Klarheit bei der Prüfung des Kündigungsgrundes auf den Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs abstelle und schon eine Kündigung aufgrund einer Prognoseentscheidung zulasse, obwohl der Verlust des Arbeitsplatzes, vor dem der Arbeitnehmer nach § 1 KSchG geschützt werden solle, erst mit dem Ablauf der Kündigungsfrist eintrete.

 

Rz. 552

Der 2. Senat hat diesbezüglich aber auch entschieden, ein Wiedereinstellungsanspruch des Arbeitnehmers bestehe jedenfalls dann nicht, wenn nach Ablauf der Kündigungsfrist ein ganz neuer Kausalverlauf in Gang gesetzt werde. Offengelassen hatte der 2....

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