Rz. 484

Für Fehler bei der Ermittlung der Punktzahlen, die dazu führen, dass auch nur einem Arbeitnehmer, der bei richtiger Ermittlung der Punktzahl zur Kündigung angestanden hätte, nicht gekündigt wird, hat das BAG bisher eine sog. Dominotheorie vertreten. Danach wurden im Falle eines solchen Fehlers, die Kündigungen aller gekündigten Arbeitnehmer als unwirksam angesehen, die als sozial schutzwürdiger anzusehen sind, auch wenn bei fehlerfreier Erstellung der Rangfolge nur ein Arbeitnehmer von der Kündigungsliste zu nehmen gewesen wäre.

 

Rz. 485

Die Dominotheorie wurde seit einem Urteil des BAG vom 18.10.1984[495] vom BAG in ständiger Rechtsprechung angewandt. Ihr Kernsatz lautet:

Zitat

"Wird mehreren Arbeitnehmern aus dringenden betrieblichen Gründen zur selben Zeit gekündigt, einem vergleichbaren Arbeitnehmer dagegen nicht, der erheblich weniger hart von der Kündigung betroffen wäre, so können sich alle gekündigten Arbeitnehmer auf diesen Auswahlfehler mit Erfolg berufen."

Dieser Betrachtungsweise folgten – trotz vielfach geäußerter Kritik – auch viele Arbeits- und Landesarbeitsgerichte.

 

Rz. 486

Mit seinen Entscheidungen vom 9.11.2006[496] hat das BAG die sog. Dominotheorie aufgegeben. Galt bislang, dass eine fehlerhafte Bewertung bei der Sozialauswahl zur Unwirksamkeit aller Kündigungen führt, so können sich jetzt nur noch die Arbeitnehmer darauf berufen, deren Position auf einer Kündigungsliste sich auch tatsächlich konkret verbessert hätte.

 

Rz. 487

Kann der Arbeitgeber in Fällen dieser Art im Kündigungsschutzprozess aufzeigen, dass der gekündigte Arbeitnehmer auch bei richtiger Erstellung der Rangliste anhand des Punkteschemas zur Kündigung angestanden hätte, so ist die Kündigung nicht wegen fehlerhafter Sozialauswahl unwirksam. Grund hierfür ist, dass es an der Kausalität fehlt, weil in diesen Fällen der Fehler für die Auswahl des gekündigten Arbeitnehmers gerade nicht ursächlich geworden und die Sozialauswahl daher im Ergebnis für diesen Arbeitnehmer richtig ist. Auf den Fehler bei der Sozialauswahl kann sich daher lediglich noch der tatsächlich zu Unrecht berücksichtigte Arbeitnehmer berufen.

[495] BAG v. 18.10.1984 – 2 AZR 543/83, AP Nr. 6 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl.
[496] BAG v. 9.11.2006 – 2 AZR 812/05, BB 2007, 1393 und fünf weitere (2 AZR 813/05 – 817/05); dazu Bauer/Gotham, BB 2007, 1729; Müller, § 5 Rn 225.

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