Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsbedingte Änderungskündigung. soziale Auswahl

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bei der sozialen Auswahl gemäß § 1 Abs 3 S 1 KSchG hat der Arbeitgeber zwar keinen Ermessens- wohl aber einen Wertungsspielraum.

2. Wird mehreren Arbeitnehmern aus dringenden betrieblichen Gründen zur selben Zeit gekündigt, einem vergleichbaren Arbeitnehmer dagegen nicht, der erheblich weniger hart von der Kündigung betroffen wäre, so können sich alle gekündigten Arbeitnehmer auf diesen Auswahlfehler mit Erfolg berufen.

Es bleibt unentschieden, ob der Arbeitgeber den Auswahlfehler nachträglich dadurch korrigieren kann, daß er dem weniger schutzbedürftigen Arbeitnehmer kündigt und dafür einem der gekündigten Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses anbietet.

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Entscheidung vom 27.04.1983; Aktenzeichen 14 Sa 1213/82)

ArbG Bochum (Entscheidung vom 27.07.1982; Aktenzeichen 3 Ca 188/82)

ArbG Bochum (Entscheidung vom 27.07.1982; Aktenzeichen 3 Ca 392/82)

 

Tatbestand

Die verbliebenen 21 von ursprünglich 86 Klägern und die Beklagte streiten noch um die Unwirksamkeit der Änderung ihrer Arbeitsbedingungen, nachdem die Kläger das Angebot der Beklagten in der Änderungskündigung vom 17. Mai 1982 zur Fortsetzung ihres Arbeitsverhältnisses zu geänderten Arbeitsbedingungen unter Vorbehalt angenommen haben.

Das Unternehmen der Beklagten betreibt Stahl- und Walzwerke an verschiedenen Standorten. Schwerpunkte sind die Werke Bochum und Duisburg-Rheinhausen. Das Werk Bochum beschäftigte Anfang 1982 noch etwa 6.500 Mitarbeiter. Wegen der immer unbefriedigender werdenden Erlössituation für einen großen Teil ihrer Produkte und wegen der unzureichenden Kapazitätsauslastung beschloß die Geschäftsleitung der Beklagten im April 1981 ein Strukturanpassungs- und Investitionsprogramm, welches den Abbau von Kapazitäten bei den Stahl- und Walzwerken, unter anderem auch in dem Werk Bochum, vorsah. Für das Werk Bochum war die Stillegung des Siemens-Martin-Stahlwerkes Höntrup, des Elektro-Stahlwerks Gußstahl und eines Elektroofens sowie die Rückführung von drei- auf einschichtige Betriebsweise an den Block- und Halbzeugstraßen vorgesehen. Insgesamt sollten durch diese Maßnahmen 1.182 Arbeitsplätze im Bereich der Arbeiter wegfallen. Die Personalreduzierung sollte teils durch vorzeitiges Ausscheiden älterer Mitarbeiter, teils durch unternehmensinterne Versetzungen erreicht werden. In diesem Zusammenhang wurde zwischen der Beklagten und dem Gesamtbetriebsrat des Unternehmens am 30. Juli 1981 ein Sozialplan vereinbart. Hierin heißt es:

"...

II.

Personelle Maßnahmen

--------------------

Allen betroffenen Mitarbeitern wird nach Möglichkeit

ein anderer zumutbarer und möglichst gleichwertiger

Arbeitsplatz angeboten.

Die sich ergebenden personellen Maßnahmen werden in

Gesprächen mit den betroffenen Mitarbeitern erörtert.

Folgende Maßnahmen sind vorgesehen:

1. Versetzungen

------------

Die Versetzungen erfolgen unter Berücksichtigung der

Interessen der betroffenen Mitarbeiter im Einverneh-

men zwischen der Unternehmensleitung bzw. deren Be-

auftragten und dem jeweils zuständigen Betriebsrat.

2. Beendigung des Arbeitsverhältnisses

-----------------------------------

...

3. Umschulungs- und Anlernmaßnahmen

--------------------------------

..."

Als soziale Leistung bei Versetzungen zu anderen Standorten sah der Sozialplan einen Lohn- und Gehaltsausgleich, einen einmaligen Übernahmeausgleich und eine Umzugskostenentschädigung vor.

Bis Mitte Februar 1982 legte die Beklagte im Werk Bochum das Siemens-Martin-Stahlwerk 3 still und führte die Walzenstraße vom Drei-Schicht-Betrieb auf Ein-Schicht-Betrieb zurück. Im Zuge der Maßnahmen wurden 90 Mitarbeiter, darunter die Kläger, aus dem Werk Bochum zum Werk Rheinhausen versetzt. Während von den Entlassungen überwiegend ältere deutsche Mitarbeiter betroffen waren, betrafen die Versetzungen zum Werk Rheinhausen ausschließlich Ausländer, und zwar bis auf eine Ausnahme Türken.

Diejenigen Mitarbeiter, die für die Versetzung zum Werk Rheinhausen vorgesehen waren - darunter sämtliche Kläger -, erhielten nach vorheriger mündlicher Information wenige Tage vor dem 16. Februar 1982 eine schriftliche Mitteilung, wonach sie sich ab dem 16. Februar 1982 zur Arbeitsleistung im Werk Rheinhausen bereitzuhalten hätten. Ihnen wurde gleichzeitig bekannt gegeben, daß sie einen Arbeitsplatz im Transportwesen, im Walzwerk oder im Kranfahrdienst erhielten. Sämtliche nach Rheinhausen versetzte Mitarbeiter, also auch die Kläger, können einen werkseigenen kostenlosen Transportdienst benutzen. Der Bus fährt jeweils 1 1/4 Stunden vor Schichtbeginn am Tor 12 des Werkes Bochum ab und kehrt 1 bis 1 1/4 Stunden nach Schichtende zu diesem Haltepunkt zurück.

Mit ihren am 19. März und 15. April 1982 beim Arbeitsgericht eingegangenen, vom Arbeitsgericht verbundenen Klagen (3 Ca 188/82) haben die ursprünglich 86 Kläger sich gegen die Versetzungen gewehrt.

Sie haben beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, sie unter Aufhebung

der Versetzung in das Werk Rheinhausen wieder zu

ihren vorherigen Arbeitsbedingungen im Werk Bochum

zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klagen abzuweisen.

Noch bevor das Arbeitsgericht Bochum in dem Rechtsstreit 3 Ca 188/82 über die Versetzungsmaßnahmen vom Februar 1982 entschieden hatte, sprach die Beklagte mit gleichlautenden Schreiben vom 17. Mai 1982 gegenüber den Klägern Änderungskündigungen aus:

"...

Ihr Arbeitsplatz ... ist im Zuge der Durchführung

des Strukturkonzeptes fortgefallen. Wir sind daher

zu unserem Bedauern nicht mehr in der Lage, das

mit Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis fortzu-

setzen. Wir kündigen daher dieses Arbeitsverhält-

nis zum 31. Dezember 1982.

Wir bieten Ihnen jedoch die Fortsetzung Ihres Ar-

beitsverhältnisses als ... in unserem Werk Rhein-

hausen an.

Sie erhalten die Leistungen des Sozialplans (Be-

triebsvereinbarung vom 30. Juli 1981), die für

Versetzungen zu anderen Standorten vorgesehen sind.

Ihr Einverständnis mit dieser Änderungskündigung

wollen Sie uns bitte auf der beigefügten Zweit-

schrift bestätigen.

..."

Die Kläger haben durch Schreiben ihrer Anwälte vom 18. Mai 1982 das Angebot auf Weiterbeschäftigung im Werk Rheinhausen unter dem Vorbehalt des § 2 KSchG angenommen. Gleichzeitig haben sie die Beklagte aufgefordert, diejenigen Gründe darzulegen, die zur Auswahl gerade der Kläger geführt hätten.

Unter dem 7. Juni 1982 haben die Kläger sodann vor dem Arbeitsgericht Änderungsschutzklage erhoben (3 Ca 392/82). Sie haben dabei die ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung mit Nichtwissen bestritten und bezweifelt, daß es für die ihnen angesonnene Änderung der Arbeitsbedingungen dringende betriebliche Erfordernisse gegeben habe. Erst recht sei keine Auswahl nach sozialen Gesichtspunkten erfolgt. Vielmehr sei offensichtlich, daß für die Versetzung nach Rheinhausen gezielt ausländische Arbeitnehmer ausgewählt worden seien, weil man den deutschen Kollegen dies nicht habe zumuten wollen. Es gebe im Werk Bochum zahlreiche Arbeitsplätze, die von Deutschen besetzt seien, aber genauso gut von jedem der Kläger besetzt werden könnten. Somit ergebe sich das eindeutige Bild einer Ausländerdiskriminierung.

Die Kläger haben beantragt,

1. festzustellen, daß die Änderung der Arbeitsbe-

dingungen durch die Änderungskündigung vom

17. Mai 1982 sozial ungerechtfertigt ist;

2. die Beklagte zu verpflichten, die Kläger zu

unveränderten Arbeitsbedingungen weiterzube-

schäftigen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, daß sie die Änderungskündigungen eingeleitet habe, nachdem im Verlaufe des Rechtsstreits über die Versetzungen von Februar 1982 die Möglichkeit einer direkten Versetzung zweifelhaft geworden sei. Dem Betriebsrat sei dabei erneut eine Liste des von den Änderungskündigungen betroffenen Personenkreises übergeben worden. Dieser sei dem Betriebsrat ansich schon aufgrund der vorgenommenen Versetzungen bekannt gewesen. Dem Personalausschuß sei dabei erläutert worden, daß die Betriebsbedingtheit der Änderungskündigungen und die Auswahl der betroffenen Mitarbeiter ebenso wie bei den Versetzungen begründet sei. Der Personalausschuß habe nach Beratung hierüber erklärt, daß er den Änderungskündigungen zustimme. Hieran anschließend seien dann die streitbefangenen Änderungskündigungen erklärt worden.

An der Betriebsbedingtheit dieser vorsorglich erklärten Kündigungen könne nicht gezweifelt werden. Denn durch die Realisierung des Strukturkonzepts 1981 seien Arbeitsplätze im Werk Bochum weggefallen. Wenn nun in relativ stärkerem Umfang die ausländischen Mitarbeiter und hier insbesondere die Türken von Versetzungen betroffen seien, so müsse berücksichtigt werden, daß zunächst fast ausschließlich ältere deutsche Mitarbeiter von Entlassungen betroffen gewesen seien. Im übrigen habe es bei den streitbefangenen Änderungskündigungen nur eine eingeschränkte soziale Auswahl geben können. Denn es gehe gerade nicht darum, welche Arbeitnehmer durch die B e e n d i g u n g des Arbeitsverhältnisses härter und welche weniger hart betroffen würden. Den Klägern drohten weder funktionell noch materiell, noch regional, noch sozial unzumutbare Nachteile. Denn durch die Sozialplanleistungen und den kostenlosen Buszubringerdienst reduzierten sich die versetzungsbedingten Nachteile allein auf eine Fahrtzeitverlängerung, die jedoch im Rahmen der Zumutbarkeit liege. Nicht richtig sei, daß sie, die Beklagte, soziale Auswahlgesichtspunkte bewußt nicht berücksichtigt habe. Dabei werde verkannt, daß aufgrund des Sozialplans vom 30. Juli 1981 nur eine beschränkte Gruppe von Arbeitnehmern, nämlich der unter 57-jährigen, für Versetzungen bzw. Änderungskündigungen überhaupt in die Auswahl habe einbezogen werden können. Bei der weiteren Auswahl sei dann im wesentlichen auf den Gesundheitszustand der Betroffenen Rücksicht genommen worden. Es dürfe auch nicht übersehen werden, daß der Betriebsrat den Änderungskündigungen ausdrücklich zugestimmt habe, was schon die Vermutung begründe, daß soziale Gesichtspunkte hinreichend berücksichtigt worden seien.

Die Beklagte hat eine Liste aller in den einzelnen Betrieben des Werkes Bochum zum Zeitpunkt der Änderungskündigungen tätig gewesenen Putzer, Grubenmänner, Kranführer, Schmelzer, Sägenmänner, Richtgehilfen, Ofenmänner, Verlader, Flämmer, Materialwarte/Warmbrettarbeiter, Legierungswarte und Schleifer vorgelegt und dazu ausgeführt, daß auch bei objektiver Betrachtung an der Richtigkeit der Sozialauswahl nicht gedeutelt werden könne.

Das Arbeitsgericht hat in dem Rechtsstreit wegen der Versetzungen (3 Ca 188/82) den Klagen, soweit sie nicht zurückgenommen worden waren, bis auf eine Ausnahme stattgegeben, ebenfalls in dem Rechtsstreit über die Änderungsschutzklage (3 Ca 392/82) den Feststellungsanträgen stattgegeben, dagegen die Anträge, die Beklagte zu verpflichten, die Kläger zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen, abgewiesen. Gegen beide Urteile hat die Beklagte Berufung eingelegt. Das Landesarbeitsgericht hat die Klagen, soweit sie sich nicht zwischenzeitlich durch Vergleiche oder anderweitig in der Hauptsache erledigt hatten, unter dem Aktenzeichen 14 Sa 1213/82 zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbunden. Sodann hat es in dem Versetzungsrechtsstreit mit den verbliebenen 35 Klägern die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. In dem Rechtsstreit über die Änderungskündigungen hat das Landesarbeitsgericht die Berufung der Beklagten hinsichtlich elf Klägern zurückgewiesen. Im übrigen hat es auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klagen der Kläger zu 1., 3., 6., 11., 17., 19., 24., 26., 28., 33., 37., 39., 47., 49., 50., 53., 58., 59., 60., 61., 63., 69., 74. und 75. abgewiesen.

Mit der Revision haben zunächst alle unterlegenen Kläger, mit Ausnahme der Kläger zu 28. und 74., ihren Änderungsschutzantrag weiterverfolgt. Während des Revisionsverfahrens haben sich der Kläger zu 3. und die Beklagte außergerichtlich geeinigt. Dementsprechend haben beide Parteien insofern die Hauptsache für erledigt erklärt. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

A. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, das Arbeitsgericht habe die im Februar 1982 einseitig vorgenommenen Versetzungen zu Recht für unwirksam befunden. Die vorsorglich ausgesprochenen Änderungskündigungen seien hingegen in 24 von 35 Fällen nicht zu beanstanden. Sie seien nicht als Akt der Ausländerbenachteiligung gesetzwidrig und deshalb nichtig. Die Beklagte und der Betriebsrat hätten nämlich die Umsetzung der Kläger als einen Akt ausgleichender und sozialer Gerechtigkeit verstanden wissen wollen, da in der Vergangenheit gerade die älteren deutschen Arbeiter die Hauptlast der Strukturanpassungsmaßnahmen getragen hätten, indem sie vorzeitig hätten ausscheiden müssen. Die nunmehr zur Vermeidung von Kündigungen vorgenommenen Umsetzungen beträfen daher bevorzugt die regelmäßig viel jüngeren und noch nicht so lange beschäftigten ausländischen Mitarbeiter und hier als weitaus größte Gruppe die türkischen Arbeitnehmer.

Bei der zu treffenden Sozialauswahl sei es weder zulässig, eine Unterscheidung nach Nationalitäten zu treffen, noch ausschließlich betriebliche Gesichtspunkte bei der Entscheidung zu berücksichtigen. Vielmehr sei zu fragen, welche Arbeitnehmer von den veränderten Arbeitsbedingungen am härtesten betroffen würden. Dabei falle entscheidend ins Gewicht, daß es vorliegend nicht um die Beendigung von Arbeitsverhältnissen gehe, sondern der einzige ins Gewicht fallende Nachteil der Änderungskündigungen in einer Verlängerung der täglichen An- und Rückfahrtzeit bestehe. Dadurch, daß die Beklagte einen kostenlosen Zubringerdienst eingerichtet habe, werde der Nachteil des größeren Zeitaufwandes nicht gemildert. Den Betroffenen entstünden lediglich kleine materielle Nachteile. Ein teilweiser Nachteilsausgleich werde jedoch durch den im Sozialplan vom 30. Juli 1981 vorgesehenen Übernahmeausgleich erreicht. Dadurch würden die nachteiligen Auswirkungen so erheblich nivelliert, daß die Beklagte lediglich verpflichtet gewesen sei, bei der Sozialauswahl diejenigen Mitarbeiter besonders zu berücksichtigen, die in weit überdurchschnittlichem Maße von den geplanten Versetzungen nachteilig betroffen gewesen seien. Da bereits der Sozialplan eine Staffelung des Übernahmeausgleichs nach der Betriebszugehörigkeit vorgesehen habe, könne die Dauer der Betriebszugehörigkeit nicht auch noch ein ins Gewicht fallender Gesichtspunkt für die Auswahlentscheidung sein. Die Beklagte müsse daher diejenigen Mitarbeiter von den Versetzungen ausnehmen, die bereits wegen ihres Alters und ihrer zusätzlichen Anfahrtszeit zum Werkstor in Bochum besonders betroffen seien. Älteren Arbeitnehmern mache eine erheblich längere Anfahrtszeit mehr zu schaffen als jüngeren Mitarbeitern. Diejenigen, die bereits einen längeren Weg zur Bushaltestelle am Werkstor hätten, seien weit härter betroffen, als diejenigen, die in unmittelbarer Nähe der Bushaltestelle wohnen würden. Auf die familiären Verhältnisse der Kläger und die teilweise recht hohe Kinderzahl habe die Beklagte nicht Rücksicht nehmen müssen. Die etwas längere Trennung von der Familie sei bei einem Kind nicht wesentlich nachteiliger als bei fünf Kindern. Unter die älteren schonungsbedürftigen Mitarbeiter seien diejenigen zu zählen, die zum Zeitpunkt der Kündigung das 45. Lebensjahr bereits überschritten hätten, ferner die Kläger zu 15. und zu 56., die 17 bzw. 13 km vom Werk Bochum entfernt wohnten. Außerdem sei der Kläger zu 20. besonders schutzbedürftig, da er bereits über zehn Jahre im Werk der Beklagten beschäftigt gewesen, etwa sechs km entfernt wohne und zur Zeit der Kündigung 39 Jahre alt gewesen sei. Im übrigen komme es bei einer Massenänderungskündigung, welche durch den Sozialplan vom 30. Juli 1981 und durch den von der Beklagten eingerichteten Busdienst in ihren Auswirkungen für die Betroffenen weitgehend gemildert worden sei, nicht darauf an, wie bei Beendigungskündigungen die Sozialdaten aller vergleichbaren Arbeitnehmer "penibel gegeneinander abzuwägen". Vielmehr habe die Beklagte einen weitgehenden Beurteilungsspielraum gehabt, der allerdings dadurch eingeschränkt gewesen sei, daß die besonders schutzbedürftigen Mitarbeiter, darunter die oben erwähnten Kläger, von den Versetzungsangeboten hätten verschont bleiben müssen.

B. Den Ausführungen des Berufungsgerichts kann weder im Ergebnis noch in allen Teilen der Begründung gefolgt werden.

I. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, daß infolge der Stillegung des Siemens-Martin-Stahlwerks SM 3 und durch die Rückführung der Blockwalzstraße von Drei- auf Ein-Schicht-Betrieb zum 15. Februar 1982 bis Ende Juni 1982 etwa 750 Arbeitsplätze im Werk Bochum der Beklagten weggefallen sind. Hiervon seien auch die Kläger betroffen gewesen, da sie nicht für einen bestimmten Arbeitsplatz eingestellt gewesen seien, sondern die Beklagte sich eine umfassende betriebsinterne Umsetzungsmöglichkeit ausbedungen habe. Nur ein geringer Teil der betroffenen Arbeitnehmer habe innerbetrieblich auf anderen Arbeitsplätzen weiterbeschäftigt werden können. Gegen diese Feststellung hat die Revision Verfahrensrügen nicht erhoben, so daß der Senat an diese Feststellung gemäß § 561 Abs. 2 ZPO gebunden ist.

Es ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Landesarbeitsgericht aus seinen Feststellungen folgert, die Änderungskündigungen seien gemäß § 1 Abs. 2, § 2 Satz 2 KSchG durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt. Die Stillegung der Stahlproduktion im Siemens-Martin-Stahlwerk und deren Einschränkung in der Blockwalzstraße im Werk Bochum der Beklagten sind unternehmerische Entscheidungen, die von den Gerichten für Arbeitssachen nicht auf ihre Zweckmäßigkeit überprüft werden können, sondern nur darauf, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich sind (vgl. zuletzt BAG Urteil vom 24. März 1983 - 2 AZR 21/82 - BAG 42, 151 = AP Nr. 12 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, unter B II 1 der Gründe, mit insoweit zust. Anm. von Meisel; vgl. auch KR-Becker, 2. Aufl., § 1 KSchG Rz 294 und Hueck, KSchG, 10. Aufl., § 1 Rz 104 a, m.w.N.).

Bei einer betriebsbedingten Änderungskündigung ist das Änderungsangebot des Arbeitgebers daran zu messen, ob dringende betriebliche Erfordernisse gemäß § 1 Abs. 2 KSchG das Änderungsangebot bedingen und ob der Arbeitgeber sich bei einem an sich anerkennenswerten Anlaß zur Änderungskündigung darauf beschränkt hat, nur solche Änderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muß (vgl. statt vieler BAG Urteil vom 3. November 1977 - 2 AZR 277/76 - AP Nr. 1 zu § 75 BPersVG, unter IV 1 der Gründe; Hueck, aaO, § 2 Rz 23; Herschel/Löwisch, KSchG, 6. Aufl., § 2 Rz 32 - 33).

1. Von diesem Prüfungsmaßstab bei einer Änderungskündigung ausgehend hat das Berufungsgericht zutreffend angenommen, die Beklagte sei aufgrund der Stillegung der Stahlproduktion im Siemens-Martin-Stahlwerk und deren Einschränkung in der Blockwalzstraße im Werk Bochum außerstande gewesen, 90 Arbeiter im Betrieb Bochum weiterzubeschäftigen (insgesamt entfielen 1.182 Arbeitsplätze von Arbeitern). Dadurch, daß die Beklagte soweit wie möglich von Beendigungskündigungen abgesehen und dafür Änderungskündigungen ausgesprochen hat, hat sie dem das Kündigungsschutzrecht beherrschenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprochen.

2. Die Änderungskündigungen, mit denen eine Weiterbeschäftigung in einem anderen Betrieb, dem Werk Rheinhausen, erreicht werden sollte, war wegen des Wegfalls der Arbeitsplätze im Werk Bochum und dem Fehlen anderer freier Arbeitsplätze im Betrieb Bochum an sich auch sachlich gerechtfertigt. Die geänderten Arbeitsbedingungen waren für die Kläger auch zumutbar, denn an den materiellen Arbeitsbedingungen änderte sich nichts. Die um ca. zwei Stunden verlängerte Fahrzeit zur Arbeitsstelle und von dort wieder nach Hause war die einzige Verschlechterung für die Kläger. Diese Belastung ist durch einen finanziellen Übernahmeausgleich, der sich an der Betriebszugehörigkeit orientierte, im Sozialplan noch gemildert worden.

II. Nicht gefolgt werden kann aber den Ausführungen des Berufungsgerichts zur sozialen Auswahl.

1. Zwar unterliegen die Ausführungen des Berufungsgerichts zu der Frage, ob die Kündigung rechtsunwirksam ist, weil die Beklagte bei der Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer soziale Gesichtspunkte nicht ausreichend berücksichtigt hat, nur einer beschränkten revisionsrechtlichen Nachprüfung, weil der Begriff der ausreichenden Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte ebenso wie der der Sozialwidrigkeit ein unbestimmter Rechtsbegriff ist (vgl. zuletzt BAG 42, 151, 159 = AP Nr. 12 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung). Selbst unter Berücksichtigung dieses eingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabs kann das Urteil des Landesarbeitsgerichts aber keinen Bestand haben.

2. Wie das Landesarbeitsgericht zunächst zutreffend betont hat, gilt das Gebot der ausreichenden sozialen Auswahl für den Arbeitgeber nicht nur bei Beendigungs-, sondern auch bei Änderungskündigungen. Das ergibt sich ohne weiteres bereits aus der ausdrücklichen Verweisung in § 2 Satz 1 KSchG, der im Klammerzusatz auch auf § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG Bezug nimmt (ebenso Herschel/Löwisch, aaO, § 2 Rz 42; KR-Rost, 2. Aufl., § 2 KSchG Rz 103; Urteil des erkennenden Senates vom 7. August 1979 - 2 AZR 575/77 - nicht veröffentlicht; LAG Baden- Württemberg, DB 1959, 1171). Die gegenteilige Auffassung des LAG Düsseldorf (Urteil vom 21. Januar 1983, BB 1983, 1730) widerspricht der eindeutigen gesetzlichen Regelung.

Unzutreffend ist jedoch die weitere Annahme des Berufungsgerichts, bei Massenänderungskündigungen seien, anders als bei Beendigungskündigungen, nicht die Sozialdaten aller vergleichbaren Arbeitnehmer "penibel" gegeneinander abzuwägen. Die Beklagte habe vielmehr einen weitgehenden Beurteilungsspielraum gehabt, der nur dadurch eingeschränkt gewesen sei, daß die besonders schutzbedürftigen Mitarbeiter verschont bleiben mußten. Wie sich aus der Begründung des angefochtenen Urteils ergibt, hat das Landesarbeitsgericht diesen "weitgehenden Beurteilungsspielraum" des Arbeitgebers nicht mit den Besonderheiten von Massenkündigungen (vgl. dazu Preis, DB 1984, 2244, 2248) zu begründen versucht, sondern auf den Unterschied zwischen einer Änderungs- und einer Beendigungskündigung abgestellt. Das ist nur im Ausgangspunkt richtig, rechtfertigt aber nicht die daraus gezogenen zu weitgehenden Folgerungen. Anders als bei der Beendigungskündigung ist die soziale Auswahl allerdings nicht an der Prüfung auszurichten, welcher von mehreren vergleichbaren Arbeitnehmern durch den Verlust des Arbeitsplatzes relativ am wenigsten hart getroffen wird. Da es bei der ordentlichen Änderungskündigung, unabhängig davon, ob sie vom Arbeitnehmer unter Vorbehalt angenommen wird oder nicht, um die soziale Rechtfertigung des Änderungsangebotes geht, ist auch bei der sozialen Auswahl auf die Auswirkung der vorgeschlagenen Vertragsänderung auf den sozialen Status der vergleichbaren Arbeitnehmer abzustellen. Es ist insoweit zu prüfen, ob der Arbeitgeber, statt die Arbeitsbedingungen des gekündigten Arbeitnehmers zu verändern, diese Änderung einem anderen vergleichbaren Arbeitnehmer hätte anbieten können, dem das in sozialer Hinsicht eher zumutbar ist (Herschel/Löwisch, aaO). Die Ermittlung, wodurch der Inhaltsschutz durch die Änderungskündigung beeinträchtigt wird und wie sich das auf betroffene und andere vergleichbare Arbeitnehmer auswirkt, setzt damit zwar andere, aber nicht weniger "penible" Abwägungen voraus. Auch der Wertungsspielraum des Arbeitgebers im Rahmen der sozialen Auswahl (vgl. dazu unter II 4 a der Gründe) ist bei einer Änderungs- gegenüber der Beendigungskündigung nicht weitergehend, sondern nur auf andere Kriterien als den des Verlustes des Arbeitsplatzes zu erstrecken. Wie die eingehenden Ausführungen des Landesarbeitsgerichts zu den Nachteilen der Versetzung für die gekündigten Arbeitnehmer zeigen, beruht das angefochtene Urteil letztlich auch nicht auf den darin formulierten abstrakten Rechtssätzen. Das Berufungsgericht ist vielmehr im Ergebnis selbst zutreffend von der Notwendigkeit einer differenzierten Abwägung der sozialen Gesichtspunkte auch bei Änderungskündigungen ausgegangen.

3. Die Billigung der sozialen Auswahl durch das Landesarbeitsgericht hinsichtlich der Revisionskläger beruht sachlich deswegen auch nicht darauf, daß es der Beklagten einen zu weitgehenden Wertungsspielraum eingeräumt hat. Wie die Revision durchgreifend rügt, liegt der Rechtsfehler vielmehr darin, daß das Berufungsgericht den Vortrag der Kläger, mit denen diese die fehlerhafte Sozialauswahl begründet haben, nicht vollständig behandelt und gewürdigt hat.

a) Das Berufungsgericht hat bei der Überprüfung der sozialen Auswahl durch die Beklagte darauf abgestellt, vorliegend wirkten sich die Änderungskündigungen nur durch die Einbuße an Freizeit und die mit den Busfahrten verbundenen zusätzlichen Belastungen aus. Diese seien insbesondere von dem Lebensalter und dem Zeitaufwand abhängig. Es hat deswegen die über 45 Jahre alten Arbeitnehmer und diejenigen als am schutzbedürftigsten angesehen, die die längste Anfahrt zum Bushalteplatz hatten. Die nach diesem Maßstab anstelle von elf Klägern zu kündigenden Arbeitnehmer hat das Berufungsgericht den von der Beklagten überreichten Listen entnommen, aufgrund derer diese zu belegen versuchte, die ausgewählten Kläger seien nach der sogenannten "Hammer Tabelle" am wenigsten schutzbedürftig. Dabei haben die Kläger sich insgesamt nur auf drei bestimmte andere sozial schwächere Arbeitnehmer, nämlich die Arbeiter P, M und S berufen, die nach der von der Beklagten vorgelegten Liste nach der Hammer Tabelle keinen einzigen Sozialpunkt hatten.

b) Das Berufungsgericht hätte sich bei der Kontrolle der Sozialauswahl der Änderungskündigungen demgemäß darauf beschränken müssen zu überprüfen, ob die drei von den Klägern benannten Arbeitnehmer sozial stärker waren als sie und ob sich gegebenenfalls daraus die Unwirksamkeit dreier oder aller Kündigungen ergab. Der Senat hat nämlich eine ohne einen entsprechenden Vortrag des Arbeitnehmers erfolgende gerichtliche Kontrolle der Sozialdaten der vergleichbaren Arbeitnehmer bereits in dem Grundsatzurteil vom 24. März 1983 (BAG 42, 151 ff.) u.a. als eine Verletzung des Beibringungsgrundsatzes und des § 1 Abs. 3 Satz 3 KSchG gewertet. Wie von Dudenbostel (AuR 1984, 298) kürzlich nachgewiesen worden ist, hat der Senat in jener Entscheidung zwar die Bedeutung des Verhandlungsgrundsatzes wohl überschätzt. Richtig ist, daß das Gericht grundsätzlich alle Umstände zu berücksichtigen hat, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung geworden sind, gleichgültig, ob sie von der darlegungspflichtigen Partei vorgetragen worden sind oder nicht. Der Senat hält aus diesem Grunde seine Begründung nicht aufrecht, in einem solchen Falle sei auch der Beibringungsgrundsatz verletzt. Dagegen bestätigt der Senat seine Auffassung, mit einer Überprüfung der Sozialdaten "von Amts wegen" werde gegen § 1 Abs. 3 Satz 3 KSchG verstoßen (BAG vom 24. März 1984, aaO, zu B III 2 c der Gründe). Wegen der dem Arbeitnehmer in Abweichung von der übrigen Systematik des § 1 KSchG ausdrücklich zugewiesenen Beweis- und damit auch Darlegungslast für die Tatsachen, aus denen sich eine nicht ausreichende soziale Auswahl ergeben soll, ist von ihm zu verlangen, daß er unter Angabe der Gründe den Arbeitnehmer benennt, dem an seiner Stelle hätte gekündigt werden müssen. Eine Auswahl "von Amts wegen" durch das Gericht könnte zu dem Ergebnis führen, daß die Auswahl gerade auf den Arbeitnehmer fällt, den der Kläger unter keinen Umständen verdrängen wollte.

4. Wäre das Berufungsgericht bei Überprüfung der Sozialauswahl auf den Vortrag der Kläger eingegangen, drei von der Kündigung verschonte Arbeiter wären von der Kündigung erheblich weniger hart betroffen gewesen, hätte es zu dem Ergebnis kommen müssen, daß nicht nur elf, sondern alle Änderungskündigungen wegen nicht ausreichender sozialer Auswahl sozialwidrig sind. Dementsprechend hatte der Senat auf die Revision der verbliebenen 21 Kläger das Urteil des Landesarbeitsgerichts aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts auch insoweit zurückzuweisen.

a) In der Berufungserwiderung haben die Revisionskläger geltend gemacht, die drei Arbeiter P, M und S wären unstreitig weniger hart von der Kündigung betroffen worden als sie, weil diese nach der von der Beklagten bei der Auswahl zugrunde gelegten Hammer Tabelle keinen Sozialpunkt aufwiesen. Dem ist die Beklagte nicht entgegengetreten. Abgesehen davon ist die soziale Schutzbedürftigkeit der drei nicht gekündigten Arbeitnehmer tatsächlich erheblich geringer als die der Kläger. Die Beklagte hat die soziale Auswahl auf der Grundlage der sogenannten "Hammer Tabelle" vorgenommen. Der Senat hat zwar im Urteil vom 24. März 1983 (aaO) die Überprüfung der sozialen Auswahl anhand eines Punkteschemas wie der "Hammer Tabelle" durch das Gericht für unzulässig erklärt. Ein entscheidender Gesichtspunkt dafür war, daß mit Hilfe des gerichtlichen Punkteschemas die Wertung des Arbeitgebers durch die des Gerichts ersetzt wurde, unabhängig davon, ob die Wertung des Arbeitgebers den Anforderungen des § 1 Abs. 3 KSchG genügte oder nicht. Der Arbeitgeber muß nämlich nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG soziale Gesichtspunkte nur ausreichend berücksichtigen und er kann dieser Verpflichtung mangels eines allgemein gültigen Bewertungsmaßstabs auch gerecht werden, wenn seine Wertung nicht der einer gerichtlichen Punktetabelle entspricht.

Das Bundesarbeitsgericht hat stets betont, der Arbeitgeber habe bei der sozialen Auswahl keinen Ermessensspielraum. Daran wird festgehalten, denn ein Ermessensspielraum kann hier bereits normlogisch nicht in Betracht kommen, da es bei der sozialen Auswahl nicht um Rechtsfolgefragen bzw. ein einseitiges Bestimmungsrecht des Arbeitgebers geht, sondern um ein Tatbestandsmerkmal für die sozial ungerechtfertigte Kündigung (vgl. dazu näher Kohte, AuR 1984, 263, 271). Wenn das Bundesarbeitsgericht andererseits in ständiger Rechtsprechung geringfügige Unterschiede in der sozialen Schutzbedürftigkeit für rechtlich unbeachtlich gehalten hat (vgl. statt vieler BAG 16, 149 = AP Nr. 15 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung), dann deshalb, weil der Arbeitgeber nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG soziale Gesichtspunkte nur "ausreichend" berücksichtigen muß. Der Senat hat darüber hinaus bereits im Urteil vom 24. März 1983 (aaO) hervorgehoben, daß es keinen allgemein verbindlichen Bewertungsmaßstab dafür gibt, wie die einzelnen Sozialdaten zueinander ins Verhältnis zu setzen sind. Dem entspricht ein gewisser Bewertungsspielraum des Arbeitgebers. Seine äußersten Grenzen ergeben sich zum einen aus der Wertung des Kündigungsschutzgesetzes selbst: § 10 KSchG läßt sich entnehmen, daß der Gesetzgeber für die rechtlich relevante Schutzbedürftigkeit der Betriebszugehörigkeit und dem Lebensalter Priorität einräumt, und zwar der Betriebszugehörigkeit noch vor dem Lebensalter. Demgemäß hat der Arbeitgeber bei der sozialen Auswahl zunächst die Betriebszugehörigkeit und dann das Lebensalter zu berücksichtigen. Darüber hinaus besteht ein Mindestkonsens darüber, daß die Unterhaltsverpflichtungen bei der Auswahl Berücksichtigung finden müssen.

Diesen Wertungsspielraum näher zu konkretisieren, gibt der vorliegende Fall noch keinen Anlaß, weil die drei benannten ungekündigten Arbeitnehmer von der Kündigung erheblich weniger betroffen wären als die Kläger. Die Beklagte hat der V o r a u s w a h l die "Hammer Tabelle" zugrunde gelegt. Dies ist rechtlich unbedenklich, wenn daraufhin - wie vorliegend - noch eine abschließende, die besonderen Umstände des Einzelfalls berücksichtigende Schlußwertung durch den Arbeitgeber stattfindet. In der "Hammer Tabelle" finden fünf Auswahlkriterien, darunter die Grunddaten Lebensalter, Betriebszugehörigkeit und unterhaltsberechtigte Kinder, Berücksichtigung. Die drei von den Klägern benannten ungekündigten Arbeitnehmer haben nach der eigenen Wertung der Beklagten keinen Sozialpunkt. Dagegen haben die Kläger in jedem Falle bereits zumindest fünf Sozialpunkte, weil sie zumindest für ein Kind zu sorgen haben. Gerade die familiären Verhältnisse sind aber insoweit für die Frage von Bedeutung, welche Arbeitnehmer die Auswirkungen der Versetzung am spürbarsten getroffen hat.

b) Der Senat folgt der Auffassung der Revision, daß dann, wenn auch nur ein vergleichbarer sozial stärkerer Arbeitnehmer von der betriebsbedingten Kündigung ausgenommen worden ist, ohne daß die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG vorliegen, sich beliebig viele sozial schwächere zur gleichen Zeit gekündigte Arbeitnehmer auf die fehlerhafte soziale Auswahl berufen können. Dies folgt aus der individualrechtlichen Konzeption des allgemeinen Kündigungsschutzes.

c) In veröffentlichten Entscheidungen der Gerichte ist diese Frage noch nicht behandelt worden. Im Schrifttum hat erstmals Hueck (KSchG, 10. Aufl., § 1 Rz 127 a) auf dieses Problem aufmerksam gemacht. Er hat zutreffend darauf hingewiesen, daß die Grundsätze über die soziale Auswahl ebenso gelten, wenn die betriebsbedingte Kündigung gegenüber mehreren Arbeitnehmern gleichzeitig und aus gleichem Anlaß ausgesprochen werden soll. Auch bei einer solchen "Massenkündigung" sind aus einem größeren Kreis der in Betracht kommenden Arbeitnehmer diejenigen auszuwählen, die die Kündigung am wenigsten hart trifft. Ist in einem solchen Falle einem Arbeitnehmer nicht gekündigt worden, der dadurch weniger hart betroffen wäre als m e h r e r e der gekündigten Arbeitnehmer, so ergibt sich das von Hueck (aaO) zuerst erkannte Problem, ob diese sich alle auf eine fehlerhafte Auswahl berufen können. Die Überlegung, bei der ausreichenden Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte wäre anstelle des ungekündigten nur einer, nämlich der am härtesten betroffene Arbeitnehmer, von der Kündigung verschont geblieben, spricht auf den ersten Blick dafür, nur dem sozial schwächsten die Berufung auf die fehlerhafte soziale Auswahl zu gestatten. Im vorliegenden Fall würde das bedeutet haben, daß nur drei Kläger sich auf eine fehlerhafte soziale Auswahl hätten berufen können. Auf die sich dann aufdrängende Frage, wie und durch wen die drei Arbeitnehmer bestimmt werden sollen, die sich auf die unrichtige Auswahl mit Erfolg berufen können, gibt es keine rechtlich haltbare Antwort. Nach § 1 Abs. 3 Satz 3 KSchG hat nämlich der Arbeitnehmer die Tatsachen zu beweisen, die die soziale Auswahl unrichtig erscheinen lassen. Der klagende Arbeitnehmer muß demgemäß substantiiert vortragen, welche vergleichbaren ungekündigten Arbeitnehmer weniger schutzbedürftig sein sollen als er selbst (Urteil des Senats vom 24. März 1984, aaO). Dem sind alle Kläger nachgekommen. Dementsprechend kann auch keine Klage als unsubstantiiert abgewiesen werden. § 1 Abs. 3 Satz 3 KSchG kann auch nicht entnommen werden, die g e k ü n d i g t e n Arbeitnehmer müßten unter sich eine weitere "interne" soziale Rangfolge aufstellen. Abgesehen davon, daß ein klagender Arbeitnehmer nicht immer wissen muß, welchem anderen Arbeitnehmern zur selben Zeit gekündigt worden ist, ist auch nicht von vornherein abzusehen - worauf schon Hueck (aaO) hingewiesen hat -, ob und welche anderen härter betroffenen Arbeitnehmer gegen die Kündigung nicht fristgemäß nach § 4 KSchG Klage erheben, so daß diese als von Anfang an als rechtswirksam gilt (§ 7 KSchG). Da solche Arbeitnehmer für einen Vergleich im Rahmen der sozialen Auswahl nicht mehr in Betracht kommen, besteht bei jedem der gekündigten Arbeitnehmer beim Zugang der Kündigung als dem für die Beurteilung der Sozialwidrigkeit maßgebenden Zeitpunkt wenigstens die Möglichkeit, daß er am härtesten betroffen ist (so schon Hueck, aaO, Rz 127 a).

d) Auch die Gerichte für Arbeitssachen sind daran gehindert, von sich aus die drei schutzbedürftigsten Arbeitnehmer zu bestimmen. Damit würde wiederum gegen den sich aus § 1 Abs. 3 Satz 3 KSchG ergebenden Grundsatz verstoßen, daß es allein Sache des Arbeitnehmers ist, diejenigen Arbeitnehmer zu benennen, die seiner Ansicht nach von einer Kündigung weniger hart betroffen sind. Wegen der individualrechtlichen Ausgestaltung des Kündigungsschutzes können alle 21 gekündigten Arbeitnehmer sich auf die geringere soziale Schutzbedürftigkeit der drei nicht gekündigten Arbeitnehmer berufen (so schon Hueck, aaO, § 1 Rz 127 a; Herschel/Löwisch, aaO, § 1 Rz 247 und Berkowsky, Die betriebsbedingte Kündigung, S. 56), und zwar mit der Folge, daß alle Kündigungen unwirksam sind.

e) Die vorliegende Entscheidung des erkennenden Senats entspricht sachlich weitgehend einem Urteil des Siebten Senats zur Pflicht des Arbeitgebers, bei der Stillegung einer Betriebsabteilung nach § 15 Abs. 5 Satz 1 KSchG Mitglieder des Betriebsrates in eine andere Betriebsabteilung zu übernehmen. In dem dem Urteil des Siebten Senats vom 25. November 1981 (BAG 37, 128 = AP Nr. 11 zu § 15 KSchG 1969) zugrunde liegenden Sachverhalt hatte der Arbeitgeber allen Mandatsträgern gekündigt, obwohl einer von ihnen in eine andere Abteilung hätte versetzt werden können. Der Siebte Senat hat dazu ausgeführt, das Landesarbeitsgericht habe es nicht rechtsfehlerhaft unterlassen, zwischen den mehreren Mandatsträgern, die sich auf den Arbeitsplatz einer ungekündigten Arbeitnehmerin berufen hätten, eine soziale Auswahl vorzunehmen. Wenn eine soziale Auswahl zwischen mehreren Mandatsträgern zu treffen gewesen sei, dann durch den Arbeitgeber. Der Beklagte habe jedoch statt einer anderen Arbeitnehmerin, die noch keinen Kündigungsschutz genossen habe, allen besonders geschützten Mandatsträgern gekündigt. Dieser Fehler hafte jeder Kündigung für sich an und sei vom Arbeitgeber zu vertreten, so daß das Ergebnis auch nicht untragbar erscheine.

f) Untragbar ist das Ergebnis auch nicht im vorliegenden Fall, weil es im Ergebnis nur um die Rücknahme einiger Versetzungen in einen anderen Betrieb eines Großunternehmens geht. Der Senat verkennt aber nicht, daß auf diese Weise bei unabdingbaren Massenentlassungen hunderte von Kündigungen scheitern können, wenn der Arbeitgeber einige wenige sozial erheblich weniger schutzbedürftige Arbeitnehmer übersehen und deshalb von der Kündigung ausgenommen hat. Der Senat neigt daher - ebenfalls im Anschluß an Hueck (aaO) - zumindest dazu, dem Arbeitgeber die Möglichkeit einzuräumen, den Fehler in der sozialen Auswahl nachträglich zu korrigieren, indem er den weniger hart betroffenen Arbeitnehmern kündigt und einer entsprechenden Anzahl von Arbeitnehmern die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses anbietet. Der Senat übersieht nicht, daß dies eine systemwidrige und deshalb auch von Löwisch (aaO) abgelehnte Einschränkung des Grundsatzes bedeutet, die Sozialwidrigkeit der Kündigung nach den Verhältnissen zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung zu beurteilen. Angesichts der Schwierigkeiten, denen eine korrekte soziale Auswahl bei einer Massenkündigung begegnet, erscheint dem Senat aber ein starres Festhalten an einer dogmatisch sauberen Lösung in diesen Fällen kaum vertretbar. Abschließend hatte der Senat diese Frage noch nicht zu entscheiden, weil vorliegend die Beklagte trotz des Hinweises der Kläger auf die von Hueck (aaO) vertretene Auffassung zu einer Korrektur ihrer sozialen Auswahl nicht bereit war.

C. Die Kostenentscheidung folgt hinsichtlich des Klägers zu 3. aus § 91 a ZPO, im übrigen aus § 91 ZPO.

Hillebrecht Triebfürst Dr. Weller

Strümper Dr. Wolter

 

Fundstellen

Haufe-Index 438045

BAGE 47, 80-96 (LT1-2)

BAGE, 80

BB 1985, 1263-1265 (LT1-2)

DB 1985, 1083-1085 (LT1-2)

NJW 1985, 2046

NJW 1985, 2046-2048 (LT1-2)

NJW 1985, 919-920 (LT2)

AuB 1985, 257-257 (T)

BlStSozArbR 1985, 201-201 (T)

JR 1986, 264

NZA 1985, 423-426 (LT1-2)

ZIP 1985, 953

ZIP 1985, 953-958 (LT1-2)

AP § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl (LT1-2), Nr 6

AR-Blattei, ES 1020.1.1 Nr 5 (LT1-2)

AR-Blattei, Kündigungsschutz IA Entsch 5 (LT1-2)

EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung, Nr 34 (LT1-2)

MDR 1985, 609-610 (LT1-2)

ZfA 1985, 613-614 (T)

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