Rz. 210

Das LAG Düsseldorf hat im Zusammenhang mit der Verbraucherinsolvenz des Arbeitnehmers zu einer einvernehmlichen Änderung von Arbeitszeit und Arbeitsvergütung nach Änderungskündigung ohne Zustimmung des Treuhänders folgende Entscheidung getroffen:[232]

Zitat

Der Arbeitnehmer, der sich in Verbraucherinsolvenz befindet, darf ohne Zustimmung des Treuhänders das in einer Änderungskündigung enthaltene Angebot seines Arbeitgebers zur Absenkung von Arbeitszeit und Arbeitsvergütung annehmen, auch wenn sich dadurch der pfändbare Teil seines Arbeitseinkommens verringert. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sich die Änderung der Vergütung als Folge der Neubestimmung des Synallagmas des Arbeitsverhältnisses darstellt.

 

Rz. 211

Die Arbeitskraft als solche fällt als höchstpersönliches Rechtsgut nicht in die Insolvenzmasse. Dies hat bereits das Reichsgericht im Jahre 1909[233] entschieden und diesbezüglich wörtlich Folgendes ausgeführt: "Der Gläubiger kann demgemäß nicht beanspruchen, dass sein Schuldner eine für jenen günstige Erwerbstätigkeit fortsetze, wenn der Schuldner dies nicht tun will. Die gegenteilige Annahme würde zu einer Art moderner Schuldknechtschaft führen, die mit den heutigen Anschauungen, insbesondere denen über das Recht zur freien Betätigung der Persönlichkeit, unvereinbar wäre." Dies gilt nach wie vor. So hat das BAG im Jahre 2009[234] ausgeführt, dass aufgrund der Eröffnung des vereinfachten Verbraucherinsolvenzverfahrens ein Kündigungsschutzprozess nicht unterbrochen wird, weil mit diesem nicht die Insolvenzmasse, sondern ein höchstpersönlicher Anspruch des Arbeitnehmers[235] betroffen ist. Auch die Literatur erkennt an, dass die Arbeitskraft als solche nicht zur Insolvenzmasse gehört.[236]

 

Rz. 212

Das BAG hat mit Urt. v. 20.6.2013 diese Rechtsprechung auch noch einmal ausdrücklich bestätigt: Die Arbeitskraft des Schuldners und dessen Arbeitsverhältnis als solches gehören nicht zur Insolvenzmasse gem. § 35 Abs. 1 InsO und unterfallen daher nicht dem Verfügungsverbot des § 81 Abs. 1 S. 1 InsO. Der Schuldner kann deshalb in jeder Phase des Verbraucherinsolvenzverfahrens über den Inhalt eines ihn betreffenden Arbeitsverhältnisses verfügen. Die Zustimmung des Treuhänders ist hierzu nicht erforderlich. § 97 Abs. 2 InsO begründet keine Arbeitspflicht des Schuldners zugunsten der Insolvenzmasse und keine Einschränkung seiner arbeitsvertraglichen Dispositionsbefugnis. § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO bestimmt eine Erwerbsobliegenheit, aber keine Arbeitspflicht des Schuldners. Geht der Schuldner in der sog. Wohlverhaltensperiode keiner angemessenen Erwerbstätigkeit nach, kann ihm nach § 296 InsO die Restschuldbefreiung versagt ­werden.[237]

 

Rz. 213

Richtig ist allerdings, dass mit der Bestellung des Treuhänders gem. § 313 Abs. 1 InsO i.V.m. § 292 InsO gem. § 80 Abs. 1 InsO die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das gesamte Vermögen, soweit es zur Insolvenzmasse gehört, auf den Treuhänder übergeht. Unstreitig gehört zur Insolvenzmasse gem. §§ 35, 36 InsO der pfändbare Anteil des Arbeitseinkommens des Insolvenzschuldners, wobei gem. § 35 Abs. 1 InsO auch der Neuerwerb, d.h. das nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erzielte Arbeitseinkommen, erfasst wird.[238] Über den pfändbaren Anteil des Arbeitseinkommens kann der Insolvenzschuldner nicht mehr frei verfügen. Verfügt er nach der Insolvenzeröffnung gleichwohl ohne Zustimmung des Insolvenzverwalters, ist die Verfügung unwirksam (§ 81 Abs. 1 S. 1 InsO), wobei unter Verfügungen i.S. dieser Vorschrift sämtliche rechtsgestaltenden Handlungen mit verfügendem, d.h. unmittelbar rechtsgestaltendem Charakter, wie z.B. ein Verzicht, fallen.[239] Richtig ist auch, dass § 81 Abs. 2 InsO die Regelung des Abs. 1 dieser Vorschrift sogar für Verfügungen zur Anwendung bringt, welche künftige Forderungen aus einem Dienstverhältnis für die Zeit nach der Beendigung des Insolvenzverfahrens betreffen.

[233] RG v. 26.1.1909 – VII 146/08, RGZ 17, 226, 230.
[235] So auch OLG Düsseldorf v. 23.12.1981 – 3 Ws 243/81, NJW 1982, 1712 zur Arbeitskraft des Schuldners.
[236] Vgl. nur Braun/Bäuerle, InsO, § 35 Rn 80; Uhlenbruck/Hirte, InsO, § 35 Rn 16; MüKo-InsO/Lwowski/Peters, § 35 Rn 436.
[237] BAG v. 20.6.2013 – 6 AZR 789/11, NZA 2013, 1147 = Verbraucherinsolvenz aktuell 2013, 79 m. Anm. Wegener.
[238] Uhlenbruck/Hirte, InsO, § 35 Rn 153; MüKo-InsO/Lwowski/Peters, § 35 Rn 434.
[239] Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 81 Rn 4.

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