Rz. 145

Die anwaltliche und notarielle Tätigkeit eines Anwaltsnotars kann sich im Einzelfall überschneiden. Nach § 24 Abs. 1 BNotO ist ein Notar – ebenso wie ein Rechtsanwalt – auch zur Betreuung der Beteiligten auf dem Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege, insb. zur Anfertigung von Urkundsentwürfen und zur Beratung der Beteiligten berechtigt. Der Notar ist auch, soweit sich nicht aus anderen Vorschriften Beschränkungen ergeben, in diesem Umfang befugt, die Beteiligten vor Gerichten und Verwaltungsbehörden zu vertreten. Die Abgrenzung richtet sich nach § 24 Abs. 2 BNotO.[372] Der Anwaltsnotar hat schon zu Beginn seines Tätigwerdens klarzustellen, ob er als Anwalt oder Notar tätig werden will.[373]

 

Rz. 146

§ 24 Abs. 2 Satz 1 BRAO begründet in unklaren Fällen eine unwiderlegliche Vermutung für das Vorliegen eines Notargeschäfts.[374] Nimmt ein Notar, der zugleich Rechtsanwalt ist, Handlungen der in § 24 Abs. 1 BNotO bezeichneten Art vor, ist danach anzunehmen, dass er als Notar tätig geworden ist, wenn die Handlung bestimmt ist, Amtsgeschäfte der in §§ 20 bis 23 BNotO bezeichneten Art[375] vorzubereiten oder auszuführen.[376] Die Vermutung des § 24 Abs. 2 Satz 1 BNotO greift jedoch nicht ein, wenn die Betreuungstätigkeit als Beitrag zu der Urkundstätigkeit eines anderen (Anwalts-)Notars dient.[377]

 

Rz. 147

Nur wenn nach § 24 Abs. 2 Satz 1 BNotO keine Klarheit zu erzielen ist, bestimmt § 24 Abs. 2 Satz 2 BNotO als Auslegungsregel,[378] dass in allen anderen Fällen im Zweifel anzunehmen ist, dass der Anwaltsnotar als Rechtsanwalt tätig geworden ist.

 

Rz. 148

Derartige Zweifel bestehen nicht, wenn nach den objektiven Umständen, insb. nach der Art der Tätigkeit, eine Aufgabe zu erfüllen ist, die in den Bereich notarieller Amtstätigkeit fällt.[379] Dasselbe gilt, wenn die Parteien einvernehmlich festgelegt haben, dass der Anwaltsnotar – i.R.d. beruflichen Befugnisse – als Rechtsanwalt oder als Notar handeln soll.[380] Allerdings können die Beteiligten und der Anwaltsnotar nicht über zwingende Normen des Berufsrechts verfügen und eine hiervon abweichende Vereinbarung treffen.[381]

 

Rz. 149

Ansonsten ist in allen übrigen – unklaren – Fällen, in denen ein Geschäft sowohl anwaltlicher als auch notarieller Natur sein kann, grds. nach objektiven Maßstäben die Art des ausgeübten Geschäfts das ausschlaggebende Abgrenzungskriterium. Wird ein Anwaltsnotar als einseitiger Vertreter der Interessen eines Beteiligten tätig, handelt er als Rechtsanwalt.[382] Ein Anwaltsnotar wird demgegenüber in seiner Eigenschaft als Notar tätig, wenn er als unparteiischer Mittler zwischen den widerstreitenden Interessen aller Beteiligten auftritt.[383] Zumindest i.R.d. § 24 Abs. 2 Satz 1 BNotO ist auch zu berücksichtigen, wie eine Erklärung des Notars aus der Sicht des Empfängers bei vernünftigem, unvoreingenommenem Verständnis aufzufassen ist. Die Sicht eines Beteiligten kann insb. dann den Ausschlag geben, wenn die Erklärung des Anwaltsnotars sich nach ihrem Inhalt allein an diesen Beteiligten richtet.[384]

 

Rz. 150

Die Abgrenzung zwischen anwaltlicher und notarieller Tätigkeit hängt damit von den Umständen des jeweiligen Falls ab. Wenn ein Anwaltsnotar eine schriftliche Rechtsauskunft mit seinem Notarsiegel versieht, ist regelmäßig davon auszugehen, dass er als Notar tätig geworden ist.[385] Der umgekehrte Schluss ist jedoch nicht berechtigt. Wird einer Erklärung eines Anwaltsnotars das Notarsiegel nicht beigefügt, lässt dieser Umstand allein nicht ohne Weiteres die Annahme zu, der Anwaltsnotar sei als Rechtsanwalt tätig geworden.[386] Auch der Beifügung der Berufsbezeichnung "Rechtsanwalt" ist allein nicht zu entnehmen, dass ein Anwaltsnotar entgegen dem objektiven Erklärungsinhalt nicht als Notar, sondern als Rechtsanwalt tätig geworden ist.[387]

Nach der Rechtsprechung des BGH ist der Anwaltsnotar nicht berechtigt, anstatt der gesetzlich bestimmten Amtsbezeichnung ("Notar") eine andere Bezeichnung ("Notariat") zu verwenden.[388] Weil das Amt des Notars in Niedersachsen als unselbstständiger Nebenberuf ausgeübt wird, darf er gem. § 10 Satz 2 der niedersächsischen AVNot die Bezeichnung "Notar" in Angelegenheiten, die nicht die Ausübung seines Amtes betreffen, nur ergänzend zu der sonst zulässigen Berufsbezeichnung führen. Ist der Notar im Hauptberuf Rechtsanwalt, muss er gem. § 12 Abs. 4 BRAO die Bezeichnung "Rechtsanwalt und Notar" führen. Dies gilt insb. für die Berufsbezeichnung in seinem Briefkopf, sofern er diesen Briefbogen sowohl in Ausübung seines Amts als Notar als auch in sonstigen Angelegenheiten verwendet.[389] Erweckt der Anwaltsnotar entgegen der tatsächlichen Rechtslage den Eindruck, er sei ein hauptberuflicher Notar i.S.d. § 3 Abs. 1 BNotO, handelt es sich zudem um eine amtswidrige irreführende Selbstdarstellung i.S.d. § 29 Abs. 1 BNotO.[390]

 

Rz. 151

Wird ein Anwaltsnotar mit der Anfertigung eines Vertragsentwurfs beauftragt, ist danach zu unterscheiden, ob er im Auftrag nur eines Vertragspartners oder im einvernehmlichen Willen alle...

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