Rz. 76

Besondere Regeln für die Beendigung eines Auftrags gelten, wenn der Rechtsanwalt den Mandanten in einem Rechtsstreit vertreten soll. Grds. ist ein Auftrag mit dem Abschluss einer Instanz beendet, wenn vom Rechtsanwalt keine weiteren Handlungen mehr zu erwarten sind.[227] Von dem Prozessbevollmächtigten ist nach Zustellung des die Instanz abschließenden Urteils zu erwarten, dass er dem Mandanten die Entscheidung übersendet,[228] den Zeitpunkt der Zustellung[229] und den Ablauf der Rechtsmittelfrist mitteilt sowie den Mandanten auf die Rechtsmittelmöglichkeiten[230] hinweist.[231] Die Mitteilungspflicht besteht auch dann, wenn der Rechtsanwalt das Rechtsmittel für aussichtslos hält.[232] Die Prüfung, ob ein Tatbestandsberichtigungsantrag oder eine Rüge nach § 321a ZPO erforderlich sind, die entsprechende Unterrichtung des Mandanten und die Durchführung dieser Maßnahmen gehören noch zum Auftrag des Rechtsanwalts. Auch ohne besonderen Auftrag kann es Aufgabe des Prozessanwalts sein, den Mandanten nach einer die Instanz abschließenden Entscheidung über die Aussichten eines Rechtsmittels zu belehren.[233] Nicht mehr zum Mandat des Berufungsanwalts gehört es hingegen, die materiellen Urteilsgründe einer eingehenden Prüfung zu unterziehen und erfolgversprechende Angriffspunkte für eine Revision herauszuarbeiten.[234] Der Auftrag kann ausnahmsweise nicht als erledigt angesehen werden, wenn im Einzelfall eine Pflicht besteht, innerhalb der Berufungsfrist bei der Partei nachzufragen, ob sie Berufung einzulegen beabsichtige. Eine solche Nachfragepflicht ist regelmäßig zu verneinen. Aufgrund der besonderen Umstände des Falls kann sich jedoch eine nachträgliche Erkundigungspflicht ergeben, wenn der Rechtsanwalt besonderen Anlass hat, den Verlust seiner Mitteilung zu befürchten oder wenn ihm der Standpunkt der Partei, unter allen Umständen ein Rechtsmittel einlegen zu wollen, bereits bekannt ist.[235] Ein Anwaltsvertrag ist ferner dann beendet, wenn er nicht durch ein Urteil abgeschlossen wird, sondern die Parteien einen Vergleich geschlossen haben. Ein abschließender Termin- oder Prozessbericht gehört in keinem Fall zur Durchführung des Auftrags, sondern ist lediglich dessen Folge.[236] Auch Vollstreckungsmaßnahmen im Anschluss an einen Rechtsstreit können noch von einem einheitlichen Auftrag umfasst sein, wenn ein enger zeitlicher Zusammenhang mit der Prozessvertretung besteht. Die Aufzählung dessen, was gebührenrechtlich zum selben Rechtszug gehört (§§ 16 und 19 RVG), lässt keinen Rückschluss auf den Beendigungszeitpunkt zu.

 

Rz. 77

Der vorbezeichnete Grundsatz, wonach ein Prozessmandat regelmäßig mit der die Instanz abschließenden Entscheidung beendet ist, wird durchbrochen, wenn der erstinstanzliche Anwalt auch in der Rechtsmittelinstanz auftreten soll. Ist der beauftragte Rechtsanwalt (bzw. ein anderes Mitglied der beauftragten Sozietät) ebenfalls bei dem Rechtsmittelgericht zugelassen und sein Auftrag nicht ausdrücklich auf die Vertretung im ersten Rechtszug beschränkt, ist das Mandatsverhältnis zwischen Partei und Rechtsanwalt mit dem Abschluss der Instanz noch nicht beendet. Die Einlegung der Berufung stellt sich in diesem Fall nicht als Ausführung eines neuen Auftrags, sondern als Fortführung einer "schwebenden Angelegenheit" dar. Der Wille einer Partei, die einen Rechtsstreit einleiten will oder in einen Rechtsstreit einbezogen wird und einen Rechtsanwalt mit ihrer Vertretung beauftragt, geht in aller Regel dahin, dass dieser sie in der Rechtssache bis zu ihrem endgültigen Abschluss vertritt, soweit seine Postulationsfähigkeit reicht.[237]

 

Rz. 78

Dasselbe gilt, wenn der erstinstanzliche Anwalt die Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels überprüfen und/oder den am Rechtsmittelgericht zugelassenen Rechtsanwalt auswählen und beauftragen soll, den Mandanten in der höheren Instanz zu vertreten.[238] Ist der erstinstanzliche Anwalt in die vorbereitenden Maßnahmen der Partei zur Beauftragung eines Rechtsmittelanwalts einbezogen, endet sein Mandat erst mit der Annahme des Vertretungsauftrags durch den Rechtsmittelanwalt oder der eindeutigen Erklärung ggü. dem Mandanten, bei der Beauftragung des Rechtsmittelanwalts nicht mehr mitzuwirken.[239] Bei der Erteilung des Auftrags zur Rechtsmitteleinlegung muss sich der Anwalt notfalls durch telefonischen Anruf rechtzeitig vor Fristablauf davon überzeugen, ob der Auftrag eingetroffen und ob er angenommen worden ist.[240] Diese Pflicht des Prozessanwalts, in eigener Verantwortung geeignete und verlässliche Maßnahmen zu treffen, die eine zuverlässige Information über den Lauf der Rechtsmittelfrist gewährleisten, trifft auch den Verkehrsanwalt, der es übernommen hat, den Berufungsanwalt zu beauftragen.[241]

 

Rz. 79

Soll der beauftragte Rechtsanwalt weiterhin den Verkehr zwischen der Partei und dem Prozessbevollmächtigten führen, besteht das Mandat – mit geändertem Inhalt – fort. Selbst wenn ein Rechtsanwalt, der nicht zum Verkehrsanwalt bestellt ist, nach Erlass eines erstinstanz...

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