Rz. 321

Aufgrund seiner Stellung als gesetzlicher Vertreter des beauftragten Rechtanwalts scheidet eine Eigenhaftung des Vertreters ggü. dem auftraggebenden Mandanten regelmäßig aus.[752]

 

Rz. 322

Der bestellte Vertreter haftet hingegen nach allgemeinen Grundsätzen, wenn er einen eigenen Anwaltsvertrag mit dem Auftraggeber des Vertretenen abgeschlossen hat oder wenn er in den Vertrag zwischen dem Auftraggeber und dem vertretenen Rechtsanwalt eingetreten ist.[753]

 

Rz. 323

In besonderen Ausnahmefällen kann eine Eigenhaftung des bestellten Vertreters ggü. dem Mandanten nach den Grundsätzen der Sachwalterhaftung (zur Eigenhaftung des angestellten Rechtsanwalts bzw. des freien Mitarbeiters vgl. Rdn 310 ff.) in Betracht kommen. In einem Ausnahmefall[754] wurde ein amtlich bestellter Vertreter nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) so behandelt, als ob er eigene Anwaltspflichten ggü. dem Auftraggeber des Vertretenen übernommen habe. Die Gesamtheit der Umstände hätten im entschiedenen Fall den Vertreter so nahe an die Stellung des vom Mandanten selbst beauftragten Rechtsanwalts herangerückt, dass es recht und billig erscheine, ihn wie einen solchen Rechtsanwalt zu behandeln. Der Vertreter habe sich der Sache nach wie ein Abwickler (vgl. Rdn 329 ff.) einer Rechtsanwaltskanzlei verhalten, der nach § 55 Abs. 2 Satz 4 BRAO als von der Partei bevollmächtigt gilt. Des Weiteren habe allein der Vertreter Einfluss auf das Mandat des Auftraggebers gehabt. Schließlich habe der Vertreter ähnlich einem Sachwalter in besonderem Maße das persönliche Vertrauen des Auftraggebers in Anspruch genommen (vgl. Rdn 311).[755] Dieser Ausnahmefall darf nicht verallgemeinert werden, da die Eigenhaftung auf den Fall der Sachwalterhaftung beschränkt bleiben muss, anstatt auf nur schwer vorhersehbare Billigkeitsüberlegungen abzustellen.

 

Rz. 324

Der bestellte Vertreter ist – wie der Vertretene – dafür verantwortlich, dass die Bestellung wirksam ist.[756] Der Vertreter muss auch beachten, dass er die Grenzen seines Vertretungsverhältnisses nicht überschreitet. Nach § 53 Abs. 7 BRAO stehen dem Vertreter nämlich nur die anwaltlichen Befugnisse des Rechtsanwalts zu, den er vertritt.

 

Rz. 325

Der Vertreter ist ferner verpflichtet sicherzustellen, dass das Vertretungsverhältnis nach außen zum Ausdruck kommt und die von ihm vorgenommenen Verfahrenshandlungen wirksam sind. Allerdings sind die Anforderungen der Rechtsprechung hieran nicht allzu streng. Prozesshandlungen des Vertreters sind auch ohne die Anzeige oder den Nachweis einer konkreten Verhinderung des Vertretenen wirksam.[757] Durch die Ausdehnung der Postulationsfähigkeit auf alle Land- und Oberlandesgerichte hat die Rechtsprechung zu den Anforderungen an die Kenntlichmachung der Vertreterstellung bei fehlender eigener Postulationsfähigkeit[758] ihre Bedeutung verloren, sofern nicht (von Amts wegen) gem. § 53 Abs. 4 Satz 2 BRAO ein dort genannter "Nichtanwalt" zum Vertreter bestellt wird.

 

Rz. 326

Bei einem Verstoß gegen diese Pflichten kommt gleichwohl – von den vorbeschriebenen Ausnahmen abgesehen – eine Eigenhaftung des Vertreters ggü. dem Auftraggeber nicht in Betracht. Vielmehr hat der Auftraggeber nur einen Schadensersatzanspruch gegen den von ihm beauftragten Rechtsanwalt. Dieser muss für das Verschulden seines Vertreters nach § 278 BGB einstehen.

 

Rz. 327

Dem Vertretenen kann ein Ausgleichsanspruch gegen den Vertreter im Innenverhältnis zustehen, der sich nach allgemeinen Grundsätzen (§ 280 Abs. 1 BGB) richtet. Wenn der Vertretene den Vertreter bestellt hat, kann das Innenverhältnis ein Gesellschaftsvertrag (§ 705 BGB bzw. § 1 Abs. 4 PartGG), Arbeitsvertrag (§ 611 BGB), Geschäftsbesorgungsvertrag (§§ 675 Abs. 1, 611 BGB) oder Auftrag (§ 662 BGB) sein. Wenn der Vertreter von der Rechtsanwaltskammer bestellt wird und kein Vertragsverhältnis zu dem Vertretenen besteht, richtet sich das Innenverhältnis nach § 53 Abs. 9, 10 BRAO. Gem. § 53 Abs. 9 BRAO wird der Vertreter in eigener Verantwortung, jedoch im Interesse, für Rechnung und auf Kosten des Vertretenen tätig. Die §§ 666, 667 und 670 BGB gelten entsprechend. Auch aufgrund dieses gesetzlichen Schuldverhältnisses ist der Vertreter ggü. dem Vertretenen verpflichtet, den ihm obliegenden Pflichten ordnungsgemäß nachzukommen.

[752] OLG Köln, VersR 1997, 619.
[753] OLG Köln, VersR 1997, 619.
[754] OLG Frankfurt, NJW 1986, 3091.
[755] Vgl. auch OLG Köln, VersR 1997, 619.
[756] BGH, MDR 1982, 998; OLG München, MDR 1987, 590 – jeweils zu §§ 233, 85 Abs. 2 ZPO.
[757] BGH, NJW 1975, 542; BGH, NJW 1981, 1740, 1741.
[758] Vgl. zur früheren Rechtslage: BGH, NJW 1975, 542; BGH, NJW 1981, 1740, 1741; BGH, NJW 1991, 1175; BGH, NJW 1993, 1925; BGH, NJW 1999, 365; BGH, NJW 2005, 3415; OLG München, AnwBl. 1985, 589; differenzierend OLG München, MDR 1995, 318; OLG Koblenz, VersR 1991, 1034.

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