Rz. 92

Wenn der Vertragsschluss auf eine gerichtliche Beiordnung des Rechtsanwalts zurückgeht (vgl. auch Rdn 192 ff.), kann dieser den Anwaltsvertrag wegen des dadurch begründeten Kontrahierungszwangs nicht ohne Weiteres kündigen.[275] Dann muss der Rechtsanwalt zunächst die Aufhebung der Beiordnung gem. §§ 48 Abs. 2, 49 Abs. 2 BRAO beantragen. Voraussetzung ist, dass ein wichtiger Grund vorliegt, also etwa das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant nachhaltig und tief greifend gestört ist. Dabei ist ein strenger Maßstab anzulegen, wegen der der Partei drohenden Nachteile, die mit der Entpflichtung verbunden wären. Denn wenn die Partei ihren beigeordneten Anwalt verliert, ohne einen anderen beigeordnet zu bekommen, weil sie das Vertrauensverhältnis durch sachlich nicht gerechtfertigtes und mutwilliges Verhalten zerstört hat, läuft sie Gefahr, den Rechtsstreit durch Versäumnisurteil zu verlieren. Dies kann sie nur dann noch dadurch vermeiden, dass sie einen zur Vertretung bereiten Anwalt findet, der auf die vom bisher beigeordneten Anwalt verdienten Gebühren verzichtet oder den sie selbst bezahlt. Nicht jede unangemessene Äußerung, die sich auf die konkrete Vorgehensweise des Rechtsanwalts und nicht etwa seine Person oder Qualifikation bezog, kann damit bereits die Annahme eines tief greifenden Vertrauensverlustes rechtfertigen – insb. wenn die Partei ggü. dem Gericht geltend macht, weiter von dem beigeordneten Anwalt vertreten werden zu wollen.[276]

Da der Kontrahierungszwang nur für den Rechtsanwalt gilt, ist der Mandant in seinen Kündigungsmöglichkeiten nicht beschränkt.

[275] Borgmann/Jungk/Schwaiger, § 15 Rn 105.
[276] BGH, 15.9.2010 – IV ZR 240/08, JurionRS 2010, 24210 = RVGreport 2011, 37.

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