Rz. 14

1.

Das vereinfachte Verfahren erweist sich für die Parteien, aber auch für die Anwälte, oft als sehr unbefriedigend. Der Anwalt erhält aufgrund des geringen Streitwerts oft keine attraktive Vergütung, muss aber wegen der Ausschlussfrist besonders sorgfältig arbeiten. Die Möglichkeit, ergänzend vorzutragen, wie nach einem frühen ersten Termin oft gehandhabt, entfällt. Vor diesem Hintergrund ist es hier besonders wichtig, die Rechtslage ausgiebig geprüft zu haben und sie ausführlich darzulegen, da die Entscheidung des Gerichts in der Regel ohne vorheriges Signal und damit ohne jede Chance, das Gericht durch Argumentation von einer falschen Rechtsaufassung abzubringen, ergeht.

Hinzu kommt, dass auch noch so falsche Urteile im Hinblick auf § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht im Berufungsrechtszug korrigiert werden können. Von der Möglichkeit, auch bei Streitwerten unter 600 EUR die Berufung zuzulassen (§ 511 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) wird im vereinfachten Verfahren selten Gebrauch gemacht.

 

Rz. 15

2.

Die Vorschrift des § 495a ZPO verlangt nicht, dass das Gericht das vereinfachte Verfahren durch Beschluss anordnet. Häufig erteilt das Gericht allerdings einen entsprechenden Hinweis. Das BVerfG hat in diesem Zusammenhang entschieden, dass ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG vorliegt, wenn das Gericht nach § 495a ZPO vorgeht, d.h. ohne mündliche Entscheidung entscheidet, ohne die Parteien zuvor darauf aufmerksam gemacht zu haben.[1] Hierdurch werde der Partei die Chance genommen, gem. § 495a S. 2 ZPO Antrag auf mündliche Verhandlung zu stellen. Als Verstoß gegen den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs hat es das BVerfG auch angesehen, wenn das Gericht einen Antrag auf mündliche Verhandlung ignoriert.[2] Das BVerfG ist in diesem Verfahren also quasi die Zweite Instanz.

 

Rz. 16

3.

Seit dem 2. KostRMoG sind Verfahren mit geringen Streitwerten zwar für die Anwälte etwas weniger unrentabel geworden. Damit unmittelbar einher geht jedoch, dass die Gesamtkosten bei Streitwerten bis 600 EUR den Streitwert übersteigen. Das führt dazu, dass selbst eine Vergleichsquote von 50 % zu einem wirtschaftlichen Nachteil bei beiden Parteien führt, jedenfalls sofern sie nicht vorsteuerabzugsberechtigt sind. Um der absehbaren Unzufriedenheit des Mandanten mit dem wirtschaftlichen Ergebnis entgegenzutreten, empfiehlt es sich, in dieser Größenordnung nur Prozesse mit überdurchschnittlich guten Erfolgsaussichten zu führen und in jedem Fall deutlich auf das Kostenrisiko hinzuweisen. Eine außergerichtliche Einigung, selbst mit ungünstiger Quote, ist hier meistens die bessere Lösung.

[1] BVerfG v. 18.11.2008 – BvR 290/08.
[2] BVerfG v. 5.4.2012 – BvR 2126/11.

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