Rz. 12

Ebenso akribisch sollte der Berater bei Erfassung des Vermögens des Erblassers vorgehen. Bei Aufstellung des Nachlassverzeichnisses sollte nach Immobilien, Geld und sonstigem Vermögen differenziert werden. Ebenso erfasst werden sollten Lebensversicherungen und Verträge zugunsten Dritter auf den Todesfall. In Bezug auf die Lebensversicherungen sollte die Art der Versicherung, die Versicherungssumme sowie die beteiligten Personen (Versicherungsnehmer, versicherte Person und bezugsberechtigte Person) festgehalten werden. Selbstredend ist natürlich auch eine detaillierte Aufstellung der Verbindlichkeiten zu erarbeiten.

 

Rz. 13

Die einzelnen Vermögensgegenstände sind den Eheleuten bzw. Lebenspartnern konkret zuzuordnen. Es ist festzuhalten, wer im Grundbuch als Eigentümer einer Immobilie steht und/oder auf welchen Namen vorhandene Bankkonten laufen. Abzuklären ist weiterhin die Frage der Vererblichkeit des Vermögens. Handelt es sich beispielsweise bei bestimmten Vermögensgegenständen nur um Vorerbenvermögen, dann kann der Erblasser selbst hierüber nicht verfügen. Höchstpersönliche Rechte können ebenfalls nicht vererbt werden.

Im Weiteren hat der Berater sein Augenmerk darauf zu richten, ob sich Grundbesitz im Ausland befindet. Hier kann es möglicherweise zu einer so genannten Nachlassspaltung kommen, wenn das ausländische Erbrecht das so genannte "lex rei sitae" (Recht des Lageortes oder Belegenheitsstatut) vorsieht. Zu beachten ist hierbei aber auch die EU-Erbrechtsverordnung, die auf alle Erbfälle ab 17.8.2015 anzuwenden ist (siehe hierzu Rdn 7).

 

Rz. 14

Besondere Vorsicht ist geboten, wenn es sich bei dem Mandanten um einen Unternehmer handelt. Bei Erfassung des Vermögens ist streng zwischen Privat- und Betriebsvermögen zu unterscheiden. Hier gelten sowohl in zivilrechtlicher als auch in steuerlicher Hinsicht Sondervorschriften.

 

Rz. 15

Abschließend hat hinsichtlich der jeweiligen Vermögensgegenstände eine steuerliche Qualifizierung zu erfolgen. Auch an dieser Stelle ist zwischen Privat- und Betriebsvermögen zu unterscheiden. Dies spielt nicht nur für die Berechnung der Erbschaftsteuer eine Rolle, sondern auch für die erbrechtliche Gestaltung sowie i.R.d. Einkommensteuerrechts.

Bei Mandatsaufnahme hat der Berater den Mandanten nicht nur nach seinem tatsächlichen Vermögen, sondern auch nach Vorempfängen zu befragen.

1. Tatsächliches Vermögen ("Ist-Vermögen")

 

Rz. 16

Ist-Vermögen umfasst das derzeitige Vermögen des Erblassers und das zum Zeitpunkt des Erbfalls vorhandene Vermögen.

2. Vorempfänge ("fiktives Vermögen")

 

Rz. 17

Es ist für den Berater unerlässlich, exakt festzustellen, welche lebzeitigen Zuwendungen der Mandant an seine Abkömmlinge, seinen Ehegatten bzw. Ex-Ehegatten oder an Dritte vorgenommen hat. Zum einen spielen diese Vorempfänge im Rahmen von Pflichtteilsergänzungsansprüchen eine Rolle, zum anderen sind Vorempfänge möglicherweise unter Abkömmlingen auszugleichen (§§ 2050 ff. BGB). Bei Zuwendungen nach § 2050 Abs. 1 BGB (Ausstattungen gem. § 1624 BGB) und § 2050 Abs. 2 BGB (Übermaßausbildung) handelt es sich um sog. geborene Ausgleichungstatbestände, da diese von ihrem Wesen her immer auszugleichen sind. Es sei denn, es liegt eine anders lautende Anordnung des Erblassers vor. Bei den sonstigen Zuwendungen i.S.d. § 2050 Abs. 3 BGB spricht man von einer "gekorenen" Ausgleichung, da die Ausgleichung nur dann vorzunehmen ist, wenn diese ausdrücklich durch den Erblasser angeordnet wurde.[7] Zudem sind die Vorempfänge zur Ermittlung von Pflichtteilsansprüchen nach den §§ 2315, 2316 BGB von Bedeutung.

 

Rz. 18

Festzuhalten ist des Weiteren immer auch die Frage, von wem der jeweilige Vorempfang herrührt. Im Grundsatz sind immer nur die Vorempfänge des direkten Erblassers zur Ausgleichung zu bringen. Haben die Eheleute aber ein Berliner Testament errichtet und ihre Kinder zu Schlusserben mit gesetzlicher Erbquote eingesetzt, so gilt der sog. erweiterte Erblasserbegriff[8] im Rahmen der Ausgleichung nach §§ 2050 ff. BGB. Danach sind auch diejenigen Vorempfänge auszugleichen, die der jeweilige Abkömmling vom Erstverstorbenen erhalten hat. Der vorverstorbene Ehegatte wird bei Eintritt des Schlusserbfalls auch als Erblasser i.S.d. Ausgleichungsvorschriften angesehen.[9] Allerdings ist zu beachten, dass der erweiterte Erblasserbegriff nicht bei der Berechnung des Pflichtteils nach § 2315 BGB und § 2316 BGB gilt.

 

Praxistipp

Um die Ziele des Mandanten sicher und klar im Rahmen einer Verfügung von Todes wegen umzusetzen, ist die konkrete Kenntnis und Berücksichtigung von Vorempfängen unerlässlich!

[7] Kerscher/Riedel/Lenz, Pflichtteilsrecht in der anwaltlichen Praxis, § 5 Rn 24.
[8] BGHZ 88, 102.

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