Rz. 218

Einem Fahrzeughalter kann gem. § 31a StVZO durch die zuständige Verwaltungsbehörde die Führung eines Fahrtenbuchs auferlegt werden, wenn die Feststellung des Fahrzeugführers nach einer Verkehrsordnungswidrigkeit oder nach einer Verkehrsstraftat nicht möglich ist. Dies gilt auch, wenn ein Amtsgericht den Betroffenen wegen fehlender Überzeugung von der Täterschaft freispricht.[487]

 

Rz. 219

In jedem Fall muss jedoch die Anordnung zur Führung eines Fahrtenbuchs verhältnismäßig sein. Es ist also zu prüfen, ob der Verstoß des Fahrers so erheblich ist, dass ein verhältnismäßig so schwerer Eingriff wie die Führung eines Fahrtenbuchs veranlasst ist.[488] Auf ein Verschulden des Halters an der Nichtfeststellbarkeit kommt es hingegen nicht an.[489] Auch können nachträglich ergriffene organisatorische Maßnahmen für eine künftige Fahrerermittlung geeignet sein, die Anordnung unverhältnismäßig erscheinen zu lassen. Eine bloße Absichtserklärung reicht hierfür jedoch nicht aus.[490]

 

Rz. 220

Unwesentliche Verkehrsordnungswidrigkeiten können eine Fahrtenbuchauflage beim Erstverstoß nicht auslösen.[491] Bei mehreren geringfügigen Ordnungswidrigkeiten kann allerdings die Führung eines Fahrtenbuchs in Betracht kommen.[492] Dies gilt vor allem, wenn für den Wiederholungsfall schon einmal eine Fahrtenbuchauflage angedroht worden ist. Bei erstmaligen Verstößen gegen die Straßenverkehrsordnung, die erheblich sind, kann sofort eine Fahrtenbuchauflage in Betracht kommen, wenn der Täter nicht ermittelt werden konnte.[493]

 

Rz. 221

So soll auch eine einmalige Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 27 km/h die Führung eines Fahrtenbuches rechtfertigen,[494] genauso wie ein einmaliger Rotlichtverstoß.[495] Zum Teil soll bereits eine erstmalige, unaufgeklärte Geschwindigkeitsüberschreitung von mehr als 20 km/h ausreichen.[496] Dies soll auch für einen nicht qualifizierten Rotlichtverstoß gelten, wenn also der Fahrer die Haltelinie unter einer Zeit von 1,0 Sekunden nach Beginn der Rotlichtphase passiert hat.[497]

 

Rz. 222

Die Rechtsprechung ist regional außerordentlich unterschiedlich. Allerdings ist eine Tendenz erkennbar, wonach zunehmend die Verhängung einer Fahrtenbuchauflage erleichtert wird. Das BVerwG hat in einer richtungsweisenden Entscheidung einen Überholverstoß ohne Gefährdung für so gewichtig eingestuft, dass schon bei erstmaliger Begehung eine Fahrtenbuchauflage als gerechtfertigt angesehen wurde.[498] Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass auch das BVerwG in der Begründung zum Ausdruck bringt, dass sich die Verwaltungsbehörde am Mehrfachtäterpunktsystem orientieren könne; immer dann, wenn zumindest ein Punkt vergeben werde, könne dies für die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage ohne Vorwarnung ausreichen.

 

Rz. 223

Als Kriterium für die Dauer der Fahrtenbuchauflage ist das Gewicht der Verkehrszuwiderhandlung zu würdigen.[499] Bei sehr schweren Verstößen kommt u.U. eine mehrjährige Fahrtenbuchauflage in Frage.[500] Auch bei einem nur saisonal genutzten Motorrad kommt eine verlängerte Zeit in Betracht, insbesondere wenn die Auflage sonst in die Abmeldezeit fiele und somit leer liefe.[501] Bei mehreren nicht aufgeklärten Verkehrsverstößen mit verschiedenen auf einen Halter zugelassenen Firmenfahrzeugen kann eine Fahrtenbuchauflage für den gesamten Fahrzeugpark gerechtfertigt sein,[502] jedoch sind dann besonders hohe Anforderungen an die Begründung der Behörde geknüpft, weshalb das Fahrtenbuch nicht nur für das betroffene Fahrzeug zu führen ist.[503] Ist der Betroffene nicht mehr Halter des Kfz, kann sich das Fahrtenbuch auf ein Ersatzfahrzeug beziehen.[504] Sofern der Zeugenfragebogen sich an eine juristische Person richtet und nicht an den Geschäftsführer, muss die Halterin dennoch mitwirken und Auskünfte erteilen. Im Rahmen der Unternehmensorganisation hat sie nämlich sicherzustellen, dass das Schreiben intern an die zuständige Stelle weitergeleitet wird.[505]

 

Rz. 224

Übrigens hat das BVerwG[506] in der vorgenannten Entscheidung noch einmal klargestellt, dass ein Zeugnis- oder Aussageverweigerungsrecht die Verhängung einer Fahrtenbuchauflage nicht verhindert. Lehnt der Kfz-Halter unter Berufung auf sein Zeugnisverweigerungsrecht die Mitwirkung an der Aufklärung des Verkehrsverstoßes ab, so ist die Polizei nicht verpflichtet, wahllos Zeit raubende, kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen zu betreiben. Wenn allerdings aufgrund des Messfotos Anhaltspunkte für die Täterschaft einer bestimmten Person bestehen, muss dem nachgegangen werden.[507] Wenn durch die Fahrtenbuchführung nahe Angehörige des Kfz-Halters konkret belastet werden, ist dies unschädlich.[508]

 

Rz. 225

In einer weiteren Entscheidung hat das BVerwG entschieden, dass selbst dann noch die Anordnung eines Fahrtenbuchzwangs in Betracht kommt, wenn zwischen dem Verkehrsverstoß und der endgültigen Entscheidung des Verwaltungsgerichts mehr als drei Jahre liegen und die Behörde keine sofortige Vollziehung angeordnet hat.[509] Ist vom Z...

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