Rz. 179

Die Bußgeldkatalogverordnung hat zum 1.5.2014 im Wege der VZR-Reform umfangreiche Veränderungen erfahren.[381] Zuletzt wurden im November 2021 die Bußgelder erheblich angehoben, wohingegen die Fahrverbotsgrenzen unverändert geblieben sind. Die Eintragungsgrenze ins FAER liegt derzeit bei 60 EUR; die Bußgelderhöhungen für qualifizierende Tatbestände wurden entsprechend an den eintragungsfähigen Bereich angeglichen. Die Abstandsverstöße sind nunmehr in drei Geschwindigkeitskategorien unterteilt, um zwischen solchen mit und ohne Fahrverbot unterscheiden zu können. Hierbei handelt es sich jedoch lediglich um eine Neugliederung ohne Änderung der Regelahndung.

 

Rz. 180

Über die Punkteeintragung selbst kann der Richter nicht entscheiden, sie folgt vielmehr der Ahndung nach. Insofern ist die Verwarngeldobergrenze von 55 EUR ausschlaggebend dafür, ob der Verstoß ins FAER eingetragen und bepunktet wird, § 28 Abs. 3 Nr. 3 a) bb) StVG. Für einfache Ordnungswidrigkeiten gibt es einen Punkt, groben Pflichtverstößen mit einem Regelfahrverbot – außer bei Beharrlichkeit – folgen zwei Punkte nach und strafrechtlichen Entscheidungen mit einer Fahrerlaubnisentziehung oder isolierter Sperre gar drei Punkte, § 4 Abs. 2 StVG.

 

Rz. 181

Wiederholte Verstöße lösten bereits nach altem Recht weitere Maßnahmen aus. Standen diese noch unter dem Stern der Warn- und Erziehungsfunktion, haben sie nunmehr lediglich Informationscharakter.[382] Laut § 4 Abs. 5 StVG soll der Inhaber der Fahrerlaubnis bei 4–5 Punkten schriftlich ermahnt und bei 6–7 Punkten schriftlich verwarnt werden. Bei 8 Punkten oder mehr ist die Fahrerlaubnis zu entziehen. Gem. § 41 Abs. 1 FeV muss die Maßnahme schriftlich unter Angabe der begangenen Zuwiderhandlung erfolgen.

 

Rz. 182

Die Maßnahmen bauen zwingend aufeinander auf und dürfen nicht übersprungen werden, § 4 Abs. 6 StVG. Die Behörde darf danach selbst bei einer Punktezahl über den o.g. Grenzen des Abs. 5 nur die nächst anstehende Maßnahme ergreifen. Der Stand reduziert sich auf fünf bzw. auf sieben Punkte. Dies ist für den Betroffenen grundsätzlich positiv zu werten, jedoch ist laut dem nachträglich eingeführten S. 3 der Norm[383] auf den Zeitpunkt abzustellen, an welchem die Behörde Kenntnis von den Punkten erhält. Die Fahrerlaubnisbehörde hat die Richtigkeit der Punktebewertung eigenständig zu prüfen; die Eintragung stellt keinen Verwaltungsakt dar.[384] Falls die Behörde also auf eine rechtskräftige Eintragung hin ermahnt oder verwarnt, erhöhen alle nachträglich zur Rechtskraft erstarkten Eintragungen das Punktekonto.

Beachtlich ist hierbei, dass der Grundsatz des Tattagprinzips vom absoluten Verwertungsverbot des § 29 Abs. 7 S. 1 StVG überlagert wird:[385] Liegt der Zeitpunkt der Löschung nach dem Tattag, aber vor Ergreifen der Maßnahme, darf die Eintragung nicht mehr zulasten des Betroffenen berücksichtigt werden.

 

Rz. 183

 

Praxistipp

Der Verteidiger hat folglich stets zu prüfen, ob die Maßnahmenkaskade des § 4 Abs. 5 StVG eingehalten wurde. Meist wird sich der Mandant an diese behördlichen Schreiben nicht erinnern, weshalb immer das FAER hierzu einzusehen ist.

Darüber hinaus ist der Mandant auch nach weiteren noch nicht rechtskräftigen Verstößen zu befragen, von denen die Fahrerlaubnisbehörde noch keine Kenntnis hat. Aufgrund der o.g. Durchbrechung des Tattagprinzips ist eine prozessual zulässige Verzögerung der neuen Eintragung bei einem kritischen Bestand von "Altpunkten" unbedingt zu erwägen.

 

Rz. 184

 

Zeitgleiche Rechtskraft mehrerer Bescheide:

Vorsicht beim "Jonglieren" mit der Rechtskraft von mehreren eintragungspflichtigen Bußgeldbescheiden. Sofern diese sich bereits im roten Bereich (d.h. in Richtung 8 Punkte) bewegen, kann nur stillgehalten und gehofft werden, dass die Maßnahmenergreifung erst zum Zeitpunkt der letzten Mitteilung erfolgt. Eine aktive Unterrichtung der Fahrerlaubnisbehörde wäre hier fatal:

Insbesondere wenn mehrere Verfolgungsbehörden zuständig sind, erfolgt die Unterrichtung des Kraftfahrtbundesamtes und die sich anschließende Information an die Fahrerlaubnisbehörde selbstständig. Dies kann zu zeitlichen Verzögerungen führen.[386] Eine Vorabinformation der Verteidigung über die gleichzeitige Rechtskrafterstarkung gegenüber der Behörde führt weder zur "Kenntnis" i.S.d. § 4 Abs. 5 S. 3 StVG, noch beschleunigt sie bei Unterrichtung des Kraftfahrtbundesamtes die dortige Sachbearbeitung. Vielmehr wird die Fahrerlaubnisbehörde dann besonders sensibilisiert, auf das "Eintröpfeln" der Eintragungen zu achten und die Maßnahmenkaskade auszulösen.

 

Rz. 185

Bei Tateinheit richtet sich die Punkteeintragung gem. § 4 Abs. 2 S. 5 StVG nach dem Verstoß mit der höchsten Punktzahl. Bei Tatmehrheit findet hingegen eine Addition statt, jedoch fällt der Betroffene dann auch hier gem. § 4 Abs. 6 StVG mit der nächsten Maßnahme zurück auf fünf bzw. auf sieben Punkte.

 

Rz. 186

Die Tilgung erfolgt für Eintragungen mit einem Punkt in zweieinhalb Jahren, für Eintragungen mit zwei Punkten in fünf und im Übrigen in zehn Ja...

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