Rz. 72
Mit der o.g. Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts dürfte auch geklärt sein, dass die Verteidigung grundsätzlich einen Anspruch auf Übermittlung von tatsächlich gespeicherten Rohmessdaten an einen Sachverständigen zum Zwecke der Überprüfung der Messung hat.
Praxistipp
Sofern das Messverfahren Daten speichert, sind Auskunftsanträge auch hier rechtzeitig vor der Hauptverhandlung zu stellen. Ein erstmaliger Antrag auf Auskunft in der Hauptverhandlung ist verspätet und die Rechtsbeschwerde absehbar zum Scheitern verurteilt.
Bei verweigerter Auskunft ist eine gerichtliche Entscheidung gem. § 62 OWiG zu erwirken. Bleibt die Auskunft bis zur Gerichtsverhandlung aus, sind dann die Aussetzung des Verfahrens (schriftlich!) zu beantragen und der sachliche Zusammenhang und die Relevanz der Auskünfte für den konkreten Messvorgang zu begründen. Hierzu wird auf die Ausführungen zu den jeweiligen Messverfahren im zweiten Teil des Buches verwiesen.
Zudem ist vorsorglich auch beim Amtsgericht die Herausgabe der erforderlichen Daten zu beantragen. Fraglich ist, ob ein abweisender Beschluss des Landgerichts hierauf der Beschwerde wegen § 305 S. 1 StPO entzogen ist. Einige Beschwerdegerichte bejahen die Zulässigkeit.[168] Daher läuft die Verteidigung Gefahr, sich ohne diesen zusätzlichen "Schlenker" in der Rechtsbeschwerdeinstanz dem Vorwurf auszusetzen, nicht alle Möglichkeiten der Auskunftserlangung bemüht zu haben. Abhängig von der Rechtsprechungspraxis im jeweiligen OLG-Bezirk wird ein Auskunftsantrag hier also nicht nur gegenüber der Behörde, sondern auch vorab gegenüber dem Amtsgericht zu stellen sein.
Zudem hat sich die Verteidigung vorsorglich auch über die erste Instanz hinaus nachweislich um die Herausgabe der Daten zu bemühen.
Es ist abzusehen, dass sich die Auskunftserteilung in der Praxis zunehmend ändern wird. Sofern Behörden dennoch die Auskunft verweigern, ist ab einer gewissen Festigung dieser Praxis anzudenken, ob willkürliches Handeln vorliegt, welches eine Verfahrenseinstellung aus Opportunitätsgesichtspunkten rechtfertigt.
Rz. 73
Jedoch gibt es keinen Anspruch auf Schaffung neuer Daten. Dies hatte der Verfassungsgerichtshof des Saarlandes zwischenzeitlich für rechtsstaatlich erforderlich erachtet,[169] jedoch lehnten die Oberlandesgerichte dies in der Folge einhellig ab.[170] Das Bundesverfassungsgericht ist hierauf nicht konkret eingegangen, hatte jedoch ausdrücklich festgestellt, dass ein Informationsanspruch sich auf vorhandene Daten bezieht.[171] Aus nachvollziehbaren Gründen dürfen Messverfahren kritisch betrachtet werden, welche zur Überprüfbarkeit geeignete Daten nicht speichern, obwohl dies möglich wäre.[172]
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