Rz. 24

Der Betroffene ist verpflichtet, Maßnahmen zur Identitätsfeststellung zu dulden. So hat er der Aufforderung nachzukommen, die Brille abzunehmen oder die Haare aus der Stirn zu nehmen, den Kopf zu wenden etc. Diese Maßnahmen können unter Umständen sogar zwangsweise vorgenommen werden, § 46 OWiG i.V.m. § 81a StPO.[43] Eine erkennungsdienstliche Behandlung außerhalb der Hauptverhandlung ist unverhältnismäßig, soll jedoch ohne erkennbare Willkür nicht zu einem Beweisverwertungsverbot führen.[44]

Das Tatgericht hatte früher grundsätzlich die charakteristischen Identifizierungsmerkmale sowie die Art und das Maß der Übereinstimmung der jeweils festgestellten Merkmale darzulegen.[45] Es waren nähere Angaben zu machen über konkrete anatomische Einzelmerkmale, z.B. runde oder ovale Kopfform, breite oder schmale Lippen, hochgezogene oder niedrigere Augenbrauen. Aber auch allgemeine Merkmale mussten angegeben werden, wie Augen- und Nasenpartie sowie Haaransatz.[46] Das Gericht musste im Urteil grundsätzlich ausführlich darlegen, inwieweit etwa die Physiognomie und die Haltung des Betroffenen mit derjenigen des auf dem Lichtbild abgebildeten Fahrers übereinstimmen.[47]

 

Rz. 25

Der BGH ist von dieser generellen detaillierten Beschreibung der charakteristischen Merkmale abgerückt. Die Darlegungslast im Urteil orientiert sich nunmehr einzelfallbezogen an der Qualität des Messbildes.

 

Praxistipp

Generell gilt: Je schlechter die Qualität des Fahrerbildes, umso größer die Anforderungen an den Begründungsaufwand des Gerichts.

Entsprechend steigt die Fehleranfälligkeit im Urteil und somit die Chancen, zumindest mit einer Rückverweisung eine Verteidigung auf Zeit zu erzielen.

Wenn der Tatrichter im Bußgeldverfahren wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit anhand eines bei einer Verkehrsüberwachungsmaßnahme gefertigten Beweisfotos die Überzeugung erlangt hat, dass der Betroffene und die abgebildete Person identisch sind, so bedarf es nunmehr im Urteil keiner näheren Ausführungen mehr zur Identifizierung, es kann im Regelfall auf ein qualitativ ausreichendes Foto verwiesen werden.[48]

 

Rz. 26

Jedoch muss auch ein gutes Messbild ordnungsgemäß ins Urteil einbezogen werden.[49] Nach Ansicht des BGH hatten die Oberlandesgerichte vor 2016 die Anforderung hieran überspannt. Für die wirksame Bezugnahme genügt nun im Einzelfall eine eindeutige und zweifelsfreie Erklärung, wonach das Lichtbild zum Bestandteil der Urteilsgründe gemacht werden soll. Dabei kommt es auf die gesamte richterliche Darlegung an; es genügt also, wenn sich die Bezugnahme aus dem Gesamtbild der Urteilsbegründung ergibt.[50] Bei Benennung der genauen Fundstelle in der Akte muss außerdem zwingend eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Messbild erfolgen. Wie ergiebig diese inhaltliche Erörterung sein muss, wird von den Obergerichten unterschiedlich gesehen.[51] Diese hat die Verteidigung aufmerksam zu verfolgen, wobei tendenziell die Erwähnung der Inaugenscheinnahme genügen wird.[52] Das Rechtsbeschwerdegericht soll hiermit jedenfalls prüfen können, ob das Lichtbild zur Identifizierung geeignet ist.

Eine Bezugnahme auf ein Lichtbild in den Urteilsgründen reicht also dann aus, wenn nach dem optischen Eindruck, den das Foto dem Rechtsbeschwerdegericht vermittelt, die Feststellung der Identität des Betroffenen dem Tatrichter mühelos möglich gewesen war.[53] Es muss sich um ein eindeutiges Bild handeln, das ein sofortiges und spontanes, ganzheitliches Wiedererkennen des Betroffenen ermöglicht.[54] Macht das Gericht davon Gebrauch, sind darüber hinausgehende Ausführungen zur Beschreibung des abgebildeten Fahrers entbehrlich. Die Verweisung auf das Foto muss in den Urteilsgründen deutlich und eindeutig zum Ausdruck kommen.[55]

Wenn eine Verweisung auf ein geeignetes Foto fehlt, dann müssen die Gründe Ausführungen zur Bildqualität enthalten und die abgebildete Person oder deren charakteristische Identifizierungsmerkmale so präzise wie möglich beschreiben. Anhand der Beschreibung muss dabei in gleicher Weise wie bei der Betrachtung des Fotos die Prüfung möglich sein, ob es zur Identifizierung generell geeignet ist und ob der Betroffene das Fahrzeug gelenkt hat.[56] Das Beschwerdegericht muss sich quasi anhand der schriftlichen Ausführungen ein klares (Mess-)Bild machen können.

 

Rz. 27

Bei einer schlechten Qualität des Lichtbilds kann die Identifizierung hingegen zweifelhaft sein. Die Urteilsgründe müssen also nachvollziehbar darlegen, weshalb das Gericht trotzdem von der Fahrereigenschaft des Betroffenen überzeugt ist.[57] Mit einem unscharfen, kontrastarmen und grob gekörnten Messfoto wird sich das Amtsgericht bei der Identifizierung daher schwertun; jedenfalls steigen die Anforderungen an den Begründungsaufwand des Amtsgerichts mit der abfallenden Bildqualität stark an.[58] Es genügt weder, wenn der Tatrichter nur das Ergebnis seiner Überzeugungsbildung mitteilt, noch, wenn er die von ihm oder einem Sachverständigen zur Identifizierung herangezogenen abstrakten Merkmale aufliste...

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