Rz. 42

 

Das Wichtigste vorab:

Die Maßnahmen der Verfolgungsbehörde wirken nur gegenüber dem Adressaten selbst. Wer das ist, ergibt sich zum einen aus dem Schreiben, zum anderen aus der Ermittlungsakte. In Bezug auf den verantwortlichen Fahrer bedeutet dies, dass die Verjährung zu seinen Gunsten läuft, sofern gegen eine andere Person ermittelt wird.

Handlungen, welche die kurze Frist der Verfolgungsverjährung unterbrechen, sind in § 33 Abs. 1 OWiG abschließend aufgeführt. Wie eingangs erwähnt, gelten sie nur gegenüber dem Betroffenen selbst, § 33 Abs. 4 OWiG. Wird die Tat zunächst als Straftat verfolgt, gelten die Unterbrechungshandlungen auch hinsichtlich der Ordnungswidrigkeit, § 33 Abs. 4 S. 2 OWiG. Dies ist beispielsweise relevant, wenn dem Bußgeldverfahren bereits ein staatsanwaltschaftliches Verfahren vorangegangen war.

Bei jeder Unterbrechung läuft die Verjährungsfrist erneut an, wobei der Unterbrechungstag als erster Tag der neuen Frist gilt. Spätestens mit Ablauf der doppelten Verjährungsfrist – mindestens jedoch nach zwei Jahren – tritt gem. § 33 Abs. 3 OWiG endgültig Verjährung ein.

 

Achtung!

Die Einrede der Verjährung muss bereits beim Amtsgericht vorgebracht werden. Sie ist ein Zulässigkeitskriterium und als solches in der Rechtsbeschwerde unbeachtlich.

Die Unterbrechungstatbestände sind in § 33 Abs. 1 OWiG abschließend aufgezählt. Zu den wichtigsten und vorliegend relevantesten zählen:[82]

[82] Eine ausführlichere Behandlung dieser Thematik findet sich unter anderem bei Gutt/Krenberger, Neues zur Verjährungsunterbrechung, DAR 2014, 187.

a) Anhörung, § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG

 

Rz. 43

Die vier Alternativen des § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG beziehen sich auf die Vernehmung des Betroffenen, die Bekanntgabe der Ermittlungen ihm gegenüber bzw. die Anordnung der jeweiligen Maßnahme. Wichtig ist, dass ausschließlich die erste Vernehmung oder Anhörung die Verjährung unterbricht, jede weitere derartige Maßnahme ist hingegen unbeachtlich.

Für die vorliegend behandelten Ordnungswidrigkeiten sind insbesondere zwei Situationen entscheidend: die Anhaltung und der Anhörungsbogen.

Hält die Polizei den Betroffenen unmittelbar nach dem Verkehrsverstoß an, stellt dies bereits die erste Unterbrechungshandlung i.S.d. § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG dar. Mit dem Zusammenfallen von Tattag und Unterbrechungshandlung läuft die Verjährungsfrist zeitgleich an – verjährungstechnisch ist also das ganze Pulver verschossen.

 

Praxistipp

Eine Anhaltung ist nicht immer aktenkundig, weshalb der Mandant stets danach zu befragen ist. Wurde er bereits vor Ort kontrolliert, bietet es sich an vorab – aber nach Ablauf der Verjährungsfrist – eine ergänzende Stellungnahme hierzu abzugeben.

Anhörungsbogen werden regelmäßig elektronisch erstellt. Maßgeblich ist dann nicht – wie oft fälschlich angenommen – der Tag der Zustellung, sondern vielmehr der Zeitpunkt des Ausdrucks des Bogens bei der Behörde, wenn sich Zeitpunkt und Bearbeiter dieses Vorgangs sicher feststellen lassen.[83] Dies wird in der Übersicht zum Verfahrensverlauf aktenkundig gemacht.

Bei der Anhörung muss es sich jedoch um einen konkret Betroffenen handeln, d.h. der Täter muss der Person nach bekannt sein. Ob schon eine eindeutige Unterbrechungshandlung oder vielmehr noch eine Ermittlungshandlung vorliegt, ist im Einzelfall nachzuprüfen. Auch hier zeigt sich, wie essenziell die Ermittlungsakte bereits im Verwaltungsverfahren ist. Beispielsweise können die Anforderung eines Passfotos bei der Meldebehörde[84] oder das Ermittlungsersuchen nach der aktuellen Anschrift[85] genügen, wenn sich die Maßnahme gegen eine bestimmte individualisierte Person richtet. Auf den Zugang des Anhörungsbogens kommt es dagegen nicht an.[86]

 

Rz. 44

Hingegen wird die Verjährung durch die richterliche Anordnung der Vernehmung eines Zeugen zur Ermittlung der noch unbekannten Personalien des Fahrers nicht unterbrochen, auch wenn sich in den Akten ein zu dessen Identifizierung geeignetes Beweisfoto befindet.[87] Bei Kennzeichenanzeigen ist die Verjährung durch Übersendung eines Anhörungsbogens gem. § 33 Nr. 1 OWiG nur dann unterbrochen, wenn für den Adressaten hieraus klar hervorgeht, dass die Ermittlungen gegen ihn als Betroffenen geführt werden. Nicht ausreichend ist, wenn der Betroffene erst noch ermittelt werden muss.[88] Einem Anhörungsbogen kommt nur dann eine verjährungsunterbrechende Wirkung gem. § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG zu, wenn für den Adressaten unmissverständlich erkennbar ist, dass gegen ihn Ermittlungen als Tatverdächtigen geführt werden.[89] Die Ermittlungen müssen sich gegen eine bestimmte und namentlich bekannte Person richten.[90] Unschädlich ist, wenn die Versendung des Anhörungsbogens unter einer fehlerhaften Anschrift erfolgt.[91]

 

Rz. 45

Eine Verjährungsunterbrechung tritt auch ein, wenn der Sachbearbeiter der Verwaltungsbehörde die Erstellung und Versendung des Anhörungsbogens durch individuellen elektronischen Befehl veranlasst und sich Zeitpunkt und Bearbeiter dieses Vorgangs sicher feststellen lassen.[92] Eine Zeugenbefragung oder die Versendung eine...

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