Der Koalitionsvertrag aus anwaltlicher Sicht
Alle Vereinbarungen stehen unter dem Vorbehalt, dass der Vertrag von den drei Parteien abgesegnet wird. Die SPD wird dazu die Mitglieder befragen. Die CDU plant einen Kleinen Parteitag am 28. April. Bei der CSU ist nur ein Vorstandsbeschluss vorgesehen.
Justiz
Die Koalition will die Modernisierung der Justiz vorantreiben und die Gesetzgebung verbessern. Gute Gesetzgebung sei gründlich, integrativ und transparent, so heißt es im Koalitionspapier. Das Recht müsse verständlich und digitaltauglich sein.
„Erst der Inhalt, dann die Paragrafen“
Bereits in der Frühphase von Gesetzgebungsverfahren sollen deshalb Praxischecks durchgeführt werden und Betroffene sowie Vollzugsexperten beteiligt werden. Der Wirkungsgrad der Gesetze soll durch Erfolgsindikatoren gemessen werden können. Auch ein „Bundesexperimentiergesetz“ soll es geben.
Bessere Digitalisierung und besserer Zugang zum Recht
Die Digitalisierung in der Justiz soll fortgeführt und verbessert werden. Dabei setzen die Parteien sowohl auf eine bundesweite Justizcloud als auch auf den Einsatz von KI. Zudem sollen für die Übermittlung von digitalen Dokumenten sowie Behördenakten an Gerichte und Staatsanwaltschaft neue Standards festgelegt werden. Der Zugang zum Recht soll durch eine Erhöhung der Zuständigkeitsstreitwertgrenze der Amtsgerichte erleichtert werden. Auch die Einführung von Online-Gerichtsverfahren für Zivilprozesse ist geplant.
Reformen des Verfahrensrechts
Um die Verfahrensdauer zu verkürzen, soll im Bereich aller Verfahrensordnungen der Zugang zur zweiten Tatsacheninstanz begrenzt werden. Zudem soll die Möglichkeit richterlicher Verfahrensstrukturierung geschaffen werden - „etwa durch frühzeitige Verfahrenskonferenzen oder Vorgaben zur Strukturierung des Parteivortrags“. Präklusionsfristen sollen ausgeweitet werden. Die Verfahrensordnungen wollen die Parteien „in das digitale Zeitalter übersetzen", damit Verfahrensplattformen Akten ersetzen und digitale Beweismittel aufnehmen können.
Zur Modernisierung der Zivilprozessordnung sollen Impulse der Reformkommission „Zivilprozess der Zukunft“ aufgegriffen werden und unter anderem Maßnahmen zur Bewältigung von Massenverfahren ergriffen werden.
Im Bereich der Strafprozessordnung ist eine umfassende Reform geplant. Der Opferschutz im Strafprozess soll verbessert werden und insbesondere die audiovisuelle Vernehmung von minderjährigen Zeugen erleichtert werden.
Um den Ermittlern weitere Befugnisse zur Verfügung zu stellen, sollen die Straftatenkataloge des §100a ff. StPO ausgeweitet werden: „Unter anderem entfristen wir die Telefonüberwachung beim Wohnungseinbruchsdiebstahl und passen die §§ 100a, 100b StPO dahingehend an, dass keine Katalogtat als Vortat von Geldwäschestraftaten erforderlich ist. Die Funkzellenabfrage wollen wir wieder umfassender ermöglichen."
Die Verwaltungsgerichtsordnung soll durch eine Novellierung den vermehrten Einsatz von Einzelrichtern ermöglichen. Dabei sollen die Verwaltungsgerichte - unter Beibehaltung des Amtsermittlungsgrundsatzes - künftig stärker auf den Parteivortrag eingehen und die Konzentration auf die Rechtmäßigkeitsprüfung legen.
Strafrecht
Materiell soll es im Strafrecht besonders um die Bekämpfung von Gewaltkriminalität gegen Frauen gehen. Hier soll zum Schutz von Frauen und besonders verletzlichen Personen unter anderem ein neues Qualifikationsmerkmal bei den Tatbeständen von Mord eingeführt werden. Geprüft wird dies bei gefährlicher Körperverletzung und schwerem Raub.
Zudem will die Koalition die Verschärfung des Schutzes von Rettungskräften und Polizisten, die Reformierung des Cyberstrafrechts und die Verschärfung des Tatbestandes der Volksverhetzung angehen. „Im Rahmen der Resilienzstärkung unserer Demokratie regeln wir den Entzug des passiven Wahlrechts bei mehrfacher Verurteilung wegen Volksverhetzung.“
Familienrecht
Bei den Reformen des Familienrechts soll das Wohl des Kindes im Vordergrund stehen. Im Bereich des Unterhaltsrecht sind härtere Sanktionen für säumige Unterhaltsschuldner geplant, so zum Beispiel Führerscheinentzug. Außerdem soll die Auskunftspflicht für Unterhaltsschuldner verschärft werden. Alleinerziehende sollen durch eine nur hälftige Anrechnung des Kindergeldes auf den Unterhaltsvorschuss entlastet werden.
Mieterschutz, Wohnungsbauturbo, Abschaffung des Heizungsgesetz
Auch im Streit um die Mietpreisbremse haben sich Union und SPD geeinigt: Die soll in angespannten Wohnungsmärkten um vier Jahre bis Ende 2029 verlängert werden. Außerdem ist ein Gesetz zur Einführung eines „Wohnungsbauturbo“ geplant. Das „Heizungsgesetz“ wird im Zuge einer Reform des Gebäudeenergiegesetzes wohl abgeschafft werden, an der Heizungsförderung will die Koalition aber festhalten.
Koalitionsvertrag 2025 aus Immobiliensicht
Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht
Auch im Bereich des Wirtschaftsrechts hat die Koalition Reformen geplant. Für Unternehmen wird dabei vor allem das „Sofortprogramm für den Bürokratieabbau“ eine wichtige Rolle spielen. Bis Ende 2025 sollen insbesondere mit Blick auf kleine und mittlere Unternehmen, Verpflichtungen zur Bestellung von Betriebsbeauftragten abgeschafft und der Schulungs- Weiterbildungs- und Dokumentationsaufwand reduziert werden.
Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz wird abgeschafft
Die Koalitionsparteien haben vor, das nationale LkSG abzuschaffen – ersetzt werden soll es durch ein Gesetz, welches die Europäische Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) bürokratiearm und vollzugsfreundlich umsetzt. Die Berichtspflicht werde unmittelbar abgeschafft und entfalle komplett, heißt es. Wichtig ist dabei, dass die geltenden gesetzlichen Sorgfaltspflichten bis zum Inkrafttreten des neuen Gesetzes nicht sanktioniert werden - mit Ausnahme von massiven Menschenrechtsverletzungen.
Die Vorschläge der EU-Kommission zum Omnibus-Paket wird die Koalition unterstützen. Das Paket zur Reduzierung der Nachhaltigkeitsberichterstattung zielt darauf ab, Unternehmen, insbesondere KMU, von bürokratischem Aufwand zu entlasten und die Berichtspflichten zu vereinfachen.
Neue Rechtsform: Gesellschaft mit gebundenem Vermögen
Neben einer Reform des Genossenschaftsrechts plant die Koalition eine neue, eigenständige Rechtsform, die „Gesellschaft mit gebundenem Vermögen“. „Merkmale dieser Rechtsform sind die unabänderliche Vermögensbindung und die Teilhabe nach mitgliedschaftlicher Logik ohne steuerliche Privilegierungen oder Diskriminierungen.“
Weniger AGB-Kontrolle zwischen den Unternehmen
Das AGB-Recht soll dahingehend reformiert werden, "dass sich große Kapitalgesellschaften nach § 267 Absatz 3 HGB, wenn sie untereinander Verträge unter Verwendung der AGB schließen, darauf verlassen können, dass das im Rahmen der Privatautonomie Vereinbarte auch von den Gerichten anerkannt wird."
Abbau von Schriftformerfordernissen
Auch das Schriftformerfordernis will die Koalition angehen: „Die Formvorschriften §§ 126 ff. im Bürgerlichen Gesetzbuch werden wir reformieren, neu strukturieren vereinfachen und wo erforderlich an die neuen technischen Möglichkeiten anpassen.“ Angekündigt wird der Abbau des Schriftformerfordernis insbesondere im Arbeitsrecht.
Verbraucherschutz
Im Bereich des Verbraucherschutz soll eine allgemeine Bestätigungslösung für telefonisch angebahnte Dauerschuldverhältnisse eingeführt werden. Außerdem setze man sich auf europäischer Ebene für Verbraucherinteressen im digitalen Raum ein.
Arbeitsrecht und Steuern
Die umfangreichen Vorhaben für die Bereiche Arbeitsrecht und Steuern haben wir gesondert für Sie zusammengefasst:
Steuerliche Maßnahmen im Koalitonsvertrag
Der Koalitionsvertrag aus arbeitsrechtlicher Sicht
Noch ein paar weitere Details aus dem umfangreichen Papier: Die Bonpflicht wird abgeschafft, das Deutschlandticket bleibt und die Teillegalisierung von Cannabis wird evaluiert.
Nicht berücksichtigt wurde jedoch die Reform der Justizausbildung wie auch das anwaltliche Berufsrecht.
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