Vorrang ambulanter vor stationärer Behandlung auch in der PKV

(Auch) privat Krankenversicherte können es sich nicht aussuchen, ob sie sich ambulant oder stationär behandeln lassen. Ebenso wie bei gesetzlich Versicherten gilt: der stationäre Krankenhausaufenthalt muss medizinisch notwendig sein. Ist er das nicht, muss der Krankenversicherer nicht zahlen.

Ein privat Krankenversicherter hatte einen Ohnmachtsanfall erlitten. Anschließend traten bei dem Mann diverse Beschwerden auf: Tinnitus, Spannungskopfschmerz, Blockaden des Atlas, Ischialgien, ein myofasciales Schmerzsyndrom und ein psychovegetatives Erschöpfungssyndrom.

Behandelnde Ärztin empfahl nach Ohnmachtsanfall stationäre Behandlung

Seine behandelnde Ärztin empfahl eine stationäre Behandlung. Daraufhin teilte er seinem privaten Krankenversicherer schriftlich mit, dass er einen dreiwöchigen Klinikaufenthalt plane. Die Versicherung lehnte die Kostenübernahme ab. Das hielt den Mann aber nicht davon ab, seinen Krankenhausaufenthalt anzutreten.

Muss die Krankenversicherung die Kosten für den Klinikaufenthalt übernehmen?

Im Rechtsstreit ging es um die Frage, ob die Krankenversicherung dennoch die Kosten des Krankenhausaufenthaltes in Höhe von knapp 8.400 EUR übernehmen muss. Der Versicherte begründete seinen stationären Aufenthalt damit, dass dieser medizinisch notwendig gewesen sei, da er sich vor dem Krankenhausaufenthalt bereits erfolglos umfänglichen ambulanten Behandlungen unterzogen habe.

Das Landgericht Mannheim entschied, dass die Versicherung die Kosten für die Behandlung im Krankenhaus nicht übernehmen muss. Die medizinische Notwendigkeit der stationären Behandlung habe nicht festgestellt werden können (§ 1 Nr. 2 AVB i.V.m. § 192 Abs. 1 VVG).

Wann eine Heilbehandlung nach BGH-Rechtsprechung medizinisch notwendig ist

Nach Rechtsprechung des BGH ist eine Heilbehandlungsmaßnahme unter folgenden Voraussetzungen medizinisch notwendig:

  • Wenn es nach objektiven medizinischen Befunden und wissenschaftlichen Erkenntnissen im Zeitpunkt der Behandlung vertretbar war, sie als medizinisch notwendig anzusehen.
  • Das ist im Allgemeinen dann der Fall, wenn eine wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethode zur Verfügung steht, die geeignet ist, die Krankheit zu heilen oder zu lindern (BGH, Urteil v. 12.3. 2003, IV ZR 278/01).

Anforderungen an die medizinische Notwendigkeit einer stationären Behandlung

Damit eine stationäre Behandlung als medizinisch notwendig klassifiziert wird, müssen folgende Kriterien erfüllt sein:

  • Die medizinische Notwendigkeit muss darüber hinaus in einem Vergleich mit der ambulanten Behandlungsform geprüft werden.
  • Eine stationäre Krankenhausbehandlung ist nur dann medizinisch notwendig, wenn der angestrebte Erfolg mit einer ambulanten Maßnahme nicht erreicht werden kann (OLG Köln, Urteil v. 21.12.2012, I 20 U 186/12)
  • Nicht erforderlich ist eine stationäre Behandlung, wenn eine Erkrankung durch eine ambulante Therapie in gleicher Weise geheilt oder gelindert werden kann.

Vorrang ambulanter vor stationärer Behandlung gilt auch für Privatversicherte

Das LG Mannheim kam zudem zu der Einschätzung, dass auch bei privaten Krankenversicherungen der Vorrang der ambulanten vor der stationären Heilbehandlung gelte. Einer gesetzlichen Normierung im Versicherungsvertragsgesetz wie in § 39 Abs. 1 S. 2 SGB V sei dafür nicht notwendig.

Patient hat ambulante Behandlungsmöglichkeiten nicht ausreichend ausgeschöpft

Der Versicherungsnehmer habe den ihm obliegenden Beweis dafür, dass die stationäre Behandlung in der Klinik notwendig gewesen sei, nicht geführt, so das Gericht.

Der hinzugezogene Sachverständige habe sowohl in seinem schriftlichen Gutachten wie auch in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass aus den vorgelegten Unterlagen nicht hervorgehe, dass ambulante Maßnahmen hinreichend ausgeschöpft wurden, bevor der Mann sich ins Krankenhaus begab.

(LG Mannheim, Urteil v. 10.9.2020, 9 O 383/19).

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