Betriebsbedingte Kündigung und Dauereinsatz von Leiharbeitnehmern

Eine ordentliche betriebsbedingte Kündigung ist unwirksam, wenn im Betrieb oder Unternehmen des Arbeitgebers eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit besteht. Auch die dauerhafte Beschäftigung von Leiharbeitnehmern kann zur Annahme eines freien Arbeitsplatzes führen.

Eine Kündigung ist nur dann im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG durch dringende betriebliche Erfordernisse gerechtfertigt, wenn es dem Arbeitgeber nicht möglich ist, dem bei Ausspruch der Kündigung absehbaren Wegfall des Beschäftigungsbedarfs durch andere Maßnahmen als durch eine Beendigungskündigung zu begegnen. Der Arbeitgeber muss vor jeder Beendigungskündigung von sich aus dem Arbeitnehmer eine sowohl diesem als auch ihm selbst objektiv mögliche anderweitige Beschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz anbieten, ggf. auch unter geänderten Bedingungen.

Beschäftigung von Leiharbeitnehmern als freier Arbeitsplatz

Ob die Beschäftigung von Leiharbeitnehmern die Annahme rechtfertigt, im Betrieb oder Unternehmen des Arbeitgebers seien freie Arbeitsplätze vorhanden, hatte das LAG Köln in zwei Entscheidungen vom 2.9.2020 zu beurteilen. In beiden Fällen beschäftigte der Arbeitgeber neben 106 Arbeitnehmer auch Leiharbeitnehmer.

Leiharbeitnehmer zur Abdeckung von Auftragsspitzen

Unter Verweis auf die Rechtsprechung des BAG (vgl. Urteil v. 15.12.2011, 2 AZR 42/10) stellte das LAG Köln zunächst heraus, eine alternative Beschäftigungsmöglichkeit im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG liege nicht vor, wenn Leiharbeitnehmer lediglich zur Abdeckung von Auftragsspitzen eingesetzt würden. Der Arbeitgeber könne in diesem Fall nicht typischerweise davon ausgehen, dass er für die Auftragsabwicklung dauerhaft Personal benötige. Es könne ihm daher regelmäßig nicht zugemutet werden, entsprechendes Stammpersonal vorzuhalten.

Leiharbeitnehmer zur Abdeckung eines ständigen Arbeitsvolumens

Beschäftige der Arbeitgeber Leiharbeitnehmer hingegen, um mit ihnen ein nicht schwankendes, ständig vorhandenes (Sockel-)Arbeitsvolumen abzudecken, könne von einer alternativen Beschäftigungsmöglichkeit im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG auszugehen und diese vorrangig für ansonsten zur Kündigung anstehende Stammarbeitnehmer zu nutzen sein.

Leiharbeitnehmer als Personalreserve

An einem freien Arbeitsplatz solle es andererseits fehlen, wenn der Arbeitgeber Leiharbeitnehmer lediglich als Personalreserve zur Abdeckung von Vertretungsbedarf beschäftige, etwa wenn der Arbeitgeber zur Vertretung abwesender Stammarbeitnehmer auf den Einsatz von Leiharbeitnehmern zurückgreife.

Keine Vertretung bei dauerhaftem Bedarf

Unter Verweis auf die Rechtsprechung des für das Befristungsrecht zuständigen 7. Senats des BAG (vgl. Urteil v. 17.5.2017, 7 AZR 420/15) stellte das LAG Köln sodann allerdings fest, dass keine Personalreserve zur Abdeckung von Vertretungsbedarf gegeben sei, wenn die fortlaufende Beschäftigung von Leiharbeitnehmern den Schluss auf einen dauerhaften Bedarf zulasse. So verhalte es sich, wenn der Arbeitgeber Leiharbeitnehmer über Jahre hinweg für unterschiedliche Vertretungsfälle einsetze. Dies, so das LAG Köln, sei der Fall, wenn immer wieder (unterschiedliche) Arbeitnehmer in einem absehbaren Umfang ausfielen. In diesen Fällen liege kein schwankendes, sondern ein ständig vorhandenes (Sockel-)Arbeitsvolumen vor.

Betriebsbedingte Kündigung unwirksam bei dauerhaftem Bedarf

Das LAG Köln kam in beiden Entscheidungen zu dem Ergebnis, dass jeweils zum Kündigungszeitpunkt eine alternative Beschäftigungsmöglichkeit im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG bestanden habe. Der Arbeitgeber habe im Kündigungszeitpunkt einen dauerhaft bestehenden Arbeitsbedarf gehabt, den er dem jeweiligen Kläger hätte zuweisen können. Der Dauerbedarf ergebe sich aus der Beschäftigung von sechs Leiharbeitnehmern, die der Arbeitgeber in den letzten zwei Jahren vor Kündigungsausspruch fortlaufend mit nur wenigen Unterbrechungen, etwa zum Jahresende oder im Sommer während der Werksferien, eingesetzt habe.

(LAG Köln, Urteile v. 2.9.2020, 5 Sa 14/20 und 5 Sa 295/29 - das LAG Köln hat in beiden Verfahren die Revision zugelassen).




Hintergrund: Betriebsbedingte Kündigung

Gem. § 1 Abs. 2 KSchG ist eine Kündigung u.a. sozial gerechtfertigt, wenn sie durch dringende ­betriebliche Erfordernisse bedingt ist, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers im Betrieb entgegenstehen. Das KSchG enthält keine Legaldefinition des Begriffes der "dringenden be­trieblichen Erfordernisse".

Nach der st. Rspr. des BAG setzt eine betriebsbedingte Kündigung jedoch voraus, dass der Beschäftigungsbedarf für einen oder mehrere Arbeitnehmer in dem bisher wahrgenommenen Aufgabenbereich auf Dauer entfällt und der Arbeitnehmer nicht auf einem anderen freien Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden kann (BAG v. 18.5.2006, AP Nr. 7 zu § 9 AÜG m.w.N.). Nur wenn diese Voraussetzungen vorliegen, kann ein Arbeitgeber eine durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingte Kündigung gem. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG aussprechen. 

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