Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung

 

Leitsatz (redaktionell)

Eine Kündigung ist nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse i.S. von § 1 Abs. 2 KSchG bedingt, wenn der Arbeitgeber befristet beschäftigte Leiharbeitnehmer über Jahre hinweg im Ergebnis als Personalreserve für unterschiedliche Vertretungsfälle eingesetzt hat.

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 2 S. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Entscheidung vom 24.01.2020; Aktenzeichen 1 Ca 4152/19)

 

Tenor

  1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 24.01.2020 - 1 Ca 4152/19 - wird zurückgewiesen.
  2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
  3. Die Revision wird zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung.

Der am 1968 geborene Kläger ist ledig. Er ist bei der Beklagten seit dem 1. September 2002 als Fertigungsmitarbeiter beschäftigt.

Die Beklagte ist als Automobilzulieferer für die Firma F tätig. Sie beschäftigte im Juni 2019 106 Arbeitnehmer und acht Leiharbeitnehmer. Für sechs Leiharbeitnehmer hat die Beklagte eine Aufstellung zu den Akten gereicht, wann diese im Zeitraum von der 37. Kalenderwoche 2017 bis zur 52. Kalenderwoche 2019 in ihrem Unternehmen tätig geworden sind. Sie hat vorgetragen, die Leiharbeitnehmer seien zur Vertretung vorübergehend ausgefallener Mitarbeiter der Stammbelegschaft beschäftigt worden. Wegen der Liste, die auch hierzu Angaben enthält, wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Die Beklagte hörte den Betriebsrat am 22. Mai 2019 zur beabsichtigten Kündigung des Klägers an. Der Betriebsrat widersprach der Kündigung. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 26. Juni 2019, welches der Kläger am selben Tag erhielt, zum 31. Dezember 2019.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei unwirksam. Die Beklagte könne ihn auf einem freien Arbeitsplatz weiterbeschäftigen, auf dem sie bisher Leiharbeitnehmer einsetze. Diese würden weder zur Vertretung noch als Personalreserve eingesetzt. Es handele sich um ständig eingerichtete Arbeitsplätze. Zudem würden die verbliebenen Arbeitnehmer überobligatorisch belastet. Er hat die soziale Auswahl und die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats gerügt.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 26.06.2019 aufgelöst worden ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, die Kündigung sei aus betriebsbedingten Gründen sozial gerechtfertigt. Ihr Auftraggeber, die Firma F , habe das Tagesvolumen an produzierten Autos von 1.300 auf 1.150 reduziert. F stelle somit nicht mehr 93 Fahrzeuge wie zuvor pro Stunde her, sondern nur noch 82. Sie selbst habe bei der Produktion von 1.300 Fahrzeugen täglich 74 Mitarbeiter pro Tag im Zweischichtbetrieb eingesetzt. Angesichts der Reduzierung der Produktion benötige sie lediglich noch 66 Mitarbeiter. Mit dem Betriebsrat habe sie sich darauf verständigt, einen Personalabbau in Höhe von lediglich sechs Mitarbeitern vorzunehmen. Über freie Arbeitsplätze habe sie nicht verfügt. Leiharbeitnehmer würden als Personalreserve nur in Vertretungsfällen (zum Beispiel Krankheit) eingesetzt. Sie habe die soziale Auswahl ordnungsgemäß nach einem vom BAG gebilligten Punkteschema durchgeführt. Der Betriebsrat sei ausführlich vor Ausspruch der Kündigung unterrichtet worden.

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 24. Januar 2020 stattgegeben. Hiergegen richtet sich die von der Beklagten eingelegte Berufung.

Die Beklagte ist nach wie vor der Auffassung, die Kündigung sei wirksam. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts habe sie im Kündigungszeitpunkt über keine freien Arbeitsplätze verfügt. Nach der Rechtsprechung des BAG fehle es an einem freien Arbeitsplatz, wenn der Arbeitgeber Leiharbeitnehmer als Personalreserve zur Abdeckung von Vertretungsbedarf beschäftige. So sei sie verfahren. Zu berücksichtigen sei, dass es der Entscheidung des Arbeitgebers überlassen sei, ob er Vertretungszeiten überhaupt überbrücke.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Köln - 1 Ca 4152/19 - vom 24.01.2020 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags das angefochtene Urteil. Die Beklagte decke mit dem Einsatz von Leiharbeitnehmern einen bei ihr bestehenden Dauerbedarf ab.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils, die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze, die eingereichten Unterlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

A. Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 1 und Abs. 2 ArbGG statthaft und wurde gemäß §§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 und 5 ArbGG, §§ 519 und 520 ZPO frist- und formgerecht eingelegt und begründet.

B. Das Rechtsmittel ist unbegründet. Das Arbeitsgericht ist zu Recht ...

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