Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Kündigungsschutz bei Kleinbetrieben. Berücksichtigung von "Alt-Arbeitnehmern" bei der Betriebsgröße nach § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG. Merkmale eines Gemeinschaftsbetriebs

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine ordentliche Kündigung bedarf keiner sozialen Rechtfertigung, wenn es sich um einen Kleinbetrieb handelt, der nicht mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt.

2. § 1 KSchG findet Anwendung, wenn im Betrieb zum Kündigungszeitpunkt in der Regel mehr als fünf "Alt-Arbeitnehmer" tätig sind, die bereits am 31. Dezember 2003 im Betrieb beschäftigt waren. Maßgeblich für diesen abgesenkten Schwellenwert des § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG und den hiernach gewährleisteten Bestandsschutz ist der am Stichtag (31. Dezember 2003) bestehende "virtuelle Altbetrieb". Diejenigen Arbeitsverhältnisse, die nach diesem Stichtag begründet wurden, werden hierbei nicht berücksichtigt.

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 1, § 23 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Lübeck (Entscheidung vom 14.06.2016; Aktenzeichen 6 Ca 52/16)

 

Tenor

  1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 14. Juni 2016, Az.: 6 Ca 52/16, wird zurückgewiesen.
  2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
  3. Die Revision wird nicht zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung und in diesem Zusammenhang über die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes.

Der 54-jährige Kläger ist bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerinnen seit dem 01.11.1996 als Regional Sales Manager zu einem Bruttomonatsgehalt (einschließlich Sachbezüge) von 8.248,88 € im Homeoffice an seinem Wohnort beschäftigt. Die Beklagte ist ein Unternehmen der national und international agierenden C.Gruppe, die sich auf das Pooling von Paletten und Behältern spezialisiert hat. Die Beklagte beschäftigt einschließlich des Klägers sechs Arbeitnehmer im Sinne von § 23 Abs. 1 KSchG . Mit Schreiben vom 23.12.2015, dem Kläger zugegangen am 29.12.2015, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 30.06.2016 (Bl. 12 f. d. A.). Die Beklagte ist in eine Konzernstruktur eingebunden.

Der Kläger hat behauptet,

die Beklagte führe zumindest mit der C. Deutschland GmbH einen gemeinsamen Betrieb. Dies folge bereits daraus, dass beide Unternehmen denselben im Handelsregister eingetragenen Sitz in K. hätten, Herr A. C. - neben anderen - bei beiden Unternehmen Geschäftsführer und der Unternehmensgegenstand jeweils die Herstellung sowie der Groß- und Einzelhandel mit Paletten, Containern und ähnlichen Gegenständen sei (Bl. 51 f., 53 f. d. A.). Zudem sei alleinige Gesellschafterin der Beklagten die B. Services GmbH & Co. KG, die wiederum die C. Deutschland GmbH aufgrund eines Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag beherrsche (Ziff. 6b des HR-Auszuges, Bl. 54 d. A.). Es gebe keine eigenen Internetauftritte für die Beklagten oder die C. Deutschland GmbH, sondern nur eine gemeinsame Internetseite " www.C..com ", auf der u.a. Folgendes angegeben sei:

"C., ein B.-Unternehmen, beschäftigt mehr als 14.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in 50 Ländern, davon ca. 300 in Deutschland.

Weltweit hat C. 1340 Service-Center, davon 30 in Deutschland."

Eine Unterscheidung der einzelnen Unternehmen sei gerade nicht gewollt. Es gebe eine einheitliche IT-Abteilung in K. . Es gebe ein einheitliches Beurteilungssystem für alle Arbeitnehmer des Gemeinschaftsbetriebs.

Hervorzuheben sei die gemeinsame Leitungsstruktur in dem Gemeinschaftsbetrieb über die B. Ltd. Als Gruppen-Präsident steuere Mr. J. R. weltweit die Unternehmen der C.-Gruppe, mithin auch die Beklagte und die C. Deutschland GmbH. Sämtliche Geschäftsführer der einzelnen C.-Unternehmen würden direkt von der B. Ltd. über Mr. R. gelenkt und gesteuert. Dies bedeute, dass beide Firmen im Sinne der Definition des Gemeinschaftsbetriebs über einen einheitlichen Leitungsapparat gesteuert würden. In Bezug auf den Kläger ergebe sich folgende Befehlskette: Mr. R. als Gruppen-Präsident, Mr. M. als Managing Director, Mrs. N. als Sales Director und damit unmittelbare Vorgesetzte des Klägers. Die Beklagte mit einer handvoll Vertriebsmitarbeitern sei alleine auch nicht lebensfähig. Es gebe auch gemeinsame Verkaufstrainings. Hilfsweise bestehe mit der vor kurzem zugekauften T.-P. (mit mehr als 10 Arbeitnehmern) mit Sitz in H. ein gemeinsamer Betrieb, da die Beklagte für diese Firma den gesamten Vertrieb erledige. Daraus folge eine miteinander verwobene tägliche Zusammenarbeit der Mitarbeiter beider Firmen. Die Mitarbeiter der T.-P. würden Anrufe bei der Beklagten annehmen und sich unter dem Namen der Beklagten melden. Die Telefonzentrale der Beklagten liege daher inzwischen in H., auch die Abteilung Verkauf und Kundendienst sei inzwischen übernommen worden, die Beklagte übernehme hingegen den Vertrieb auch für die T.-P.. Am 06.01.2015 seien zwei Mitarbeiter des Vertriebs der T.-P. in das Vertriebsteam der Beklagten integriert worden, hätten zwischenzeitlich aber gekündigt. Bewerbungsgespräche für Neueinstellung...

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