keine Angaben zur Rechtskraft

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Stellenausschreibung. Tätigkeitsjahr. Tarifgruppe. Mittelbare Benachteiligung. Betriebsrat. Unterlassungsanspruch

 

Leitsatz (amtlich)

Der Betriebsrat hat bei groben Verstößen gegen die §§ 11, 7, 1 AGG gemäß §§ 17 II AGG, 23 III BetrVG einen Unterlassungsanspruch gegen den Arbeitgeber. Ein grober Verstoß kann sich wegen mittelbarer Benachteiligung älterer Bewerber/innen auf Stellenausschreibungen ergeben, in denen Mitarbeiter/innen im ersten Berufsjahr gesucht werden, wenn Mitarbeiter/innen im ersten Berufsjahr im Betrieb gegenüber Beschäftigten im zweiten Berufsjahr im Durchschnitt über sechs Jahre und im dritten Berufsjahr über 13 Jahre jünger sind und der Arbeitgeber diese Ausschreibungspraxis wegen des geringeren Tarifgehaltes von Mitarbeiter/innen im ersten Berufsjahr vornimmt.

 

Normenkette

AGG § 17 Abs. 2, §§ 11, 7, 3 Abs. 2, § 1; BetrVG § 23 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Beschluss vom 09.08.2007; Aktenzeichen 3 BV 127/07)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 18.08.2009; Aktenzeichen 1 ABR 47/08)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 09. August 2007 – 3 BV 127/07 – teilweise abgeändert.

Dem Beteiligten zu 2) wird aufgegeben, es zu unterlassen, im Bezirk A Stellenausschreibungen für Verkaufs-/Kassierkräfte mit Angabe des ersten oder zweiten Berufs- oder Tätigkeitsjahres bei der Eingruppierung vorzunehmen bei Meidung eines Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 10.000,00 EUR (in Worten: Zehntausend und 00/100 Euro) für jeden Fall der Zuwiderhandlung.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird für den Beteiligten zu 2) zugelassen, für den Beteiligten zu 1) nicht zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Der Betriebsrat wendet sich mit seinen Anträgen gegen Stellenausschreibungen des Arbeitgebers unter Angabe des Berufs- oder Tätigkeitsjahres bei der vorgesehenen Eingruppierung.

Der Arbeitgeber (Beteiligter zu 2) betreibt eine Kette von …märkten. Der Beteiligte zu 1) ist der für den Bezirk A gewählte Betriebsrat. Der Arbeitgeber übersandte dem Betriebsrat die Stellenausschreibungen vom 9. und 14. Febr. 2007, mit denen jeweils die Stelle einer Verkaufs-/Kassierkraft unter Angabe der „Tarifgruppe A / 1. Bj.” (= Berufsjahr, Bl. 16, 17 d. A.) ausgeschrieben wurde. Dem Betriebsrat wurde hierzu mitgeteilt, dass es dem Arbeitgeber darauf ankäme, die Stellen kostensparend zu besetzen. Auf die weiteren Ausschreibungen vom 30. März 2007 und 25. Juni 2007 wird ebenfalls verwiesen (Bl. 59, 61 d. A.).

Der Betriebsrat ist der Auffassung gewesen, die Stellenausschreibungen verstießen gegen §§ 11, 7, 1 AGG. Durch die Ausschreibungen würden die Stellenbewerber von vornherein ausgeschlossen, die älter seien und die über mehr Berufsjahre verfügten. Diese würden bereits im Vorfeld der Begründung eines Arbeitsverhältnisses diskriminiert. Altersabhängige Entscheidungen bei Einstellungen entfalteten einen besonders hohen Benachteiligungseffekt. Es gäbe keine Notwendigkeit, dieses Eingruppierungskriterium in der Stellenausschreibung zu erwähnen. Allenfalls sollen damit unzulässigerweise ältere und damit teurere Interessenten von einer Bewerbung abgehalten werden.

Es würden zwar nicht ausdrücklich jüngere Bewerberinnen gesucht, jedoch wirkten sich die Stellenausschreibungen mittelbar diskriminierend auf ältere Bewerberinnen aus. Dies könne anhand von Vergleichsgruppen nachgewiesen werden. Auf die vom Betriebsrat erstellte Mitarbeiterliste wird insoweit verwiesen.

Deren Auswertung ergäbe, dass die Mitarbeiterinnen im ersten Berufsjahr durchschnittlich 29,82 Jahre alt seien, im zweiten Berufsjahr durchschnittlich 36 Jahre und ab dem dritten Berufsjahr durchschnittlich 43,47 Jahre. Damit sei die Ausgrenzung älterer Mitarbeiter durch die Stellenausschreibungen offenkundig. Eine Rechtfertigung für diese Benachteiligung ergäbe sich nicht aus § 10 AGG.

Der Betriebsrat hat – soweit für das Beschwerdeverfahren noch von Interesse – beantragt,

  1. der Arbeitgeberin aufzugeben, Stellenausschreibungen für Verkaufs-/Kassierkräfte nur ohne Angabe des Berufs- oder Tätigkeitsjahres bei der Eingruppierung vorzunehmen;
  2. der Arbeitgeberin aufzugeben, es zu unterlassen, Stellenausschreibungen für Verkaufs-/Kassierkräfte mit der Angabe des Berufs- oder Tätigkeitsjahres bei der Eingruppierung vorzunehmen;
  3. dem Arbeitgeber für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtungen aus Ziff. 1) und 2) – bezogen auf jeden Tag und jeden Arbeitnehmer – ein Ordnungsgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, anzudrohen;

    hilfsweise,

  4. der Arbeitgeberin aufzugeben, bezirksinterne Stellenausschreibungen für Verkaufs-/Kassierkräfte nur ohne Angabe des Berufs- oder Tätigkeitsjahres bei der Eingruppierung vorzunehmen;
  5. der Arbeitgeberin aufzugeben, es zu unterlassen, bezirksinterne Stellenausschreibungen für Verkaufs-/Kassierkräfte mit der Angabe des Berufs- oder Tätigkeitsjahres bei der Eingruppierung vorzunehmen;
  6. dem Arbeitge...

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