Leitsatz (amtlich)

1. Der Arbeitnehmer, der seinen Arbeitgeber durch Diebstahl geschädigt hat, hat diesem auch die Belohnung zu ersetzen, die der Arbeitgeber für die Wiederbeschaffung der Beute ausgesetzt hat.

2. Im Falle einer vorsätzlichen strafbaren Handlung gegen den Arbeitgeber kann sich der Arbeitnehmer grundsätzlich nicht auf ein mitwirkendes Verschulden des Arbeitgebers berufen.

 

Normenkette

BGB §§ 611, 823 Abs. 2, §§ 138, 817, 254; StGB §§ 242, 246; ZPO §§ 139, 286

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Urteil vom 15.01.1969; Aktenzeichen 6 Sa 477/68)

 

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Frankfurt/Main vom 15. Januar 1969 – 6 Sa 477/68 – wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten der Revision

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Der Beklagte war bei der Klägerin als Frachtangestellter auf dem Rhein-Main-Flughafen beschäftigt. Er entwendete im September 1966 mit zwei Mittätern Banknoten im Werte von 1.000.000,– DM, deren Beförderung die Klägerin übernommen hatte. Für die von ihm begangene Straftat wurde er rechtskräftig zu einer Gefängnisstrafe verurteilt.

Zur Ergreifung der Täter und zur Auffindung des entwendeten Geldes hatte die Klägerin eine Belohnung in Höhe von 10.000,– DM ausgesetzt. Der Diebstahl wurde im wesentlichen mit Hilfe der geschiedenen Ehefrau eines der Mittäter, R., aufgeklärt. Je 500,– DM der ausgesetzten Belohnung zahlte die Klägerin an zwei Personen aus, die der Kriminalpolizei ebenfalls Hinweise zur Aufklärung der Tat gegeben hatten. Gegen die Auszahlung der Belohnung an diese beiden Personen wendet sich der Beklagte nicht mehr. Den Rest der Belohnung in Höhe von 9.000,– DM erhielt die geschiedene Ehefrau R.

Mit der Klage macht die Klägerin gegen den Beklagten die von ihr gezahlte Belohnung als Schadenersatz geltend. Sie hat vorgetragen, der Beklagte habe vorsätzlich gegen seine Verpflichtungen aus dem Arbeitsvertrag verstoßen. Er sei daher verpflichtet, den daraus entstandenen Schaden zu ersetzen. Zu diesem Schaden gehörten auch die Aufwendungen, die sie zur Abwehr einer drohenden Gefährdung ihres Vermögens habe machen müssen. Die Aussetzung der Belohnung sei erforderlich gewesen, weil sie mit Regreßansprüchen habe rechnen müssen.

Der Beklagte, der um Klagabweisung gebeten hat, ist der Ansicht, die Klägerin sei nicht verpflichtet gewesen, der geschiedenen Frau R. die Belohnung auszuzahlen. Er hat behauptet, Frau R. habe versucht, ihren geschiedenen Ehemann zu überreden, mit ihr die Banknoten selbst in Besitz zu nehmen und den Beklagten sowie den anderen Mittäter zu beseitigen. Als dies ihr damaliger Ehemann abgelehnt habe, habe sie der Kriminalpolizei die zur Aufklärung der Tat dienlichen Hinweise gegeben. Der Beklagte hat weiter vorgetragen, die Klägerin treffe das überwiegende Verschulden daran, daß es zur Wegnahme des Geldes habe kommen können. Bei ausreichenden Sicherheitsvorkehrungen auf dem Flughafen wäre der Diebstahl nicht vorgekommen und das Aussetzen einer Belohnung nicht erforderlich gewesen.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Mit der Revision verfolgt der Beklagte seinen Klagabweisungsantrag weiter, während die Klägerin um Zurückweisung der Revision bittet.

 

Entscheidungsgründe

1. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, daß der Beklagte gemeinsam mit zwei weiteren Mittätern eine Wertsendung von 1.000.000,– DM entwendet hat. Hiergegen hat der Beklagte Einwendungen nicht erhoben. Der Beklagte hat sich damit nach § 823 Abs. 2 BGB in Verb, mit entweder § 242 oder § 246 StGB schadenersatzpflichtig gemacht.

Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, daß zu dem Schaden auch die von der Klägerin ausgesetzte Belohnung gehört. Es ist nicht außergewöhnlich, daß bei Straftaten in dem vorliegend gegebenen Ausmaß der Geschädigte eine Belohnung zur Ergreifung der Täter und zur Sicherstellung des Entwendeten aussetzt. Dem angefochtenen Urteil ist darin beizutreten, daß es sich bei der ausgesetzten Belohnung um eine verständige Aufwendung der Klägerin gehandelt hat, die auch der Höhe nach nicht beanstandet werden kann. Sie gehört zu den adäquaten Schadensfolgen, für die der Beklagte einzutreten hat (vgl. BGH in VersR 67, 1169).

2. Die Klägerin war, wie das Landesarbeitsgericht weiter zutreffend annimmt, berechtigt, den von ihr festgesetzten Teil der Belohnung an die geschiedene Ehefrau R. auszuzahlen. Der Revision kann nicht gefolgt werden, wenn sie meint, die Klägerin habe die Belohnung nach den §§ 138, 817 BGB nicht auszahlen dürfen, weil Frau R. sich der versuchten Hehlerei schuldig gemacht habe.

Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts war die geschiedene Ehefrau des Mittäters R. bei der Planung und Ausführung des Diebstahls nicht beteiligt. Das zwischen ihr und ihrem geschiedenen Ehemann angeblich geführte Gespräch konnte, wenn es stattgefunden haben sollte, der Klägerin keinen Anspruch gegen Frau R. geben, so daß das Landesarbeitsgericht, wenn es eine weitere Aufklärung hierzu unterlassen hat, weder gegen § 139 noch gegen § 286 ZPO verstoßen hat. Es steht fest, daß das vom Beklagten behauptete Gespräch keine nachteiligen Folgen für die Klägerin gehabt hat. Die geschiedene Ehefrau R. haftete der Klägerin also nicht etwa als Mittäterin gesamtschuldnerisch auf Schadenersatz, so daß es dahingestellt bleiben kann, ob in einem solchen Fall ihr Anspruch auf Auszahlung der Belohnung an der Einrede der Arglist hätte scheitern müssen.

3. Dem Landesarbeitsgericht ist darin beizutreten, daß der Beklagte sich nicht auf § 254 BGS berufen kann. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats kann sich ein Arbeitnehmer, der seinen Arbeitgeber durch eine vorsätzliche strafbare Handlung schädigt, nicht auf ein mitwirkendes Verschulden des Arbeitgebers berufen (AP Nr. 36 zu § 242 BGB Verwirkung).

Dieser Rechtsprechung stellt die von der Revision angezogene Entscheidung des Bundesgerichtshofs in DB 69, 964 nicht entgegen. Danach hat zwar der Bundesgerichtshof, soweit dies sich aus den dort wiedergegebenen Entscheidungsgründen ergibt, ausgesprochen, es bestehe kein Rechtsgrundsatz des Inhalts, daß einem vorsätzlichen Schädiger ganz allgemein die Berufung auf ein fahrlässiges mitwirkendes Verhalten des Geschädigten vermehrt sei. Es wird in dieser Entscheidung jedoch ausdrücklich darauf hingewiesen, daß nach wie vor für den Tatbestand des § 254 Abs. 1 BGB bei dem von der Rechtsprechung entwickelten Grundsatz, nach dem der vorsätzlich Handelnde in der Segel den Schaden auch nicht teilweise auf den nur fahrlässig bei der Entstehung des Schadens mitwirkenden Geschädigten abwälzen kann, verblieben werde. Von diesem Grundsatz läßt der Bundesgerichtshof Ausnahmen nur dann zu, wenn besondere Umstände vorliegen und der Sachverhalt dazu Anlaß bietet, daß nach, dem Grundsatz der Billigkeit das beiderseitige Verschulden auch in solchen Fällen gegeneinander abgewogen werden muß.

Die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts im Streitfall geben keinen Anlaß, von den vom Bundesarbeitsgericht in AP Nr. 36 zu § 242 BGB Verwirkung aufgestellten Grundsatz abzuweichen. Das gilt um so mehr, als im vorliegenden Fall eine strafbare vorsätzliche Handlung in Rede steht, die sich, auch gegen den Arbeitgeber richtete. Mit einer solchen hatte es der Bundesgerichtshof nicht zu tun.

 

Unterschriften

gez. Wichmann, Dr. Neumann, Wendel, Dr. Löwisch, Neumann

 

Fundstellen

Haufe-Index 1454384

Nachschlagewerk BGH

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