Rz. 125

Die Versetzung eines Arbeitnehmers verstößt nicht gegen eine gerichtliche Entscheidung i. S. v. § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG, wenn der Arbeitgeber verurteilt worden ist, den Arbeitnehmer zu den bestehenden vertraglichen Bedingungen zu beschäftigen, ohne dass der Inhalt der Arbeitsaufgaben des Arbeitnehmers Streitgegenstand gewesen wäre (BAG, Beschluss v. 26.10.2004, 1 ABR 45/03[1]). In einer Versetzung des Arbeitnehmers liegt deshalb auch dann kein Verstoß gegen ein gerichtliches Beschäftigungsurteil, wenn die Versetzung individualrechtlich unzulässig gewesen sein sollte.

 

Rz. 126

Eine Vereinbarung, über eine Altersgrenzenregelung (z. B. auf das 67. Lebensjahr) enthält kein Verbot der Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers über diese Grenze hinaus, auf das sich der Betriebsrat berufen könnte (BAG, Beschluss v. 1.3.1992, 1 ABR 67/91[2]; vgl. auch LAG Düsseldorf, Beschluss v. 4.5.2011, 12 TaBV 27/11 zur Nichtberechtigung des Betriebsrats, seine Zustimmung zur Weiterbeschäftigung eines Fluglotsen, der die Verlängerung seines Arbeitsverhältnisses mit dem Arbeitgeber vereinbart hat, wegen der in der Deutschen Flugsicherung tariflich bestimmten Altersgrenze von 55 Jahren zu verweigern).

 

Rz. 127

Verstöße gegen einen Tarifvertrag sind insbesondere bei der Ein- oder Umgruppierung eines Arbeitnehmers, aber auch bei Abschlussgeboten oder -verboten möglich.

Voraussetzung einer Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats ist bei Einstellungen und Versetzungen, dass der Verstoß gegen die tarifliche Bestimmung nur durch das Unterbleiben der personellen Maßnahme verhindert werden kann. Das kann der Fall sein, wenn die Tarifnorm die Beschäftigung als solche verbietet oder sie nur unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt. Als derartige Verbotsnormen kommen u. a. sog. qualitative tarifliche Besetzungsregeln in Betracht. Sie verbieten insbesondere aus Gründen des Schutzes vor Überforderung, der Förderung der Arbeitsqualität sowie des Beschäftigungsschutzes für Fachkräfte auf bestimmten Arbeitsplätzen die Beschäftigung von Arbeitnehmern, die bestimmte Anforderungen nicht erfüllen. Sie stellen regelmäßig Betriebsnormen i. S. v. § 3 Abs. 2 TVG dar, die unabhängig von der Tarifbindung der Arbeitnehmer für alle Betriebe gelten, deren Arbeitgeber tarifgebunden ist (BAG, Beschluss v. 18.3.2008, 1 ABR 81/06[3]). Bei Tarifbestimmungen kommen nicht nur Beschäftigungsverbote, sondern auch Einstellungsgebote in Betracht, wenn z. B. in einem Tarifvertrag die Einstellung einer bestimmten Zahl von schwerbehinderten Menschen festgesetzt worden und diese Zahl noch nicht erreicht ist; auch aus einer Wiedereinstellungsklausel nach einem Arbeitskampf kann sich die Unzulässigkeit der Einstellung eines anderen Arbeitnehmers ergeben.[4]

 

Rz. 127a

Tarifliche Bestimmungen über die Dauer der Arbeitszeit sind regelmäßig Inhaltsnormen i. S. v. § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG. Ein Verstoß gegen eine solche Tarifbestimmung ist ggf. bei der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 BetrVG unterliegenden Festlegung der Lage der Arbeitszeit und ihrer vorübergehenden Verkürzung oder Verlängerung zu beachten. Allerdings geht es auch hier allein um die Frage, ob die vorgesehene Einstellung, also die Eingliederung in den Betrieb, von den tariflichen Vorschriften untersagt ist. Nicht entscheidend ist, ob bspw. die Bestimmungen des Arbeitsvertrags einen Tarifverstoß beinhalten (BAG, Beschluss v. 27.10.2010, 7 ABR 36/09[5]).

 

Rz. 128

Auch Betriebsvereinbarungen können Bestimmungen über personelle Maßnahmen enthalten, deren Verletzung den Betriebsrat zur Verweigerung der Zustimmung berechtigt, z. B. Wiedereinstellungsansprüche oder Arbeitsplatzsicherungen in einem Sozialplan.[6]

 

Rz. 128a

Ein Grund zur Verweigerung der Zustimmung zu einer personellen Maßnahme folgt nicht aus einem etwaigen Verstoß des Arbeitgebers gegen eine Regelungsabrede der Betriebsparteien. Die Regelwerke, deren Vorgaben den Betriebsrat zur Verweigerung seiner Zustimmung zu einer personellen Maßnahme berechtigen können, sind in § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG abschließend aufgeführt. Nach ihrem eindeutigen Wortlaut erfasst die Norm keine Verstöße gegen Regelungsabreden. Eine analoge Anwendung von § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG auf Regelungsabreden kommt nicht in Betracht. Eine Analogie setzt voraus, dass eine vom Gesetzgeber unbeabsichtigt gelassene Lücke besteht und diese Planwidrigkeit aufgrund konkreter Umstände positiv festgestellt werden kann. Anderenfalls könnte jedes Schweigen des Gesetzgebers – also der Normalfall, wenn er etwas nicht regeln will – als planwidrige Lücke aufgefasst und diese im Wege der Analogie von den Gerichten ausgefüllt werden (BAG, Beschluss v. 13.08.2019, 1 ABR 10/18[7]). § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG ist nicht planwidrig lückenhaft. Dem Betriebsrat sollte ein Zustimmungsverweigerungsrecht ersichtlich nur bei einem Verstoß der personellen Maßnahme gegen solche Regelungen gewährt werden, die – zumindest auch - normativ und damit unmittelbar und zwingend für die Arbeitnehmer gelten können....

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