Rz. 4

Der Betriebsrat hat bei der Durchführung aller Maßnahmen der betrieblichen Berufsbildung ein echtes Mitbestimmungsrecht. Hiervon eingeschlossen ist auch die Vermittlung sonstiger Kenntnisse und Fertigkeiten[1]. Betriebliche Berufsbildungsmaßnahmen sind solche, bei denen der Arbeitgeber als Träger oder Veranstalter entscheidenden Einfluss auf Inhalt und Organisation hat und die Veranstaltung – zumindest auch – für seine Arbeitnehmer durchführt (BAG, Beschluss v. 4.12.1990, 1 ABR 10/90[2]). Die nach § 98 Abs. 1 BetrVG mitbestimmte Durchführung von betrieblichen Bildungsmaßnahmen betrifft die Ausgestaltung von generell-abstrakten Maßnahmen hinsichtlich Zeit, Inhalt, Umfang und Methode der Vermittlung von Kenntnissen; sie besteht aber nicht bei jeder konkreten Einzelmaßnahme (LAG Hamburg, Beschluss v. 10.1.2007, TaBV 3/05[3]). Bei der Übertragung von Zusatzaufgaben an Verkaufspersonal einer Einzelhandelsfiliale handelt es sich nicht um mitbestimmte Maßnahmen der betrieblichen Berufsausbildung, wenn nicht in systematischer, lehrplanartiger Weise Kenntnisse vermittelt werden, sondern lediglich im täglichen Ablauf bei Bedarf zusätzliche Funktionen von einzelnen Mitarbeitern übernommen werden und diese insoweit unterrichtet werden[4]. Ebensowenig stellt ein „Teamevent“ ohne systematische oder didaktische Vermittlung eines Lernzieles eine Bildungsmaßnahme dar[5]. Bezieht sich eine Fortbildung und Schulung in einem Betrieb ausschließlich auf externe Arbeitnehmer zu deren Qualifikation für eine Tätigkeit bei einem externen Unternehmen, handelt es sich ebenfalls nicht um eine "betriebliche" Berufsbildungsmaßnahme[6]. Eine individuelle Coachingmaßnahme in Form des Mithörens von Kundentelefonaten eines Mitarbeiters durch einen Trainer (Side-by-side-Coaching) ist nicht als betriebliche Bildungsmaßnahme anzusehen. Sie ist daher mitbestimmungsfrei und eine Einigungsstelle ist nicht zuständig[7].

 

Rz. 5

Der weit auszulegende Begriff der Berufsbildung umfasst neben den beruflichen Maßnahmen zur Erstausbildung (§ 1 Abs. 2 BBiG), der Fortbildung (§ 1 Abs. 3 BBiG) und der Umschulung (§ 1 Abs. 4 BBiG) auch kurzfristige Bildungsmaßnahmen, sofern durch die Maßnahmen Kenntnisse und Fertigkeiten einer beruflichen Tätigkeit vermittelt werden. Voraussetzung ist ferner, dass die Maßnahmen unter didaktischen Gesichtspunkten gestaltet und auf die Erreichung eines bestimmten Lernziels gerichtet sind. Hierzu zählen z. B. auch Veranstaltungen, die dem Arbeitnehmer Fähigkeiten vermitteln sollen, welche ihm erst die Erfüllung der ihm abverlangten beruflichen Tätigkeiten ermöglicht (z. B. Teilnahme an einem PC-Grundlagenkurs). Nicht von dem Begriff der Bildungsmaßnahme erfasst und daher dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats entzogen sind jedoch einerseits die Einweisung des – über die zur Ausübung der beruflichen Tätigkeit erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten bereits verfügenden – Arbeitnehmers auf seinem Arbeitsplatz (z. B. Unterrichtung des Arbeitnehmers nach § 81 Abs. 1 Satz 1 BetrVG; Einweisung in die Bedienung einer CAD-Einrichtung). Andererseits stellen auch sonstige Veranstaltungen keine Bildungsmaßnahmen dar, wenn sie keine Lernprozesse durch theoretische Einsichten vermitteln und vollziehen (z. B. Besuch von Ausstellungen und Messen sowie sonstige Freizeitbeschäftigungs- und Unterhaltungsmaßnahmen).

 

Rz. 5a

Der Begriff "betrieblich" ist funktional zu verstehen. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung liegt eine betriebliche – im Unterschied zur außerbetrieblichen – Maßnahme vor, wenn sie vom Arbeitgeber getragen oder veranstaltet und für seine Arbeitnehmer durchgeführt wird (BAG, Beschluss v. 18.4.2000, 1 ABR 28/99[8]). Eine betriebliche Berufsbildungsmaßnahme liegt also vor, wenn der Arbeitgeber Träger bzw. Veranstalter der Maßnahme ist und er die Berufsbildungsmaßnahme für die bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer durchführt. Dabei kommt es darauf an, ob der Arbeitgeber auf Inhalt und Organisation die Bildungsmaßnahme rechtlich oder tatsächlich einen beherrschenden Einfluss hat[9]. Keine "betriebliche" Berufsbildungsmaßnahme sind deshalb Schulungen für ausschließlich externe Arbeitnehmer, die z. B. von ausländischen Konzerngesellschaften zum Zweck der Schulung entsendet worden sind. Derartigen Schulungsmaßnahmen fehlt es an der für die Mitbestimmung nach § 98 BetrVG erforderlichen Betriebsbezogenheit der Maßnahme[10]

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Praxis-Beispiel

Der Arbeitgeber betreibt ein Krankenhaus. Gemeinsam mit anderen Krankenhausträgern geht er eine Kooperation zur Schaffung von Ausbildungsplätzen ein. Die praktische und theoretische Ausbildung wird in verschiedenen Betrieben der unterschiedlichen Kooperationspartner durchgeführt. Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats besteht nicht hinsichtlich des Kooperationsvertrags. Das BAG bejaht indes ein Mitbestimmungsrecht beim Abschluss der Vereinbarung über die Zusammenarbeit der Arbeitgeber insoweit, als Regelungen über die spätere Durchführung der Bildungsmaßnahmen getroffen wurden[11].

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