Rz. 6

Nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG hat der Betriebsrat darüber zu wachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze, Verordnungen, Unfallverhütungsvorschriften, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen ordnungsgemäß durchgeführt werden. Träger des Überwachungsrechts aus § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ist der Betriebsrat nicht der Gesamtbetriebsrat (BAG, Beschluss v. 16.8.2011, 1 ABR 22/10). Die Überwachung beschränkt sich allerdings nicht allein auf die Kontrolle, ob gegen die entsprechenden Vorschriften zulasten der Arbeitnehmer verstoßen wird. Der Betriebsrat ist vielmehr berechtigt und verpflichtet, auch dann auf die zutreffende Anwendung der einschlägigen Vorschriften hinzuwirken, wenn sich dies im Einzelfall zuungunsten der Arbeitnehmer auswirkt, z. B. bei Verstößen Einzelner gegen Unfallschutzvorschriften.[1] Jedoch gewährt das Überwachungsrecht kein zusätzliches Mitbestimmungsrecht (BAG, Beschluss v. 28.5.2002, 1 ABR 40/01). Aus dem Überwachungsrecht ergibt sich insbesondere auch kein Anspruch des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber auf Unterlassung eines etwa gesetz- oder tarifwidrigen Verhaltens (BAG, Beschluss v. 27.1.2004, 1 ABR 7/03). Der Betriebsrat ist darauf beschränkt, eine Nichtbeachtung oder fehlerhafte Durchführung eines Gesetzes oder Tarifvertrags beim Arbeitgeber zu beanstanden und auf Abhilfe zu drängen (BAG, Beschluss v. 28.5.2002, 1 ABR 40/01, zu B III der Gründe). Das Überwachungsrecht nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG bezieht sich nur auf die Durchführung der Rechtsnorm, nicht aber darauf, ob die Rechtsnorm ihrerseits gegen höherrangiges Recht verstößt. Das Überwachungsrecht besteht gegenüber dem Arbeitgeber, der die Rechtsnorm zu beachten hat, nicht jedoch gegenüber dem Normgeber, d. h. z. B. dem Gesetzgeber oder den Tarifvertragsparteien, der die Rechtsnorm erlassen hat (LAG Schleswig-Holstein, Urteil v. 19.8.2008, 5 TaBV 23/08).

[1] MHdB ArbR/Arnold, 5. Aufl. 2022, § 313 Rz. 12.

2.1.1 Gesetze und Verordnungen

 

Rz. 7

Die Vorschrift will sicherstellen, dass alle Schutzvorschriften zugunsten der Arbeitnehmer auch tatsächlich eingehalten und angewendet werden. Der Begriff der "zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze und Verordnungen" ist deshalb weit auszulegen (BAG, Beschluss v. 19.10.1999, 1 ABR 75/98) und umfasst auch das Richterrecht.[1]

Sinn und Zweck der gesetzlich definierten Betriebsratsaufgaben ist es, die Arbeitnehmer an der Leitung und Gestaltung der sie betreffenden betrieblichen Ordnung zu beteilligen, um auf diese Weise das zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehende Spannungsverhältnis zu verringern (LAG Köln, Beschluss v. 30.6.2000, 11 (12) TaBV 18/00). Erfasst werden deshalb alle Regelungen, die das zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehende Arbeitsverhältnis als solches gestalten oder auf es gerade als Arbeitsverhältnis unmittelbar einwirken (BAG, Beschluss v. 11.12.1973, 1 ABR 37/73). Ein nur mittelbarer Bezug zum Arbeitsverhältnis reicht dementsprechend nicht aus. Pflichten des Arbeitgebers, die im Sozialversicherungsrecht wurzeln, fallen nicht in die Überwachungskompetenz des Betriebsrats (offengelassen von LAG Köln, Beschluss v. 30.6.2000, 11 (12) TaBV 18/00[2]).

 

Rz. 8

"Zugunsten der Arbeitnehmer" gelten die meisten arbeitsrechtlichen Gesetze, z. B. ArbZG, BEEG, BUrlG, EFZG, JArbSchG, KSchG, MuSchG. Schutzgesetze sind auch die Vorschriften über Teilzeitarbeit (TzBfG), die Arbeitnehmerüberlassung (AÜG), das Arbeitnehmerentsendegesetz (AEntG) und das Nachweisgesetz (NachwG) sowie das Schwerbehindertenrecht (SGB IX). Hierzu zählen auch die Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) und der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO). Die Überwachungsaufgabe und das Überwachungsrecht des Betriebrats besteht auch dann, wenn im Betrieb ein Datenschutzbeauftragter bestellt ist, dem kraft Amtes die Sicherstellung der Vorschriften über den Datenschutz und damit die identische Überwachungsaufgabe obliegt (Art. 39 DS-GVO).

 
Hinweis

Allerdings kann sich ein Betriebsrat für ein Auskunftsbegehren im Zusammenhang mit dem BDSG bzw. der DS-GVO nur auf seine nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG bestehende Überwachungsaufgabe berufen, wenn es sich bei den maßgeblichen Regelungen um "zugunsten der Arbeitnehmer geltende Vorschriften" handelt – die der Betriebsrat konkret benennen muss – und die begehrten Auskünfte hierfür "erforderlich" sind (BAG, Beschluss v. 23.3.2021, 1 ABR 31/19, Rn. 26 ff).

 

Rz. 9

Der Betriebsrat hat bei der Verwendung vom Arbeitgeber gestellter Formulararbeitsverträge ein Überwachungsrecht nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG auf die Vereinbarkeit der Vertragsklauseln mit den Vorschriften des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (§§ 305 ff. BGB). Das Überwachungsrecht besteht aus einer Rechtskontrolle. Dem Betriebsrat obliegt im Rahmen seiner Mitbestimmung bei der Einstellung aber nicht die Vertragsinhaltskontrolle, ob individuelle Absprachen zwischen dem Arbeitgeber und dem einzustellenden Arbeitnehmer, z. B. zur Arbeitszeit, tarifwidrig sind (BAG, Beschluss v. 27.10.2010, 7 ABR 36/09, ...

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