Rz. 104

Der Arbeitgeber kann die Kündigung erst nach Ablauf der Wochen- bzw. 3-Tagesfrist des § 102 Abs. 2 Satz 2 bzw. Satz 3 BetrVG oder nach einer abschließenden Stellungnahme des Betriebsrats aussprechen. Hat der Betriebsrat zu der Kündigungsabsicht innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG keine Stellung genommen, so führt es nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung, wenn der Arbeitgeber bereits am letzten Tag der Äußerungsfrist bei Dienstschluss das Kündigungsschreiben einem Kurierdienst übergeben und gleichzeitig dafür gesorgt hat, dass eine Zustellung erst so spät erfolgt, dass er sie noch verhindern kann, wenn der Betriebsrat wider Erwarten doch zu der Kündigungsabsicht Stellung nimmt (BAG, Urteil v. 8.4.2003, 2 AZR 515/02[1]).

 

Rz. 105

Der Arbeitgeber wird aber im Gegensatz zu den nach § 99 BetrVG beteiligungspflichtigen Maßnahmen nicht in seiner Entscheidungsfreiheit beschränkt, er kann vielmehr unabhängig von der Art der Stellungnahme des Betriebsrats die Kündigung aussprechen. Dies wird durch § 102 Abs. 4 BetrVG ausdrücklich klargestellt. Der Widerspruch des Betriebsrats kann aber die Sozialwidrigkeit der Kündigung gem. § 1 Abs. 2 Satz 2 oder Satz 3 KSchG begründen.

 

Rz. 106

Nach § 102 Abs. 4 BetrVG hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Stellungnahme des Betriebsrats – unabhängig von deren Inhalt – abschriftlich zuzuleiten. Hierdurch wird es dem Arbeitnehmer ermöglicht, die Erfolgsaussichten eines Kündigungsschutzprozesses und/oder eines Weiterbeschäftigungsverlangens (§ 102 Abs. 5 BetrVG) einzuschätzen. Unterlässt der Arbeitgeber die Mitteilung, führt dies jedoch nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung.

 
Hinweis

Ein Verstoß gegen die Verpflichtung aus § 102 Abs. 4 BetrVG kann zu einer Schadensersatzpflicht des Arbeitgebers führen.

 
Praxis-Beispiel

Der Arbeitnehmer macht geltend, dass er bei Kenntnis der Stellungnahme des Betriebsrats keine Kündigungsschutzklage erhoben hätte und verlangt vom Arbeitgeber die ihm entstandenen Gerichts- und Anwaltskosten ersetzt.

 

Rz. 107

Ist eine außerordentliche Kündigung unwirksam, weil kein wichtiger Grund gem. § 626 Abs. 1 BGB vorliegt oder der Arbeitgeber die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB versäumt hat, kommt grundsätzlich die Umdeutung in eine ordentliche Kündigung in Betracht. Dies setzt jedoch voraus, dass der Betriebsrat jedenfalls vorsorglich auch zu der ordentlichen Kündigung angehört worden ist (BAG, Urteil v. 11.10.1989, 2 AZR 88/89[2]; vgl. auch Rz. 8). Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn der Betriebsrat der außerordentlichen Kündigung vorbehaltlos und ausdrücklich zustimmt (BAG, Urteil v. 20.9.1984, 2 AZR 633/82), da in dieser Zustimmung auch die Zustimmung zu der schwächeren Maßnahme der ordentlichen Kündigung liegt.

[1] NZA 2003, 961.
[2] NZA 1990, 748.

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