Rz. 40

Eine Mitteilungspflicht besteht auch hinsichtlich der Kündigungsgründe (§ 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG).

Dies bedeutet, dass der Arbeitgeber den Betriebsrat über alle Gesichtspunkte, also über Tatsachen, Bewertungen, Schlussfolgerungen etc., die ihn zur Kündigung veranlassen, zu unterrichten hat.

3.2.3.1 Subjektive Determinierung

 

Rz. 41

Nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG ist eine Kündigung nicht nur dann unwirksam, wenn der Arbeitgeber gekündigt hat, ohne den Betriebsrat vorher angehört zu haben, sondern auch dann, wenn er seiner Unterrichtungspflicht nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG nicht richtig, insbesondere nicht ausführlich genug nachgekommen ist (BAG, Urteil v. 23.10.2008, 2 AZR 163/07[1]; BAG, Urteil v. 17.2.2000, 2 AZR 913/98[2]; BAG, Urteil v. 24.6.2004, 2 AZR 461/03[3]; BAG, Urteil v. 6.10.2005, 2 AZR 316/04[4]). Die Beteiligung des Betriebsrats dient in erster Linie dem Zweck, ihm Gelegenheit zu geben, seine Überlegungen zur Kündigungsabsicht des Arbeitgebers vorzubringen. Aus dem Sinn und Zweck der Anhörung folgt daher für den Arbeitgeber die Verpflichtung, die Gründe für seine Kündigungsabsicht derart mitzuteilen, dass er dem Betriebsrat eine nähere Umschreibung des für die Kündigung maßgeblichen Sachverhalts gibt. Die Kennzeichnung des Sachverhalts muss einerseits so genau und umfassend sein, dass der Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Nachforschungen in der Lage ist, selbst die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe zu prüfen und sich ein Bild zu machen (BAG, Urteil v. 26.3.2015, 2 AZR 417/14[5]). Die Mitteilungspflicht des Arbeitgebers im Rahmen von § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG reicht aber nicht so weit wie seine Darlegungslast im Prozess (BAG, Urteil v. 26.3.2015, 2 AZR 417/14[6]; BAG, Urteil v. 23.10.2014, 2 AZR 736/13[7]). Die Anhörung des Betriebsrats soll diesem nicht die selbständige Überprüfung der Wirksamkeit der beabsichtigten Kündigung, sondern eine Einflussnahme auf die Willensbildung des Arbeitgebers ermöglichen. Sinn und Zweck des § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG ist es, den Betriebsrat in die Lage zu versetzen, sachgerecht auf den Arbeitgeber einzuwirken, d. h. die Stichhaltigkeit und Gewichtigkeit der Kündigungsgründe zu überprüfen und sich eine eigene Meinung zu bilden. Den Kündigungsgrund hat der Arbeitgeber daher regelmäßig unter Angabe von Tatsachen so zu beschreiben, dass der Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Nachforschungen die Stichhaltigkeit prüfen kann (BAG, Urteil v. 12.9.2013, 6 AZR 121/12, Rz. 21; BAG, Urteil v. 23.2.2012, 2 AZR 773/10, Rz. 30).

 

Rz. 41a

Das BAG hat daher in inzwischen gefestigter Rechtsprechung aus § 102 Abs. 1 BetrVG den Grundsatz der sog. subjektiven Determinierung abgeleitet (vgl. BAG, Urteil v. 26.3.2015, 2 AZR 417/14[8]; BAG, Urteil v. 23.10.2014, 2 AZR 736/13[9]; BAG, Urteil v. 21.11.2013, 2 AZR 797/11[10]; BAG, Urteil v. 23.2.2010, 2 AZR 804/08[11]). Der Arbeitgeber muss dem Betriebsrat demnach die Gründe für seinen subjektiven Kündigungsentschluss mitteilen, also solche, die ihm bekannt sind und auf die er die Kündigung stützen will.

 

Rz. 41b

Zu einer vollständigen und wahrheitsgemäßen Information des Betriebsrats gehört auch die Unterrichtung über dem Arbeitgeber bekannte und für eine Stellungnahme des Betriebsrats möglicherweise bedeutsame Tatsachen, die den Arbeitnehmer entlasten (z. B. eine Gegendarstellung, BAG, Urteil v. 31.8.1989, 2 AZR 453/88 zur Anhörung eines Personalrats) und deshalb gegen den Ausspruch einer Kündigung sprechen können (BAG, Urteil v. 23.10.2014, 2 AZR 736/13[12]; BAG, Urteil v. 3.11.2011, 2 AZR 748/10[13]).

 

Rz. 41c

Teilt der Arbeitgeber dem Betriebsrat objektiv kündigungsrechtlich erhebliche Tatsachen nicht mit, weil er die Kündigung darauf nicht stützen will oder weil er sie bei seinem Kündigungsentschluss für unerheblich oder entbehrlich hält, dann ist die Anhörung zwar selbst ordnungsgemäß erfolgt. Die in objektiver Hinsicht unvollständige Unterrichtung hat lediglich "mittelbar" die Unwirksamkeit der Kündigung zur Folge, wenn der mitgeteilte Sachverhalt zur sozialen Rechtfertigung der Kündigung nicht ausreicht, weil es dem Arbeitgeber verwehrt ist, im Kündigungsschutzprozess Gründe nachzuschieben, die nicht Gegenstand der Betriebsratsanhörung waren bzw. über die Erläuterung des dem Betriebsrat mitgeteilten Sachverhalts hinausgehen (BAG, Urteil v. 23.2.2010, 2 AZR 804/08).

 
Hinweis

Im Kündigungsschutzprozess kann die Kündigung nur mit Gründen gerechtfertigt werden, die der Arbeitgeber dem Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung auch mitgeteilt hat.

[1] N. V.
[2] NZA 2000, 761.
[3] NZA 2004, 1330.
[4] NZA 2006, 990.
[5] NZA 2015, 1083.
[6] A. a. O.
[7] NZA 2015, 476.
[8] NZA 2015, 1083.
[9] A. a. O.
[10] NZA 2014, 243.
[11] N. v.
[12] NZA 2015, 476.
[13] NZA 2012, 607.

3.2.3.2 Mitteilung der kündigungsrelevanten Tatsachen

 

Rz. 42

Der vom Arbeitgeber als maßgebend erachtete Sachverhalt ist dem Betriebsrat unter Angabe von Tatsachen, aus denen der Kündigungsentschluss hergeleitet wird, zu beschreiben. Werturteile (z. B. "fehlende Teamfähigkeit"), pauschale oder stichwortartige Angaben (z. B. "wiederholtes Zuspätkommen") genügen ni...

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