1 Allgemeines

 

Rz. 1

Ähnlich wie § 617 BGB ist die Vorschrift eine Teilausprägung der gesetzlichen Fürsorgepflicht des Dienstberechtigten.[1] Geschützt werden ausschließlich das Leben und die Gesundheit des Dienstverpflichteten. Eine entsprechende Anwendung auf Eigentumsschädigungen ist hingegen abzulehnen.[2] In Abs. 2 wird die Fürsorgepflicht auf den Fall erstreckt, dass der Dienstverpflichtete in die häusliche Gemeinschaft des Dienstberechtigten aufgenommen wurde. Die Pflicht zum Gefahrenschutz schließt hier auch die Arbeitszeit und Religion des Dienstverpflichteten mit ein. Die Vorschrift ist nicht abdingbar.

 

Rz. 1a

§ 618 BGB ist Teil des privatrechtlichen Arbeitsschutzrechts, das den Schutz der Arbeitnehmer vor den Gefahren des Arbeitslebens durch die Begründung arbeitsvertraglicher Rechte und Pflichten gewährleisten soll. Demgegenüber begründen öffentlich-rechtliche Arbeitsschutzvorschriften ausschließlich Verpflichtungen gegenüber dem Staat.[3]

Durch § 618 BGB werden öffentlich-rechtliche Schutzvorschriften aus dem Bereich des technischen Arbeitsschutzrechts in das Zivilrecht integriert und abgesichert.[4] Diese allgemeine Fürsorgepflicht des Arbeitgebers wird durch die Normen des europäischen und des nationalen Arbeitsschutzrechts konkretisiert. Deren Einhaltung wird aufgrund von § 618 BGB zugleich arbeitsvertraglich geschuldet.[5] Welche öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutznormen über § 618 Abs. 1 BGB Erfüllungsansprüche im Privatrechtsverhältnis begründen, ist durch Auslegung zu ermitteln. Die Arbeitsschutzvorschrift muss neben ihrem öffentlich-rechtlichen Zweck gerade auch den Schutz des einzelnen Arbeitnehmers zum Ziel haben.

 
Praxis-Beispiel

So dient etwa die von § 5 Abs. 1 ArbSchG vorgeschriebene Gefährdungsbeurteilung auch dem Schutz des einzelnen Arbeitnehmers.

2 Anwendungsbereich

 

Rz. 2

Grundsätzlich gilt die Vorschrift für alle Arten von Dienstverhältnissen. Nicht erforderlich ist ein dauerndes Dienstverhältnis, wie ein Umkehrschluss aus § 617 BGB zeigt.[1] Auf Arbeitsverhältnisse ist sie nur dann anwendbar, soweit keine Sonderregelungen bestehen. Solche finden sich etwa in § 62 HGB für Handlungsgehilfen und in § 114 SeeArbG für Seeleute. Entsprechend erfasst werden zudem Werkvertragsverhältnisse, wenn die Werkleistung in Räumlichkeiten des Bestellers erbracht wird oder die von ihm gestellten Vorrichtungen und Gerätschaften die Gesundheit des Unternehmers gefährden.[2] Gleiches gilt für Auftragsverhältnisse, wenn der Unterschied zum Dienst- oder Werkvertrag im Einzelfall allein in der Unentgeltlichkeit liegt.[3] Hier sind erst recht Schutzvorkehrungen für den Beauftragten zu treffen. Bei Leiharbeitnehmern gilt § 618 BGB ausschließlich im Verhältnis zwischen Leiharbeitnehmer und Verleiher. Jedoch finden gem. § 11 Abs. 6 AÜG die Arbeitsschutzbestimmungen des Entleihers auch auf den Leiharbeitnehmer Anwendung.

 

Rz. 3

Einschränkungen erfährt die Vorschrift im öffentlichen Dienst. Arbeiter und Angestellte werden vom Anwendungsbereich erfasst, nicht hingegen Beamtenverhältnisse.[4]

[1] ErfK/Roloff, 22. Aufl. 2022, § 618 BGB Rz. 3; MünchKomm/Henssler, 8. Aufl. 2020, § 618 BGB Rz. 26.
[2] BGH, Urteil v. 7.12.2017, VII ZR 204/14, NZBau 2018, 286; BGH, Urteil v. 5.2.1952, GSZ 4/51, BGHZ 5, 62.
[3] BGH, Urteil v. 9.2.1955, VI ZR 286/53, NJW 1955, 785.
[4] ErfK/Roloff, 22. Auf. 2022, § 618 BGB Rz. 3; MünchKomm/Henssler, 8. Aufl. 2020, § 618 BGB Rz. 27.; a. A. OVG Schleswig, Beschluss v. 22.11.2017, 2 LA 117/15, BeckRS 2017, 134734 das auch für Beamte § 618 Abs. 1 BGB für entsprechend anwendbar erklärt.

3 Inhalt der Schutzpflicht

3.1 Ausrichtung der Schutzpflicht

 

Rz. 4

§ 618 Abs. 1 BGB bezweckt den Schutz vor den mit der Dienstleistung verbundenen Gefahren für Leben und Gesundheit, die von den technischen Einrichtungen des Betriebs ausgehen.[1] Unter den Begriff der Gesundheit fällt allein die körperliche und psychische Integrität des Dienstverpflichteten. Nicht heranzuziehen ist deshalb der weitergehende Gesundheitsbegriff der WHO, wonach unter Gesundheit "ein Zustand völligen körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens" zu verstehen ist.[2] Dadurch eventuell verbleibende Lücken können durch einen Rückgriff auf die allgemeinen, aus § 242 BGB herzuleitenden Interessenwahrungspflichten geschlossen werden.

 

Rz. 5

Ferner erfordert die Vorschrift das Vorliegen einer Gefahr. Als solche ist die auf objektiv feststellbaren Tatsachen gegründete Besorgnis gemeint, dass bei ungehindertem Geschehensablauf ein Schaden eintritt.[3] Dabei richten sich die Wirkungszusammenhänge nach arbeitsmedizinischen Erkenntnissen.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Personal Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge