Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Erstattung von Kosten im Vorverfahren. Erfolglosigkeit des Widerspruchs wegen Unbeachtlichkeit eines Verfahrensfehlers. fehlende Begründung der Höhe der Leistung bei unbeziffertem Antrag. Nachholung im Widerspruchsbescheid. Anwendbarkeit des § 63 Abs 1 S 2 SGB 10 auch auf Fälle des § 42 SGB 10

 

Leitsatz (amtlich)

Die Unbeachtlichkeit eines Verfahrens- oder Formfehlers nach § 42 S 1 SGB X, der einer Aufhebung des formell-rechtwidrigen Bescheides entgegenstehen würde und damit neben § 41 SGB X ebenso zur Erfolglosigkeit des Widerspruchs führt, vermag nicht die Kostenfolge des § 63 Abs 1 S 2 SGB X auszuschließen. Vielmehr ist § 63 Abs 1 S 2 SGB X entgegen seinem Wortlaut auch auf die Fälle des § 42 SGB X entsprechend anzuwenden.

 

Orientierungssatz

Von der Begründungspflicht ist die Behörde nach § 35 Abs 2 Nr 1 SGB 10 nur dann befreit, wenn dem Antrag in vollem Umfang entsprochen wurde. Bei einem unbezifferten Antrag können zwar die Ausführungen zum Leistungsgrund nach § 35 Abs 2 Nr 1 SGB 10 entfallen, nicht aber die Begründung zur Höhe der Leistung.

 

Tenor

I. Der Beklagte wird unter Abänderung des Widerspruchsbescheides vom 24.03.2016 verurteilt, der Klägerin die in dem Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 26.01.2016 entstandenen notwendigen Aufwendungen dem Grunde nach zu erstatten.

II. Der Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

III. Die Berufung wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Parteien ist die Kostenerstattung hinsichtlich des Widerspruchsverfahrens mit dem Aktenzeichen W-... streitig.

Der Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 26.01.2016 auf den Antrag der Klägerin eine Verzinsung von Geldleistungen in Höhe von 67,60 €. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 16.02.2016 Widerspruch ein. Zur Begründung führte der Prozessbevollmächtigte aus, dass der Bescheid über die Verzinsung intransparent sei, da insbesondere nicht nachvollzogen werden könne, wie sich der Zinsbetrag errechnet.

Der Widerspruch wurde mit dem Widerspruchsbescheid vom 24.03.2016 als unbegründet zurückgewiesen und eine Kostenerstattung der ggf. entstandenen notwendigen Aufwendungen im Widerspruchsverfahren abgelehnt. Der Beklagte führte darin unter anderem sinngemäß aus, dass die Berechnung der Zinsen nicht zu beanstanden sei und legte den Rechenweg in der Begründung näher dar.

Gegen die Kostengrundentscheidung des Widerspruchs richtet sich die vorliegende Klage. Die Klägerin ist der Ansicht, dass ein Fall des § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB X vorliege, da mit dem Widerspruchsbescheid die fehlende Begründung des Ausgangsbescheids geheilt worden sei.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten unter Abänderung der Kostengrundentscheidung im Widerspruchsbescheid vom 24.03.2016 zu verpflichten, der Klägerin die notwendigen Aufwendungen des Widerspruchsverfahrens W .../16 zu erstatten.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Auffassung, dass ein Begründungsmangel des Ausgangsbescheides nicht vorgelegen habe und der Widerspruch deshalb keinen Erfolg gehabt hätte. Wegen der Stattgabe des Antrags nach § 35 Abs. 2 Nr. 1 SGB X hätte es keiner Begründung bedurft.

Das Gericht hat die Verwaltungsakten des Beklagten beigezogen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte sowie auf die beigezogene Verwaltungsakte verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Klage ist zulässig und begründet.

Streitgegenstand ist unter Zugrundelegung des gestellten Klageantrags allein der Widerspruchsbescheid vom 24.03.2016, mit dem der Beklagte die Erstattung der im Widerspruchsverfahren entstandenen notwendigen Aufwendungen abgelehnt hat. Der Widerspruchsbescheid enthält hinsichtlich der Kostengrundentscheidung eine selbstständige Beschwer, sodass gegen diese Entscheidung des Widerspruchs ausnahmsweise eine isolierte Anfechtungsklage zulässig ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 12.08.2014 - 1 C 2/14). Damit bedurfte es auch keines (eigenen) Vorverfahrens im Sinne des § 78 Abs. 1 und 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Denn ein solches ist dann nicht erforderlich, wenn die Kostenentscheidung als Ausspruch im Widerspruchsbescheid und nicht in einem eigenen Bescheid enthalten ist (vgl. Roos in: v. Wulffen/ Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 63, Rz. 37).

Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erstattung der im Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 26.01.2016 entstandenen notwendigen Aufwendungen. Der angefochtene Widerspruchsbescheid ist insoweit rechtwidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.

Rechtsgrundlage der Erstattungsforderung ist § 63 Abs. 1 Satz 1 und 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Nach § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X hat der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, - soweit der Widerspruch erfolgreich ist - demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder R...

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