Entscheidungsstichwort (Thema)

Pflegeversicherung. fristlose Kündigung. Versorgungsvertrag. Falschabrechnung. Überschreitung. Grenze. Zulassungsstatus. pflichtwidriges Verhalten. Abmahnung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zu den Voraussetzungen für die fristlose Kündigung eines Versorgungsvertrages gemäß § 74 Abs 2 SGB 11.

2. Erbringt eine ambulante Pflegeeinrichtung stationäre Pflegeleistungen und rechnet diese als ambulante Pflegeleistungen ab, überschreitet sie die Grenzen ihres Zulassungsstatus und verstößt zugleich gegen die Bestimmungen des Vergütungsrechts.

3. Im Einzelfall kann es geboten sein, den Einrichtungsträger vor Ausspruch einer fristlosen Kündigung aufzufordern, sein pflichtwidriges Verhalten einzustellen.

4. Eine stationäre Pflegeeinrichtung (Pflegeheim) liegt vor, wenn neben Unterkunft, Verpflegung und Betreuung auch Pflegesachleistungen an die Pflegebedürftigen erbracht werden.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit der Kündigung eines Versorgungsvertrags über eine ambulante Pflegeeinrichtung.

Die Klägerin betrieb bis zum 10.07.1999 eine ambulante Pflegeeinrichtung, die seit diesem Tag von der Firma ... GmbH & Co. Pflege KG (im Folgenden: GmbH & Co. KG) weitergeführt wird. Im Jahr 1994 schloß die Klägerin mit der AOK Chemnitz (11.05.1994) und mit den Beklagten zu 4 und 5 (01.06.1994) Verträge über häusliche Krankenpflege, Pflegehilfe und Pflege. Für diese Verträge genießt die Klägerin gemäß § 73 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) Bestandsschutz, d.h. es gilt ein Versorgungsvertrag über eine ambulante Pflegeeinrichtung als abgeschlossen.

Zum 01.08.1995 schlossen die Beteiligten einen weiteren Vertrag über eine Kurzzeitpflegeeinrichtung, der allerdings nicht Gegenstand dieses Verfahrens ist.

Am 24.07.1998 fand durch die Beklagte zu 1 eine Begehung der Kurzzeitpflegeeinrichtung der Klägerin statt. Als Ergebnis der Begehrung wurde festgehalten: Von den im Versorgungsvertrag festgeschriebenen 12 Kurzzeitpflegeplätzen in sechs Zweibettzimmern seien zehn Plätze mit Versicherten belegt, denen keine Leistungen der Kurzzeitpflege gewährt würden. Zwei Bewohner seien sogar unter der Anschrift der Einrichtung polizeilich gemeldet. Die Aufenthaltsdauer der einzelnen Versicherten überschritten im Regelfall die Dauer von vier Wochen. Für acht Versicherte seien während des Aufenthaltes ambulante Pflegesachleistungen abgerechnet worden; bei fünf Versicherten zusätzlich auch Leistungen der Behandlungspflege nach § 37 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). Es sei zu vermuteten, dass durch die Einrichtung seit Inbetriebnahme in anderen Fällen entsprechend verfahren worden sei.

Daraufhin wandten sich die Beklagten an die Klägerin mit einem Anhörungsschreiben vom 17.08.1998. Darin wurde ausgeführt: Die Klägerin betreibe eine durch Versorgungsvertrag zugelassene Kurzzeitpflegeeinrichtung. Durch diesen Versorgungsvertrag habe sich die Klägerin verpflichtet, ganzjährig zwölf Kurzzeitpflegeplätze zur Verfügung zu stellen. Folgende Sachverhalte seien festzustellen:

--  Es bestünden qualitative Mängel, insbesondere hinsichtlich

der baulichen und räumlichen Situation.

--  Die mit den Versicherten abgeschlossenen Verträge zur

Kurzzeitpflege seien offenbar unzureichend.

--  Für eine Vielzahl von Versicherten, die in der

Kurzzeitpflegeeinrichtung untergebracht seien, würden Pflegesachleistungen aus dem ambulanten Bereich abgerechnet; bei einigen Versicherten darüber hinaus auch Leistungen der Behandlungspflege gemäß § 37 SGB V. Beides sei jedoch nicht zulässig.

--  Es würden offenbar vollstationäre Pflegeleistungen erbracht,

ohne dass ein entsprechender Versorgungsvertrag bestünde.

Der Klägerin wurde zur Klärung der genannten Sachverhalte eine Frist zur Stellungnahme gesetzt.

Mit Schreiben vom 02.09.1998 nahm die Klägerin zu den in dem Anhörungsschreiben genannten Sachverhalten Stellung und führte u.a. folgendes aus: Seit Januar 1998 sei ihrerseits die ergänzende Zulassung zur vollstationären Pflege beantragt, um einen entsprechenden Versorgungsvertrag zu erhalten. Dass sich diese Genehmigung jedoch noch immer hinauszögere, sei für sie absolut unverständlich und habe einen Großteil der bestehenden Probleme erst verursacht.

Mit Schreiben vom 30.11.1998 kündigten die Beklagten den Versorgungsvertrag über die ambulante Pflegeeinrichtung. Zur Begründung wurde ausgeführt: Der gemäß § 73 Abs. 3 SGB XI zwischen den Beteiligten bestehende Versorgungsvertrag könne von den Beklagten gemäß § 74 Abs. 2 SGB XI ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden. Durch die Klägerin seien nämlich mehrfach ambulante Pflegesachleistungen für Versicherte abgerechnet worden, obwohl diese in der Kurzzeitpflegeeinrichtung der Klägerin untergebracht gewesen seien. Die Erbringung und Abrechnung von ambulanten Pflegesachleistungen in einer stationären Pflegeeinrichtung sei aber unzulässig. Im Einzelnen seien für acht in der Kurzzeitpflegeeinrichtung untergebrachte Pflegebedürftige während eines zum Teil mehrere Monate dauernden Auf...

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