Entscheidungsstichwort (Thema)

Insolvenzgeld. Höhe. Arbeitsentgeltanspruch. Entgeltumwandlung zur betrieblichen Altersversorgung. Begrenzung Bruttoarbeitsentgelts auf Beitragsbemessungsgrenze. Übergangsvorschrift. Zeitpunkt des Insolvenzereignisses. Insolvenzeröffnung. Insolvenzantrag. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

1. Künftige Entgeltansprüche, die aufgrund Vereinbarung in eine wertgleiche Anwartschaft auf Versorgungsleistungen einer betrieblichen Altersversorgung umgewandelt werden, verlieren den Charakter des insolvenzgeldfähigen Arbeitsentgelts (vgl BAG vom 26.6.1990 - 3 AZR 641/88 = BAGE 65, 215).

2. Wurde das Insolvenzverfahren durch Beschluss am 1.1.2004 eröffnet, so findet § 185 Abs 1 SGB 3 idF vom 23.12.2003, dh die Begrenzung des berücksichtigungsfähigen Bruttoarbeitsentgelts auf die monatliche Beitragsbemessungsgrenze gem § 434j Abs 12 Nr 5 SGB 3 Anwendung.

3. Da die Festlegung des maßgeblichen Zeitpunktes des Insolvenzereignisses auf die Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch § 183 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB 3 in keinem Gegensatz zur EWGRL 987/80 idF vom 23.9.2002 steht, kann nicht auf den Zeitpunkt der Stellung des Antrages auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgestellt werden.

3. Die Übergangsregelung des § 434j Abs 12 Nr 5 SGB 3 ist unter Berücksichtigung des Vertrauensschutzes und Rückwirkungsverbotes des Rechtsstaatsprinzips verfassungsgemäß.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 05.12.2006; Aktenzeichen B 11a AL 19/05 R)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Höhe des Insolvenzgeldes für ausgefallenes Arbeitsentgelt vom 1. Oktober 2003 bis 31. Dezember 2003, welches zur Vorfinanzierung abgetreten worden war, und hierbei um die Einbeziehung der Beträge für die Entgeltumwandlung zu Gunsten einer betrieblichen Altersversorgung sowie um die Gewährung ohne Begrenzung des Bruttoarbeitsentgelts durch die Beitragsbemessungsgrenze aus Gründen des Vertrauensschutzes.

Das Amtsgericht Charlottenburg eröffnete mit Beschluss vom 1. Januar 2004 das Insolvenzverfahren wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung über das Vermögen einer A H GmbH & Co KG. Die Klägerin finanzierte das Arbeitsentgelt für die Arbeitnehmer des Unternehmens für den Zeitraum vom 1. Oktober 2003 bis 31. Dezember 2003 mit Zustimmung der Beklagten vor und ließ sich im Gegenzug die Arbeitsentgeltforderungen der Arbeitnehmer für den vorgenannten Zeitraum abtreten.

Auf die Anträge der Klägerin vom 22. Oktober 2003 auf Gewährung von Insolvenzgeld für die abgetretenen ausgefallenen Arbeitsentgeltansprüche der Arbeitnehmer bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 17. März 2004 Insolvenzgeld in Höhe von insgesamt 219.543,95 €, berücksichtigte aber bei drei Arbeitnehmern nicht die Entgeltansprüche in Höhe einer erfolgten Entgeltumwandlung zu Gunsten einer betrieblichen Altersversorgung sowie bei zwei Arbeitnehmern nicht die über die Beitragsbemessungsgrenze hinausgehenden Entgeltansprüche. Auf den Widerspruch der Klägerin erhöhte die Beklagte mit Bescheid vom 5. August 2004 das Insolvenzgeld um 106,00 € und wies den Widerspruch im Übrigen mit Widerspruchsbescheid vom 9. August 2004 zurück.

Mit der am 9. September 2004 eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren auf Gewährung von höherem Insolvenzgeld weiter. Die Klägerin trägt vor, die Entgeltumwandlung zu Gunsten der betrieblichen Altersvorsorge stelle einen originären Entgeltanspruch gegen den Arbeitgeber dar. Die Entgeltumwandlung betreffe lediglich die Verwendung des Nettoarbeitsentgelts zur betrieblichen Altersversorgung und sei daher insolvenzgeldfähig. Die Verwendung zur betrieblichen Altersversorgung dürfe bei der Entgeltumwandlung nicht anders behandelt werden als die Verwendung zur privaten Altersvorsorge, die zu keiner Kürzung des Insolvenzgeldanspruches führe. Schließlich sei § 185 Sozialgesetzbuch/Arbeitsförderung - SGB III - in der bis zum 31. Dezember 2003 geltenden Fassung anzuwenden, also ohne Begrenzung des Bruttoarbeitsentgelts durch die Beitragsbemessungsgrenze, da der Begriff des Insolvenzereignisses in § 434 j Abs. 12 Nr. 5 SGB III EU-Richtlinien-konform dahin auszulegen sei, dass darunter der Zeitpunkt der Stellung des Antrages auf Eröffnung des Verfahrens zur gemeinschaftlichen Gläubigerbefriedigung zu verstehen sei (vgl. Art. 3 Abs. 2, 4 Abs. 2 der Richtlinie 80/987/EWG). Die Antragstellung auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens sei aber noch im Jahre 2003 erfolgt. Anderenfalls verstieße die Übergangsregelung gegen die verfassungsrechtlich gewährleisteten Grundsätze des Vertrauensschutzes und des Rückwirkungsverbotes als Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips. Bei der von der Beklagten vorgenommenen Gesetzesauslegung würde für bereits vor dem 1. Januar 2004 abgeschlossene Verträge zur Vorfinanzierung von Insolvenzgeld nachträglich teilweise die als Gegenleistung für den Forderungskaufpreis dienende Insolvenzgeldforderung gekürzt und damit in das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung der Vertragsparteien des Insolvenzgeld-Vorfinanzierungsvertrages eingegriffen, das...

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